«In der Schweiz sind viele Agenturen überjüngt»

Samuel Textor, Creative Director und Partner der Zürcher Agentur Freundliche Grüsse, stellt sich unseren «13 Fragen».

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1. Sie könnten Ihr Smartphone einen Tag lang mit dem einer anderen Person tauschen. Würden Sie? Und falls ja, mit wem?
Donald Trump. Wenn ich einen Tag über seinen Twitter-Account verfügen könnte, liesse sich vielleicht die Welt retten.

2.  Wer war der amüsanteste Lunchpartner?
Herr Dünner. Ein damals 88-jähriger überzeugter Stadt-Velofahrer, mit dem wir einen Film
für die Stadt Zürich drehten. Er lud uns zu Canapé in ein tolles Gartencafé nahe beim Triemli ein – dort schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Bei dünnem Kaffee hat man sich da köstlich amüsiert.

3.  Das beste Testimonial, das es je gegeben hat?
Das von Herrn Dünner. Der Regisseur Jonas Meier hatte mit uns einen wunderbaren Film über ihn gedreht.

4.  Wie wissen Sie bei einer Idee, dass sie gut ist?
Wenn man sie sofort machen will, egal zu welcher Tageszeit.

5.  Nennen Sie uns eine Kampagne, die Ihnen in letzter Zeit positiv aufgefallen ist, aber nicht von Ihnen stammt.
Gerade heute habe ich eine smarte Social-Media-Geschichte gesehen. «Check it before it’s removed» von DDB Berlin für Pink Ribbon Deutschland. Hier wird mit dem Umstand gespielt, dass Facebook-Bilder sofort entfernt werden, wenn sie eine weibliche Brust enthalten. Man muss also schnell reagieren.

6. Ein Buzz-Wort, das Ihnen auf die Nerven geht?
Digital. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass neue Medien in die Kampagnenorchestrierung gehören. So klar, dass es Digital als Positionierung / Abgrenzung hoffentlich bald nicht mehr braucht.

7.  Stimmt für Sie die kolportierte Meinung, dass man in Agenturen nicht alt werden kann, oder ist das ein Vorurteil?
Digitalisierung hin oder her: In der Schweiz sind viele Agenturen tatsächlich überjüngt. In anderen Ländern scheint mir dies weniger der Fall, in England zum Beispiel werden ­erfahrenen Agenturleuten auch auf tieferen Jobpositionen viel Respekt entgegengebracht. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass auch klassische Kreative oft sehr gut auf Online-Briefings arbeiten.

8.  Erhält die Werbebranche für ihre Arbeit genug Wertschätzung?
Es gibt viele Arbeiten, die keinerlei Wertschätzung verdienen. Handkehrum gibt es viele Sachen, die ein wichtiges Thema ins Gespräch bringen oder einfach gut sind. Wenn ich zum Beispiel die Architektur anschaue, dann muss ich auch sagen: Da sind herausragende, aber auch sehr viele miserable Arbeiten, beispielsweise wenn ich von meinem Fenster auf das neue Züri West schaue. Aber die Architektur hat natürlich einen viel besseren Ruf.

9.  Was ist für Sie die momentan grösste He­rausforderung für die Werbung?
Die schnellen Medien führen bei manchen dazu, dass bei der Qualität von Idee und Umsetzung Abstriche gemacht werden. Das ist natürlich Quatsch, gerade in den neuen Medien sollte ebenso auf Qualität geachtet werden wie auf klassischen Kanälen.

10. Welche Rolle spielen Awards in der Werbe­branche?
Natürlich eine grosse. Ich persönlich finde, dass durch den Antrieb der zum Teil wirklich aufgeblähten Awards durchaus Ideen mit gemeinnützigen Absichten eine Schubkraft erfahren. Diese können dann, wenn sie auch gewissenhaft gemacht werden, eine sinnvolle Wirkung entfalten.

11.  Was bereuen Sie?
Dass ich mich zum Teil nicht stärker für Ideen eingesetzt habe. Beim Kunden, intern, bei der Verteidigung gegenüber Award-Gremien, durch bedingungslose Aufbereitung, wenn die Idee durch ist. Aber hier hilft auch Sicherheit durch Position und Erfahrung, das muss man erst mal haben.

12.  Welchen Berufskollegen würden Sie mit auf die einsame Insel nehmen?
Einen Programmierer aus unserer Agentur. Ruhe in Person. Genie in der Ausführung. Könnte allenfalls sogar ein Sonnensegel programmieren.

13.  Wofür würden Sie gratis arbeiten?
Das geschieht natürlich immer wieder. Für Organisationen mit sozialem oder politischem Engagement, die sich zum Beispiel für eine weltoffene Gesellschaft einsetzen.

Samuel Textor ist Creative Director und Gründer bei Freundliche Grüsse. Zuvor arbeitete er als Texter und Creative Director bei verschiedenen Agenturen. Freundliche Grüsse ist eine neue Full-Service Kreativ­agentur in Zürich und in Berlin, mit digitalem Kern und einem Fokus auf
integrierte Kampagnen. Zu den Kunden gehören Allianz Suisse, Raiffeisen, Adidas, Sonova, Franke, Brack.ch. Die Agentur wurde 2014 gegründet und in dieser kurzen Zeit bereits mit mehreren nationalen und internationalen Awards ausgezeichnet.

Die «13 Fragen» erscheinen sowohl Online wie auch in der Printausgabe der Werbewoche.

Umsetzung 13 Fragen: Thomas Häusermann

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