Zur Sache: Rauchfrei oder spassfrei?

Ich bin überzeugte Nichtraucherin. Wenn meine Kinder in der Nähe sind, kann ich in dieser Haltung auch schon mal militant werden. Der Slogan «Wer küsst schon gerne Nikotin?» hat mich in den 1980er-Jahren in der Schule sehr beeindruckt.

Denn schliesslich wollte ich gerne geküsst werden und dann nicht wie ein Aschenbecher schmecken. Also habe ich in meinem Leben exakt eine Zigarette geraucht – und das wars. Ich finde Rauchen grusig. Dennoch meine ich angesichts der Debatte über das neue Tabakproduktgesetz: «Lasst doch mal die Raucher in Ruhe!»

Andere Menschen haben in ihrem Leben noch kein einziges Bier getrunken oder noch nie Wein angerührt. Oder sie verzichten gänzlich auf Schokolade. Für mich wäre das völlig undenkbar. Wenn nun Gesundheits-, Präventions- und Jugendorganisationen im neuen Tabakproduktgesetz ein totales Werbeverbot für Tabakwaren fordern, dürften eigentlich auch Frey und Läderach nicht mehr für ihre Osterhasen werben und Brauereien oder Weinhändler nicht mehr für ihre feinen Tropfen. Denn Schoggi und Alkohol sind wie Rauch ungesund.

Natürlich vervielfacht der, der Alkohol trinkt und Schoggi isst, seinen ganz privaten Bauch und seine eigenen Gesundheitsrisiken, während der Raucher sein Abgas zuweilen auch anderen ins Gesicht bläst. Aber auch das sollten wir mit mehr Grosszügigkeit füreinander in den Griff bekommen. Werden Raucher nicht systematisch weggewiesen und gebrandmarkt, akzeptieren sie vielleicht auch eher, dass man selbst ihren Rauch nicht so schätzt. Einen Versuch wäre es wert.

In die gleiche Richtung wie das neue Tabakproduktgesetz geht die Volksinitiative des Blauen Kreuzes des Kantons Zürich. Sie will Alkoholwerbung auf Sportplätzen und an Sportveranstaltungen im Kanton Zürich generell verbieten und damit das bereits geltende landesweite Werbeverbot für Hochprozentiges an Sportanlässen weiter verschärfen.

All diese Werbeverbote tragen den Heiligenschein der Prävention. Aber ist es die Aufgabe von Werbern und werbetreibenden Unternehmen, durch Verzicht auf Werbung Gesundheitsprävention zu betreiben? Und sollten Gesetzgeber sie dazu verdonnern? Ich meine: Nein! Werbung macht auf neue Produkte aufmerksam, sie macht unser Leben bunter und kann die Kraft haben, an eine Marke zu binden. Doch glauben Sie, dass ein junger Mensch heute noch nach einer Zigi greift, weil er Werbung dafür gesehen hat? Diese Zeiten sind mit dem Malboro-Mann längst in den Sonnenuntergang geritten.

Klar wäre es besser, wenn weniger Jugendliche rauchen würden. Und klar gehören Alkohol und Sport nicht zusammen. Aber es ist doch Aufgabe von Erziehungsberechtigten und Bezugspersonen, Kindern und Jugendlichen die Gefahren solcher Genüsse klarzumachen. Was junge Menschen am wenigsten beeindruckt, ist der erhobene Zeigefinger. Und was sie am meisten reizt, sind Verbote. Besser zeigen wir den Jungen einen klugen Umgang mit Genussmitteln. Vielleicht würden wir staunen, wie viele sich gegen unmässiges Rauchen und Trinken entscheiden, weil sie es selbst so wollen.

Immer mehr Gesetze und Verbote führen irgendwann zu einer spassfreien Gesellschaft. Und zum Verlust der eigenen Urteilsfähigkeit.

Anne-Friederike Heinrich, Chefredaktorin
f.heinrich@werbewoche.ch
 

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