Das wurde auch Zeit

Endlich wollen die Verleger am selben Strang ziehen: Das Editorial aus der Werbewoche 16/2018 vom 5. Oktober 2018.

edito16

Nahezu ungläubig schaute die Schweizer Medienbranche bisher zu, wie die digitale Konkurrenz aus Übersee die Werbegelder abschöpfte. Besonders Google wird immer stärker und mächtiger. Im Juni wurde bekannt, dass der Suchmaschinen-Gigant 2018 hierzulande mit den Werbeeinnahmen die Zwei-Milliarden-Franken-Hürde knacken wird. Eine beeindruckende und zugleich beängstigende Zahl. Denn erstmals wird Google damit mehr Werbegelder generieren als die gesamte Schweizer Medienlandschaft in den Sparten Print, Fernsehen und Radio zusammen. Noch 2016 hatte Media Focus dem Konzern «nur» 450 Millionen Franken Werbeumsatz zugeschrieben – die Steigerung darf man sich beunruhigt auf der Zunge zergehen lassen. Und diese Zahlen betreffen nur Google.

Facebook generiert zwar weit weniger Werbegelder, hat aber mit Instagram ein auch auf dem Werbemarkt immer populärer werdendes Ass im Ärmel. Für dreistellige Millionenumsätze reicht es auch in der Schweiz noch – Geld, das anderswo schmerzlich vermisst wird.

Die Ideen, wie man den übermächtigen Mitstreitern Paroli bieten könnte, waren in der Vergangenheit vielfältig. Das von Ringier, Swisscom und SRG initiierte Werbe-Joint- Venture Admeira beispielsweise hat sich bei der Lancierung genau diesem Kampf verschrieben. Und dabei grosszügig übersehen, dass die nicht beteiligten Verlage unbequeme (und berechtigte) Fragen zur Rolle der staatsnahen Swisscom und der gebührenfinanzierten SRG stellen würden. Es folgten endlose, teils auch gerichtliche Auseinandersetzungen. Am Ende verkündete die SRG den Austritt. Eine geballte Offensive mit gebündelter Kraft aus der (angeschlagenen) Medienbranche? Fehlanzeige. Zurück auf Feld eins.

Konzerne wie Google lachen sich wohl ins Fäustchen, wenn sie das hilflose Theater beobachten. Oder wohl eher: beobachten würden. Denn vermutlich interessieren sie sich gar nicht sonderlich dafür. Sie spielten in den vergangenen Jahren nach ihren eigenen Regeln, haben die der Digitalisierung hinterherhinkenden europäischen Datenschutzgesetze ignoriert oder bestenfalls nach eigenem Gutdünken interpretiert. Während sich die anderen untereinander stritten, über Schulterschlüsse diskutierten oder gesetzliche Regulierungen forderten, wurde in aller Ruhe (aber mit der enormen Geschwindigkeit der heutigen Marktentwicklung) der Vorsprung auf die einheimische Konkurrenz ausgebaut. Das Schweizer Tempo bei der Suche nach Konsens und Lösungen, mit denen (auch rechtlich) alle leben können, ist zwar nachhaltig und eigentlich sympathisch. Im direkten Vergleich mit den US-Giganten, die meist schon mehrere Schritte weiter planen, stösst es aber – gelinde gesagt – an seine Grenzen.

Eine Meldung, kürzlich am Swiss Media Forum bekannt gegeben, lässt wieder etwas Hoffnung aufkommen: Die Verleger wollen ihre News-Portale mit einem gemeinsamen Login versehen, um so die Werbekunden mit präziseren Kundenprofilen versorgen können. Für einmal sitzen wirklich alle grossen Verlage am Verhandlungstisch – nebst NZZ, SRG, Somedia und AZ Medien auch die sich seit Admeira in den Haaren liegenden Schwergewichte Ringier und Tamedia. Neuerdings scheint auch der Fahrplan zu stimmen: Statt wie in der Vergangenheit lange um den heissen Brei herum zu debattieren, will man das Projekt bereits Anfang 2019 lancieren. Ob ein gemeinsames Login der Weisheit letzter Schluss ist, spielt dabei gar keine so grosse Rolle. Wichtig ist, dass man endlich a) keine Zeit mehr verliert und b) beim Kampf gegen den Werbegelder-Abfluss nach Übersee gemeinsam Lösungen sucht und am selben Strang zieht.

Ein geschlossenes Auftreten ist jedoch keine Lösung und auch keine eigentliche Strategie, sondern eine notwendige Grundvoraussetzung, wenn man sich in diesem fast schon aussichtslos scheinenden Tauziehen doch noch eine Chance wahren will. Den Problemen untereinander kann man sich ja danach wieder widmen.

Thomas Häusermann, Chefredaktor a.i. Werbewoche

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