Don’t be a maybe*

Das Editorial aus der Werbewoche 11/2018 von Redaktorin Ann-Kathrin Kübler.

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Freiheit oder Verbot: Muss das Schweizer Volk wählen, entscheidet es sich gerne für Ersteres. Gut für die Werbeindustrie und die freie Marktwirtschaft. Frei verkäufliche Produkte darf man hierzulande frei bewerben. Knifflig wird es allerdings bei Produkten, die eben nicht frei verkäuflich sind, sondern in den meisten Kantonen erst ab einer bestimmten Altersgrenze über die Ladentheke gehen dürfen. Tabak zum Beispiel.

Zwar ist es in der Schweiz bereits untersagt, Werbung für Zigaretten und Co. gezielt an Kinder und Jugendliche zu richten. Trotzdem schaffen es Tabakfirmen gemäss einer Westschweizer Erhebung aus den Jahren 2013 und 2014, mit ihren Botschaften nach wie vor diese Klientel anzusprechen. Mit Bannern neben Süssigkeiten im Kiosk, gesponserten Feiern oder Social-Media-Auftritten. Um Kinder und Jugendliche vor den Reizen solcher Werbung zu schützen, sammeln Gesundheitsorganisationen aktuell Unterschriften für eine Initiative. Werbung, die irgendwie irgendwo an die junge Bevölkerung gelangen könnte, soll verboten werden, so die Forderung.

Die Werbewoche hat interessiert: Wie bewertet die Branche die vorgeschlagene Einschränkung ihrer eigenen Freiheit? Wir erhielten einige Absagen von Werbern, die sich nicht zum Thema äussern wollten. Weil man sich per se unbeliebt macht, wenn man ein Werbeverbot befürwortet? Weil man potenzielle Auftraggeber verärgern könnte? Das sind nur Mutmassungen. Die Rückmeldungen zeigen: Die meisten Befragten lehnen die Initiative ab.

Die Zeiten, in denen einen Cowboys von jeder Strassenecke anrauchten, sind längst vorbei.

Natürlich hat sich in den letzten Jahren bereits einiges getan. Die Zeiten, in denen einen Cowboys von jeder Strassenecke anrauchten, sind längst vorbei. Und trotzdem zeigt die eingangs erwähnte Erhebung, dass die subtileren Strategien – ein Gewinnspiel hier und ein Logo da – sehr wohl noch greifen. Wer nun anmerkt, die Verantwortlichen seien die Eltern, die ihre Kinder dazu erziehen müssten, den Verlockungen der Glimmstängel zu widerstehen, macht es sich meiner Meinung nach zu einfach. Wieso sollte das Umfeld, in dem die Kinder aufwachsen, elterlichen Bemühungen contra Tabak entgegensteuern? Das Argument, die Werbung richte gar nichts aus, widerspricht doch genau dem, wofür Werbung steht: Bedürfnisse erschaffen, Konsumenten überzeugen, Produkte verkaufen. Natürlich wirkt (Tabak-)Werbung. Sonst wären die zahlreichen Werbeagenturen längst pleite. Und Hand aufs Herz: Fanden wir als Kind nicht alle mal cool, wie erwachsen, verrucht und zufrieden die rauchenden Werbefiguren wirkten?

Das ändert nichts daran, dass an den Folgen des Tabakkonsums in der Schweiz jedes Jahr 9500 Menschen sterben. Damit sind 15 Prozent der Todesfälle auf die Auswirkungen dieses Suchtmittels zurückzuführen. Und wie süchtig Nikotin macht, weiss jeder, der mal geraucht hat. Kinder und Jugendliche, die bekanntlich zu der beeinflussbarsten Altersgruppe zählen, auch nur ansatzweise zu etwas zu verführen, das ihre Lebenserwartung erwiesenermassen verkürzen könnte, trifft bei mir nur auf eins: Unverständnis. Und die Zielgruppe erreicht man nun mal auch mit Werbung, die sich nicht direkt an sie richtet, aber doch von ihr registriert wird. Die Werbeindustrie wird sicher nicht untergehen, wenn die Tabakwerbung wegfällt. Sie macht nur 0,06 Prozent des Werbekuchens aus (Jan. bis Apr. 2018; Quelle: Media Focus).

Die (letzten) Freiheiten der Tabakindustrie in Ehren. Aber die Freiheit der Mächtigeren hört noch immer dort auf, wo schützenswerte Minderjährige in Gefahr geraten. In diesem Fall sollte man die Prioritäten richtig setzen und ein Verbot als Beitrag zur Gesunderhaltung der Mitmenschen begreifen. Ob die Raucherquote von aktuell 25 Prozent tatsächlich sinken wird oder nicht: Immerhin könnten sich Werber dann nicht mehr vorwerfen, noch eine Person mehr zum Tabak verführt zu haben. Und sich stattdessen Gedanken darüber machen, wie sie das Image der Zigarette als Symbol von Coolness in das umwandeln könnten, was es ist: ein gesundheitsschädliches Suchtmittel. Auch wenn die Branche hier widerspricht, sollte man im Fall der Tabakwerbung ausnahmsweise das Verbot über die Freiheit stellen. Nicht nur vielleicht und ein bisschen in wenigen Bereichen, sondern komplett.

* Werbeslogan von Marlboro

Ann-Kathrin Kübler, Redaktorin Werbewoche

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