Zur Sache: Wahlk(r)ampf

Nach der Wahl ist das Staunen gross: Die Grünen welken, bei den Rechten ruckt’s und die wenigsten juckt’s. Eine Wahlbeteiligung von knapp über 30 Prozent blamiert alle Kandidaten, gleich, ob sie nun gewählt wurden oder nicht.

Aber warum zieht es Herrn und Frau Schweizer nicht mehr an die Urne? Schnell ist das Label «Politikverdrossenheit» vergeben. Doch Junge diskutieren sehr wohl über Politik, Familien ist es nicht egal, wer im Regierungs- und im Kantonsrat sitzt. Und warum gestalten sie die Welt, in der sie leben, nicht mit? Weil viele Politiker den Anschluss an die jüngere Generation verloren haben – und zwar in der medialen Gestaltung ihres Wahlkampfes. Wahlwerbung ist im letzten Jahrhundert stecken geblieben. Dabei ist es für Politiker heute so einfach wie nie, Nähe zu Wählern herzustellen. Sich die Samstage vor Einkaufszentren um die Ohren zu schlagen und Luftballons zu verteilen, ist Wählerwerbung von gestern.

Erstens: Plakate sind gut. Aber trifft Politwerbung auf F12 wirklich noch den Zeitgeist? Kann sie noch bewegen? Wie immer: Nur mit gut gemachten Sujets. Wie es nicht geht, zeigte z.B. die FDP: «Mit Herzblut und Weitblick» mit Thomas Heiniger und Carmen Walker Späh. Dieses Plakat war so unsäglich schlecht gestaltet und frei von Botschaft, dass es schon wieder einen gewissen Unterhaltungswert hatte. Um mir die Zeit im ÖV zu vertreiben, habe ich des Öfteren neue Slogans für dieses Ungetüm ersonnen: «Mit Schirm, Charme und Melone», «Mit 66 Jahren …», «Mittelgross und schlecht frisiert». Die zwei wurden zwar gewählt. Das ist angesichts eines solchen Plakats aber mehr als erstaunlich. Zweitens: Fernsehen. «Politsatire bewirkt mehr als Nachrichten», titelte die NZZ am Sonntag. Das klassische TV-Duell ist out, gefragt sind Satire-Formate à la «Daily Show», «heute-show» oder «Giacobbo&Müller». Sie reagieren frech und schnell auf politische Entwicklungen und erreichen vor allem politikferne Jüngere. Wer seine Wählerschaft verjüngen will, muss sich geschickt in einem solchen Format platzieren – und zwar nicht als derjenige, über den gelacht wird. Drittens: Website. Die meisten Parteien und Kandidaten haben eine, sie bleibt aber meist eine leidige Pflichtübung. Dabei ist der persönliche Internetauftritt die Chance schlechthin, Meinung und Positionen klarzustellen und Themen anzureissen. Viertens bietet natürlich ein Blog auf der Website eine super Gelegenheit, gleich in die Debatte über Themen einzusteigen. Ob mit Wählern oder Gegnern ist völlig egal, wichtig ist nur, dass der Blog gepflegt und regelmässig bedient wird. Wer keine Zeit (oder kein Geld) hat, einen Blog am Leben zu erhalten, verzichtet lieber darauf. Fünftens: Social ­Media. Twitter und Facebook gehören heute für jeden Politiker zum Standard. Sich präsentieren, Kontakte halten und pflegen, Stimmungen abgreifen, nirgends geht das besser. Aber Achtung: Keine privaten Fotos – das kann schnell nach hinten losgehen. Sechstens: YouTube. Hillary Clinton hat ihre Kandidatur für die Präsidentenwahl via You­Tube-Video bekannt gegeben. Längst ist der Kanal geadelt und sollte auch von Schweizer Politikern als Kommunikationsmedium in Betracht gezogen werden. Ernsthaft. Bislang ist Bundesrat Hans-Rudolf Merz mit seinem ansteckenden Bündnerfleisch-Lachanfall auf YouTube vertreten, Doris Leuthard ebenfalls mit einem Lacher, Moritz Leuenberger tobend im Fernsehstudio … Kurz: Unsere Politiker machen auf YouTube einen lächerlichen Eindruck. Und jetzt? Nach der Wahl ist vor der Wahl. Auf geht’s!

Anne-Friederike Heinrich, Chefredaktorin
f.heinrich@werbewoche.ch
 

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