Männer in der Werbung: «Und wie viel PS hat die Küche?»

Damals sagte der Werbemann zur Werbefrau, wie sie seine Schuhe zu putzen habe. Heute erwartet er sie zu Hause mit Eiscreme. Zumindest vereinzelt kokettiert die Werbung mit einem neuen Männerbild, zeigt eine aktuelle Studie der Hochschule der Medien.

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Professor Andreas Baetzgen hat mit Projektmitarbeiterin Lena Euchenhofer untersucht, wie Männer in der Werbung dargestellt ­werden. Dafür hat das Team 560 TV-Spots der Jahre 1997 und 2017 anhand be­stimmter ­Kriterien miteinander verglichen. Die Ergebnisse lassen sich in fünf Punkten zu­sammenfassen:

1. Häuslich, fürsorglich und ­einfühlsam

Aus der Masse unauffälliger Werbemänner sticht ein neuer Typus hervor. Einer, der Küchen-Features wie Automerkmale herunterrattert. Der mit Baby auf dem Bauch einschläft. Den Rat der Frau befolgt und mit vielem bricht, was lange Zeit als typisch männlich galt.

«Dieses neue Mannsein wird aktuell noch überbetont und besonders zur Schau gestellt», sagt Andreas Baetzgen, Mitverfasser der Studie und Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Wenn der Werbemann in der Rolle des Hausmannes auftrete, sei das noch keineswegs selbstverständlich, sondern vielmehr das bemerkenswerte, disruptive Element dieser Spots. «Der zweifelhafte Humor dieser Spots besteht genau darin, mit dem männlichen Stereotyp zu brechen.» Der Trend sei neu und in dieser Ausprägung und Häufigkeit in den 90ern noch nicht zu finden.

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Analog besagt eine Gesellschaftsstudie, dass ein neues Männer-Leitbild in der Gesellschaft Fuss fasst. Gemeint sind Männer, die mit männlichen Stereotypen wie Dominanz, Stärke und Härte brechen und weicher und sympathischer auftreten. 10 Prozent mache dieser Typus aktuell aus, heisst es. «Die Werbung kokettiert mit diesem neuen Männerbild», sagt Baetzgen und spricht von «effekthaschender Brüskierung von Konventionen». Noch handle es sich dabei allerdings um Einzelfälle.

2. In der Masse erkennt Mann sich wieder

Die meisten Werbemänner erscheinen allerdings heute wie damals auffällig unauffällig, konstatiert die Studie. In Zahlen ausgedrückt: Drei Viertel der gezeigten Männer haben eine durchschnittliche oder schlanke Figur, gut die Hälfte trägt einen Kurzhaarschnitt. Nur 4 Prozent haben ein Tattoo. «In den Werbemännern sollen sich möglichst viele Zuschauer wiederfinden», erklärt Baetzgen. «Werber zeigen deshalb oft das Bild einer Person, die konsensfähig ist.» Das Model an sich trete in der Handlung zurück. «Letztlich wird der Mensch zur Requisite und zum Platzhalter für Männlichkeit.» Accessoires spielen gemäss Baetzgen keine grosse Rolle, sondern dienen als Betonung eines bestimmten Lifestyles. «Die Werbung bedient sich dem, was gerade als modisch gilt.» 22 Prozent der Werbemänner tragen heute Hut, Sonnenbrille, Ohrring, Armband oder Halskette. 1997 waren es 19 Prozent. Neu hinzugekommen ist 2017 der Bart.

3. Schlank, leger gekleidet, mittleren Alters, in Beziehung

Die Werbemänner von heute sehen reifer aus als die von damals. Waren 1997 noch 33 Prozent der Akteure zwischen 16 und 30 Jahre alt, ist diese Altersgruppe im Jahr 2017 auf 22 Prozentpunkte geschrumpft. Die Anzahl der Protagonisten im Alter von 31 bis 45 Jahren ist derweil um 13 Prozentpunkte auf 48 Prozent angestiegen. «Der Werbemann wirkt weniger jugendlich und dafür männlicher», interpretiert Baetzgen.

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Der Körperbau habe sich hingegen nur geringfügig geändert. «Der Werbemann ist ein bisschen schlanker und einen Tick muskulöser geworden, aber nicht signifikant.» Heute wie damals tritt er natürlich oder gepflegt auf. Neu ist am äusseren Erscheinungsbild allerdings die Art der Kleidung. Deutlich häufiger als noch vor 20 Jahren trägt der Werbemann heute legere Freizeitkleidung (1997: 23 %, 2017: 37 %) – zuungunsten von schicker Robe. Trugen im Jahr 1997 23 Prozent Anzug oder Smoking, ist die Zahl im Jahr 2017 auf 15 Prozent zurückgegangen. Passend dazu finden heute mehr Spots im privaten Umfeld statt (1997: 26 %, 2017: 31 %). Davon machte die Küche als Handlungsort 1997 5 Prozent aus und 2017 18 Prozent. In einem Spot von Knorr übernimmt beispielsweise der Mann die Rolle als Koch für seine Partnerin. In einem anderen wartet er zu Hause mit Cremissimo Eiscreme, als seine Liebste von der Arbeit heimkehrt.

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Das Beziehungsgefüge erweist sich in den Jahren 1997 und 2017 als fast identisch: Nach wie vor befinden sich Männer in der Werbung meist in einer festen oder losen Beziehung mit einer Frau. Gleichgeschlechtliche Paare kommen praktisch nicht vor. 21 Prozent treten in der Rolle des Freundes, 16 Prozent in der Rolle des Partners und 12 Prozent in der Rolle des Vaters auf.

4. Autorität weicht Augenhöhe

Aufgaben verteilen und kluge Sprüche klopfen war einmal. Der Mann tritt 2017 seltener als Autoritätsperson auf. Die Mehrzahl begegnet Interaktionspartner(innen) auf Augenhöhe (1997: 70 %, 2017: 78 %) statt sie unterzuordnen (1997: 22 %, 2017: 18 %). Ein Indiz für diese Annahme ist gemäss den Studienverfassern mitunter die relationale Körpergrösse, die durch Standort oder Führung der Kamera von der tatsächlichen Körpergrösse einer Person abweichen kann. 2017 sind 40 Prozent der Männer gleich gross wie die Interaktionspartnerinnen. Das sind 13 Prozentpunkte mehr als vor 20 Jahren. Auch dass Werbemänner weniger oft Anzug tragen, spielt in diese Richtung, meint Baetzgen. Das könne zwar auch damit zusammenhängen, dass in der Lebenswirklichkeit vieler seltener Kleidervorschriften gelten. «Der Anzug ist aber eben auch Ausdruck von gesellschaftlicher Stellung, Erfolg und Dominanz.»

5. Ästhetik statt Nacktheit

Sex sells: Männer werden in der Werbung heute wie damals sexualisiert dargestellt. Allerdings hat sich die Spielart geändert. Ging es früher um die Nacktheit als solche, sieht man heute vor allem erotische Anspielungen. Ein bekannter Spot aus dem Jahr 1996 läuft beispielsweise folgendermassen ab: «Es ist halbeins», rufen Arbeiterinnen aufgeregt. «Zeit für Coca Cola light!» Eine Schar von ihnen versammelt sich vor den Bürofenstern und blickt schmachtend hinunter auf einen Bauarbeiter, der Pause macht. Er zieht sich das Shirt aus und trinkt mit nacktem Oberkörper aus einer Coladose. Der Spot ist unterlegt mit dem Song: «I just wanna make love to you». Baetzgen kommentiert: «Der Mann zieht sich aus und die Frau zeigt, dass sie das anziehend findet. Das ist ein verdrehtes Spiel mit Stereotypen. Damals war das ein Tabubruch.» Heute könne keine Marke mehr mit solch einem «plumpen Umgang mit Sexappeal» Aufmerksamkeit erregen.

https://www.youtube.com/watch?v=i_OACwYHyMw

Zwar treten nach wie vor 9 Prozent der Werbemänner nackt auf. «Die Werbung funktioniert aber nicht mehr mit dem Zeigen sexueller Handlungen oder Nacktheit, sondern mit subtilen Anspielungen und Reizen.» Ein aktuelles Beispiel: Ein attraktives (bekleidetes) Paar tanzt, bewegt sich harmonisch zusammen, umarmt sich und trinkt ein Glas Amaretto. «Tauchen Sie ein in die Welt von Disaronno.» Die Idee, ein Getränk mit Erotik zu verknüpfen, ist die gleiche. Die Umsetzung hat sich verändert.

Text: Ann-Kathrin Kübler

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Anmerkung: Der Artikel ist in der Werbewoche Printausgabe 10/2018 erschienen. Wie Frauen in der Werbung dargestellt werden, berichtete die Werbewoche ebenfalls; online nachzulesen unter Werbewoche.ch/werbefrau.

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