«Lustig wird schnell zu trashig»

Rund hundert Jungtalente nahmen letztes Jahr in Zweierteams am ADC Young Creatives Award teil, um nebst der Trophäe einen Platz an der Young Lions Competition zu ergattern. Hauptsponsor und Aufgabensteller war die Suva. Gesucht wurden Kommunikationsideen, um Lehrlinge vor Unfallgefahren am Arbeitsplatz zu schützen. Die Werbewoche stellt in einer Serie die vier Siegerteams vor, die dieses Jahr nach Cannes reisen.

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Eric Markowski und Luca Schneider sind die Gewinner der Kategorie Cyber. Wir sprachen mit ihnen darüber, warum ihre Massnahmen junge Zielgruppen erreichen.

WW: «Wir alle machen dumme Dinge, wenn wir jung sind», schreibt ihr einleitend in der Präsentation eurer Kampagne. Seid ihr Teil dieser Zielgruppe, die jung ist und dumme Dinge macht? Erzählt!
Luca Schneider: Auch im hohen Alter macht man noch dumme Sachen. In unserem Alter ist man einfach risikofreudiger und geht mehr Risiken ein, über die man im Alter vielleicht denkt: «He, spinnst du eigentlich, das mache ich jetzt wirklich nicht.»
Eric Markowski: Bei den Jungs geht es oft auch noch um Mutproben. Oder dass man denkt, der traut sich jetzt nicht, das ist doch ein Weichei, geh mal zur Seite, ich mach das eben.

Wie wollt ihr den Lernenden bewusst machen, dass sie nicht unverwundbar sind?
Markowski: Wir haben erst eine lustige Version versucht, aber das wird schnell zu trashig. Wir reden ausserdem über ein ernstes Thema, das sollte man nicht einfach so auf die Schippe nehmen. Wenn du bloss ein Plakat siehst und dich kaputt lachst, ändert das noch nicht deine Denke. Da hast du vielleicht ein bisschen Aufmerksamkeit für die Suva, aber das Problem löst du damit nicht.
Schneider: Dann haben wir versucht mit dem Mahnfinger zu arbeiten, haben aber schnell gemerkt, dass das nicht funktioniert. Weil der Mahnfinger genau das Gegenteil bewirkt. Wir wollten stattdessen die Leute dort abholen, wo sie ihre grosse Liebe haben. Erst wenn sie diese Liebe durch den Arbeitsunfall verlieren, merken sie, was eigentlich passiert ist.

Konntet ihr für diese Idee von eurem Wissen über die Lebenswelten von jungen Menschen profitieren?
Markowski: Man hat nicht den besseren Insight bloss dadurch, dass man selber noch jünger ist. Was man noch ein wenig besser nachvollziehen kann, ist ein Mangel an einem breiten Erfahrungsschatz und dass man noch Fehler machen kann. Aber wir müssen uns da genauso reindenken.
Schneider: Wir sind vielleicht noch näher dran an den Bedürfnissen der Jungen. Oder wir können diese besser nachvollziehen, da wir eher noch dieselben Hobbys haben. Aber auch ein 70-Jähriger hat ein Hobby, das er nicht mehr machen kann, wenn ihm was passiert. Wieso also sollte er nicht genauso auf diese Idee kommen können?

An den Plakatstellen stehen Gegenstände wie ein Snowboard oder eine Gitarre, die ein Unfallopfer nun nicht mehr braucht. Daneben steht ihre tragische Geschichte, und ein QR-Code verweist auf die zugehörige Microsite. Warum denkt ihr, dass Lehrlinge diesen QR-Code nutzen?
Schneider: Ich finde, der QR-Code ist so ein Ding, das eh niemand benutzt. Der ist schon extrem veraltet.
Markowski: Was heisst veraltet? Ich finde, der QR-Code hat schon seine Berechtigung. Der muss nur clever eingesetzt werden. Gerade bei der jungen Generation ist er auch verbreiteter, man wächst quasi damit auf.
Schneider: Es kommt natürlich ganz darauf an, wie man ihn einsetzt. Der Code muss einen Mehrwert erzeugen, er muss dich weiterbringen, dir mehr über das Produkt erzählen. Dann macht der QR-Code auch Sinn. Aber wenn ich gar nicht weiss, was passiert… Am Ende landest du noch auf einer Porno- Seite.

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Auf Twitter und Facebook sollen zur Bewerbung der Aktion alle 15 Minuten neue Geschichten und Gegenstände geteilt werden. Wie sind Junge auf Social-Media-Plattformen am einfachsten zu erreichen?
Markowski: Wir haben uns auch gefragt, wie man die Leute wirklich dazu bringen kann, eine Seite zu besuchen und die Inhalte dann auch zu teilen. So kamen wir auf die Idee einer Tauschbörse, wo Gegenstände der Opfer weitergegeben werden. Die Gegenstände sind sozusagen die Karotte, die vor dem Pferd hängt, um die Leute anzuziehen. Wenn du diesen Gegenstand erhältst, ist dann noch etwas Persönliches dabei, z. B. ein Schreiben der Person. So besteht der Kontakt mit der Person und ihrer Unfallgeschichte nicht nur durch die Website, Facebook oder Twitter, sondern auch über den Gegenstand der jeweiligen Person.
Schneider: Die Gegenstände haben ausserdem alle noch Spuren vom Benutzer, wie beispielsweise ein paar Reise-Sticker auf der Gitarre von diversen Ländern. Jedes Mal, wenn du nun den Gegenstand anguckst, erzählt er dir seine Geschichte. Im Mittelpunkt steht dabei die nachhaltige Information darüber, was passieren kann oder passiert ist.
Markowski: Wir wollten, dass sich die Leute auch über die Geschichten unterhalten, sich dafür interessieren. Und man sollte lesen können, was die Leute über die Gegenstände schreiben.

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Gibt es Marken/ Unternehmen, deren Microsite oder Facebook Page Jugendliche auf keinen Fall benutzen, etwa weil die Marke oder deren Image nicht jung genug ist?
Markowski: Du kannst jedem Unternehmen ein junges Image verpassen. Wichtig ist, dass es glaubhaft ist. Es ist gar nicht nötig, dass eine Marke «jugendlich » sein muss. So hat etwa Apple wohl kaum von Anfang an darauf abgezielt, iPods an 12-Jährige zu verkaufen. Ausserdem funktioniert die Zielgruppe «jugendlich» irgendwie nicht so richtig – gewisse Punkte gibt es vielleicht, wo sich alle ähneln. Aber du hast vielleicht gerne Fussball gespielt, und ich habe Games gespielt, bevor ich den Alkohol und die Frauen entdeckt habe.
Schneider: Darum finde ich es eigentlich generell eine schlechte Idee, eine Zielgruppe zu definieren. Vor allem wenn die Zielgruppe an der Realität vorbeigeht, wie etwa bei einer Präventionskampagne für die Zielgruppe 25- bis 35-Jährige. Dabei sind es doch eher die 15- bis 20-Jährigen, die vor dem Komatrinken gewarnt werden müssten. Denn in dieser Altersklasse ist der Gruppendruck noch stark. Mit 25 kann ich dann schon eher selber sagen, was mir passt und was nicht. Aber einen 14-Jährigen kann man noch viel einfacher beeinflussen. Das ist das Gleiche bei den Lehrlingen: Wenn ein Lehrmeister sagt «Mach das!», traut sich ein Lehrling oft nicht, sich zu weigern, auch wenn es ihm zu gefährlich ist. Er macht es dann einfach, um nicht schlecht dazustehen – und macht es dann vielleicht genau falsch.

Interview: Ursina Maurer

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