«Ich gestalte lieber mit als abzuwarten»

Roland Ehrler, seit November 2012 Direktor des SWA, erklärt im Gespräch mit Werbewoche-Chefredaktor Pierre C. Meier, warum ihm Transparenz wichtig ist und welche Schwerpunkte er in seiner Arbeit setzen will. 

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WW: Was sind die aktuellen Anliegen des SWA? Roland Ehrler:
Da gibt es eine lange Liste. Zuoberst stehen sicher günstige Rahmenbedingungen, faire Angebote von Seiten der Medien und Agenturen und Transparenz im Werbemarkt. In diesem Zusammenhang beschäftigen uns im Moment vor allem die Online-Werbung, die Auswirkungen des neuen TV-Panels und die rasche Transformation im Printmarkt.
 
Gegenüber den Agenturen?
Transparenz ist auch hier das oberste Gebot. Es gibt in der Beziehung Agentur – Kunde viel Licht, Schatten und Grauzonen. Wichtig ist auch, dass die Agenturen eine echte Kundensicht einnehmen und dass insbesondere die Media-Agenturen als Treuhänder ihrer Kunden funktionieren.
 
Gegenüber Ihren Mitgliedern?
Für die Mitglieder zählt, dass sie sich mit ihren Wünschen und Anliegen jederzeit an die SWA-Geschäftsstelle wenden können. Unsere Mitglieder sind für uns einerseits die Kunden – und für deren Interessen setzen wir uns jeden Tag ein. Andererseits sind sie unersetzliche Mitarbeiter, die ihren Verband mit viel Know-how unterstützen.
 
Sie stellen Ihren Mitgliedern sehr viel Material zur Verfügung wie Vertragsentwürfe, Guidelines etc. Wird das genutzt?
Und ob. Die Unterlagen werden sehr rege genutzt und geschätzt. Die Mitglieder schätzen es, eine «neutrale» Stelle zu haben, welche ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht.
 
Transparenz ist das eine, aber es gibt ja momentan vielleicht brennendere Themen. Unsere Medienlandschaft ist im Umbruch. Das führt zum Teil zu speziellen Preisangeboten. Wir haben einen immer stärkeren Druck der Politik im Bereich Werbeverbote. Seitens der EU weht auch ein härterer Wind in Bezug auf Werbeverbote oder -einschränkungen. Die Gefahr besteht, dass die Schweiz diese in vorauseilendem Gehorsam vollzieht. Was macht der SWA konkret in diesem Bereich?
Gehen wir der Reihe nach: Umbruch der Medienlandschaft und Werbeverbote haben gemeinsam, dass es keine schweizerischen Probleme sind, sondern internationale. National gesehen nehmen wir die Interessen unserer Mitglieder durch unsere Vernetzung in allen Kommissionen über alle Medien hinweg wahr. Dass dies nicht immer in der Öffentlichkeit stattfinden kann und muss, versteht sich. Klar ist auch, dass die kleine Schweiz nicht gegen einen globalen Strom schwimmen kann, sondern sich auf diese Veränderung einstellen muss. Dabei bleibt es aber unser oberstes Ziel, dass der Markt so gut wie möglich spielt und nicht noch weiter reglementiert, sondern wieder liberaler wird. Wo es sinnlose Verbote und Einschränkungen gibt, wollen wir dagegen ankämpfen und sicher nicht noch irgendwelche neuen Verbote einführen, die je nachdem einzelne Branchen und Marktteilnehmer in ihrer Existenz bedrohen. Was den Umbruch der Medienlandschaft betrifft, kann ich nur feststellen, dass die Veränderungsbereitschaft leider nicht bei allen Marktteilnehmern gleich gross ist. Der SWA hat die Zeichen der Zeit aber erkannt. Das Motto unseres Jahresmeetings heisst ja nicht zufällig: «Die Zukunft der Kommunikation hat begonnen. Was heisst das für die Werbeauftraggeber?»
 
Und im internationalen Bereich? Der SWA ist Mitglied der WFA, der World Federation of Advertisers, die in Brüssel domiziliert und besonders in Europa sehr aktiv ist. Mein Vorgänger, Jürg Siegrist, war dort sogar im Vorstand. Wir haben einen sehr guten Draht und erfahren immer frühzeitig, was uns von Seiten der EU erwartet oder droht.
 
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es in der Schweiz eine Lobby für alles gibt…
… und gegen alles (lacht).
 
Und die Kommunikationsbranche fällt hier irgendwie zwischen Stuhl und Bank. …
… dieses Gefühl habe ich manchmal auch.
 
Es gibt zwar einen SWA, einen BSW, einen ASW, eine SW, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass man allen zuhört, nur der Werbung nicht.
Dem SWA hört man sehr wohl zu, denn seine Mitglieder bezahlen gegen 75 Prozent der Werbung. Unser Verband hat auch durchaus die Möglichkeit, eine glasklare Meinung zu vielen Fragen des Werbemarktes zu beziehen. Das hat man vielleicht in der Vergangenheit noch zu wenig deutlich gemacht. Der Schweizer Werbung (SW) sind bei vielen Themen die Hände gebunden, weil sie als Dachverband der Kommunikation zum Teil unterschiedliche Interessen vertreten muss. Nur gerade bei der Ausbildung und bei den Werbeverboten herrscht Einstimmigkeit.
 
Wie eng ist die Zusammenarbeit mit dem BSW? Der vertritt ja in vielen Bereichen die gleichen Interessen.
Wir tauschen uns regelmässig aus, alle paar Monate sind Sitzungen anberaumt. So hatte ich schon mehrfach Gelegenheit, mit BSWExponenten zu sprechen. An den nächsten Meetings wird es darum gehen, die anstehenden Themen und gegenseitigen Wünsche zu besprechen.
 
Treten BSW und SWA auch gemeinsam auf?
Das hat sich bis jetzt noch nicht ergeben, es spricht aber grundsätzlich nichts dagegen.
 
Wäre es nicht wünschenswert, in gewissen Bereichen mit einem gemeinsamen Auftreten die Interessen besser vertreten zu können?
Wenn es zweckdienlich ist, könnte ein solches gemeinsames Auftreten sehr wohl ein Zeichen sein. Es ist aber nicht zwingend nötig. Die Werbeauftraggeber alleine haben mit ihren 150 Mitgliedern eine genügend starke Position im Markt, um sich zu äussern. So könnte ich mir vorstellen, dass der SWA zu gegebener Zeit auch seine Meinung zum Thema «SRGOnline- Werbung» kommunizieren könnte. Das geht auch ohne BSW, aber noch besser wäre es natürlich, wenn die ganze Branche dazu eine einheitliche Meinung hätte.
 
Das dürfte eher schwieriger werden…
Das ist genau das Problem (lacht).
 
Wir sprachen von der sich wandelnden Medienlandschaft. Wie stark engagiert sich der SWA im Bereich der digitalen Medien? Das gibt es neue Möglichkeiten des Einkaufs, denken wir nur an Real Time Bidding.
Ende Februar erscheint der neue SWA-Jahresbericht. Wenn Sie die Artikel lesen, wissen Sie, wie wichtig wir die Online-Medien nehmen und wie nah wir dran bleiben. In diesen Bereichen bewegt sich noch jeden Tag etwas. Anders als bei Print, wo im Moment das Rad nicht neu erfunden wird. Dazu kommt, dass Online vielschichtig ist, weil wir nicht nur über Display, sondern auch über alle anderen Möglichkeiten bis zur mobilen Nutzung mitdiskutieren wollen. So habe ich in meinen ersten hundert Tagen bereits Gespräche mit Internetanbietern und Verbänden geführt. Die anstehenden Themen sind mir aus meiner Zeit bei Swisscom ja nicht ganz unbekannt. So werde ich mich an aktuelle Themen heranwagen wie zum Beispiel das Real Time Bidding oder die Transparenz in der Online-Werbestatistik.
 
Ich habe oft das Gefühl, dass sehr viele Marktpartner, ob Kunden, Agenturen oder Medien, eigentlich gar nicht verstehen, worum es heute geht. RTB wird z. B. einfach unter dem Aspekt «es wird günstiger» angeschaut, aber was eigentlich dahinter steckt und welche Chancen es bietet, vergisst man.
Sagen wir mal so: Es ist nicht einfacher geworden (lacht). Deshalb müssen die Unternehmen auch viel in die Ausbildung ihrer Mitarbeitenden investieren.
 
Der SWA hat über Jahre für Transparenz bei den Preisen gekämpft. Jahrelang wurde mit den Media-Agenturen gestritten wegen Rückvergütungen, Kickbacks etc. Ist das ein wenig in den Hintergrund getreten, oder hat sich da etwas verbessert?
Es hat sich einiges verbessert. Aber es gibt immer noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Da gibt es Agenturen, die mustergültig arbeiten, aber eben auch andere. Wir müssen ständig wiederholen: Die Auftraggeber müssen hinschauen, wie sich die Media-Agentur finanziert, damit der Werbekunde immer weiss, was mit seinem Geld passiert. Es ist immer noch sein Geld, das zu den Agenturen und Medien fliesst. Wenn ich sehe, dass in Branchengrundsätzen für Media-Agenturen des BSW steht, dass die DBE (Direktbuchungsentschädigung) der Agentur gehört, dann muss ich klar sagen, dass der SWA dies anders sieht. Der Gesetzgeber übrigens auch. Die DBE und alle anderen Rückvergütungen, wie immer diese auch heissen, gehören dem Werbekunden. Falls die Agentur das Geld zurückbehält, muss sie das vorher mit dem Werbeauftraggeber so abgemacht haben. Am besten im Agentur-Kunden-Vertrag.
 
Die «bösen» Agenturen versuchen ihre tiefen Honorareinnahmen mittels solcher Dinge aufzupolieren. Wenn man die Honorarempfehlungen des SWA betrachtet, so sind diese doch sehr bescheiden. Wie stark kann der SWA auf die Honorarhöhe seiner Mitglieder einwirken?
Da können wir nur Empfehlungen abgeben. Aber wann immer wir uns zum Thema Transparenz geäussert haben, haben wir hinzugefügt, dass sie nur verlangt und erreicht werden kann, wenn die Agenturen für ihre Arbeit auch fair honoriert werden. Nur so entstehen langjährige, erfolgreiche Partnerschaften, wie ich sie auch mit Agenturen erleben konnte.
 
Wie haben sich diese Honoraransätze in den letzten Jahren bewegt? Sind sie noch weiter gesunken?
Das glaube ich nicht wirklich. Und wie gesagt: Wenn man mit einer Agentur zusammenarbeitet und diese anständig honoriert, muss die Agentur auch nicht versuchen, sich auf andere Art und Weise zu finanzieren. Auf der anderen Seite muss gesagt sein, dass in den letzten Jahren auch keine Media-Agenturen Pleite gegangen sind. Es wird also gerne gejammert, mehrheitlich gut gearbeitet – und auch gutes Geld dabei verdient.
 
Zurück zu Online: Der SWA ist bei den klassischen Medien sehr gut organisiert, mit entsprechenden Expertenteams. Bei Online ist alles im Fluss; was heute beschlossen wird, kann morgen durch die Entwicklung überholt sein. Die Kommissionsmitglieder sind auch nicht alle Spezialisten, denn diese sitzen oft an einem anderen Ort. Nicht unbedingt in den Medienhäusern oder bei den Vermarktern oder ihren Mitgliedern, sondern irgendwo in spezialisierten Firmen. Wie können Sie dieses Know-how anzapfen?
Kein Problem, denn eines unserer vier Expertenteams befasst sich explizit mit Online. Wir sind zudem dabei, jeder dieser Arbeitsgruppen einen Beirat zur Seite zu stellen. Dabei suchen wir den Kontakt zu Universitäten und
Fachhochschulen. Mit dieser Massnahme wollen wir uns zusätzlich von neutralen Fachpersonen inspirieren lassen. Zudem wollen wir im Online-Bereich eng mit dem IAB zusammenarbeiten. Das macht Sinn. Wir haben ja sogar Mitglieder, die bei der IAB schon dabei sind. Und ja – auch der Präsident der IAB Schweiz hat einen Beitrag für den neuen SWA-Jahresbericht geschrieben.
 
Noch zu einem anderen Thema. Zusammen mit Publicitas hat der SWA das Werbebarometer Schweiz lanciert. Wie viele Mitglieder sind jetzt bei diesem Panel dabei?
Momentan ist es ein stehendes Panel von 40 Mitgliedern. Wichtig ist, dass die grössten Werbetreibenden mit dabei sind. Es ist also ein qualitativ gutes Panel. Beim Werbebarometer arbeiten wir mit Nettozahlen, im Gegensatz zu Mediafocus, die mit Bruttowerten operieren und so nur den Werbedruck messen und nicht die effektiven Ausgaben. Mit dem Werbebarometer haben wir somit ein neues Instrument zur Hand und können den Werbeauftraggebern und dem SWA eine Stimme geben. Und wir hoffen natürlich, damit einen Nutzen im Werbemarkt stiften zu können.
 
Jahrelang war der SWA dagegen, Nettowerte zu publizieren. Alle Versuche in diese Richtung wurden abgeblockt. Woher dieser plötzliche Sinneswandel?
Der kam nicht so plötzlich. Für viele Mitglieder sind die Nettozahlen immer noch ein Problem. Darum haben wir auch «nur» 40, die im Panel mitmachen. Ich habe gerade jetzt wieder eine Abmeldung erhalten, von einem Mitglied, das nicht mitmachen will, weil es interne Compliance-Probleme befürchtet. Indem wir mit einem externen Marktforschungsinstitut arbeiten, das die Zahlen erhebt, ist sichergestellt, dass nichts rausgeht. Weder Publicitas noch wir haben Einblick in die Einzeldaten, sondern nur in die konsolidierten Daten. Wir haben auch entschieden, dass keine Branchenzahlen veröffentlicht werden. Das macht es einfacher, ein Barometer über die ganze Branche zu zeigen.
 
Schade…
Ja, doch anders geht es im Moment nicht. Erstens ist das Panel noch ein zartes Pflänzlein, und zweitens würden sich viele Mitglieder dagegen wehren, wenn Branchenzahlen veröffentlicht würden. Ich war zu meiner Zeit bei Swisscom auch dagegen, denn man würde zum Beispiel den Telekom-Markt zeigen, doch alle wüssten, es wäre zum grossen Teil Swisscom (lacht). Der Fakt, dass keine Zahlen einzelner Branchen veröffentlicht werden, war sicher ein starkes Argument für die skeptischen Mitglieder, überhaupt mitzumachen.
 
Woher kam die Initiative zum Werbebarometer?
Die kam noch von Jürg Siegrist, sein Vermächtnis gewissermassen.
 
Wie ist der Publikationsrhythmus?
Die ersten Zahlen wurden diese Woche publiziert mit dem Ausblick auf das erste Semester. Die zweite Erhebung folgt dann im Juni. Dann ergibt sich ein Bild für das zweite Halbjahr.
 
Wie detailliert sind die Medien ausgewiesen?
Die Mediengruppen werden einzeln ausgewiesen. Bei Online erfassen wir Display, Search und Classified, veröffentlicht wird aber nur das Total. Damit erhält Online im Werbebarometer erstmals den richtigen Stellenwert im Medienmix. So steht bei vielen Werbekunden Online bereits an dritter Stelle im Mediamix, gleich nach Print und TV.
 
Die Schweiz liegt im Bereich der Online- Werbeausgaben gegenüber vielen anderen Ländern immer noch zurück. Warum?
Das könnte an der typisch schweizerischen Zurückhaltung der Kunden und Agenturen liegen. Zum Teil aber auch wegen der mangelnden Transparenz im Markt und bei den Forschungsdaten. Schweizer Unternehmer wollen immer genau wissen, was sie für ihr Geld bekommen. Aber wie auch immer: Die Welt wird immer mehr digital, ob wir das wollen oder nicht. Darum gestalte ich lieber mit als abzuwarten.
 
Interview: Pierre C. Meier

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