«Arbeitgeber sind zurückhaltender geworden, was die Mitfinanzierung betrifft»

Sich zum Selbstzweck an die Schulbank zu setzen ergibt für die Lauf­bahn- und Kar­rie­r­e­be­ra­terin Caroline Schultheiss keinen Sinn. Stattdessen plädiert die Laufbahnberaterin für ein analytisches Vorgehen mit der ehrlichen Selbstbeantwortung etlicher Fragen, um aus einer Weiterbildung den maximalen Mehrwert zu ziehen.

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Caroline Schultheiss ist seit 2017 beim Kaufmännischen Verband Zürich (KFMV Zürich) tätig und hat dort eine professionelle Laufbahnberatungsstelle aufgebaut.

 

MK: Sich weiterbilden gehört heute zum guten Ton in der Berufswelt. Gibt es eine Art ungeschriebenen Kodex, in welchen zeitlichen Abständen man sich ab einer gewissen Position einer neuen Weiterbildung widmen sollte?

Caroline Schultheiss: Ein Kodex ist mir nicht bekannt, allerdings veraltet Wissen heutzutage recht schnell. Daher ist es sinnvoll, sich regelmässig weiterzubilden, um dranzubleiben, das heisst seine Arbeitsmarktfähigkeit – die Employability – hoch zu halten. Momentan herrscht schon fast ein Weiterbildungshype, das ist korrekt. Es ist ein riesiges Business geworden, dadurch steigt natürlich auch der Druck auf die Arbeitnehmenden. Vielfach vergisst man, dass Weiterbildung nicht nur in einer Schule/ Institution stattfinden kann: Wenn ich Fachliteratur lese, Referate und Veranstaltungen besuche, bilde ich mich auch weiter. Und natürlich kann ich mich auch onthe- job weiterbilden, indem ich neue Tools oder Computersysteme einsetze, mich mit Experten austausche oder mich in meinem Fachbereich up to date halte.

 

Besteht nicht die Gefahr, dass sich Menschen aus Imagegründen für eine Weiterbildung anmelden, die ihnen aber faktisch ausser Kosten und Zeitverlust kaum etwas bringt?

Es ist wichtig, dass ich für mich vor einem Weiterbildungsentscheid folgende Fragen beantworte: Weshalb möchte ich eine Weiterbildung machen? Was möchte ich mit der Weiterbildung erreichen? Möchte ich einen anerkannten Abschluss machen oder spezielle Kompetenzen gezielt erweitern? Ich hatte letzthin eine Klientin, die an der PR-Fachfrau und einem CAS an einer Fachhochschule interessiert war. Sie hat Gespräche mit der Studiengangsleitung geführt, hat den Lehrplan studiert und sich schliesslich in eine Unterrichtsstunde gesetzt. Erst damit war für sie die Entscheidung klar. Und nicht zu vergessen: Viele Wege führen nach Rom. Es gibt in den wenigsten Fällen nur diese eine «richtige» Weiterbildung.

 

Welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen sollten aus Ihrer Sicht zwingend gegeben sein, damit sich die Investition in eine Weiterbildung auch wirklich lohnt?

Das Interesse und die Motivation am Thema ist für mich das Wichtigste. Welche Fähigkeiten und Kompetenzen sind bei mir vorhanden, welche möchte ich erwerben oder sind für meinen Job wichtig? Bei den Rahmenbedingungen ist sicherlich die Zeit relevant, dass man die Abwesenheiten am Arbeitsplatz und in der Familie vorgängig plant und sich Gedanken macht über Zeitfenster zum Lernen. Dann ist natürlich die Frage der Kosten wichtig: Zahle ich die Weiterbildung selbst? Unterstützt mich mein Arbeitgeber?

 

Hat eine Weiterbildung, beispielsweise in den Bereichen Marketing und Kommunikation, meistens auch einen direkten Karriere- und Lohnsprung zur Folge?

Häufig ist es schon so, dass Arbeitnehmende nach einer Weiterbildung die Stelle wechseln oder im Unternehmen mehr Verantwortung übernehmen. Bei einem Funktionswechsel ist der Lohn natürlich immer ein Thema. Man muss dort einfach aufpassen und die Frage stellen, ob die absolvierte Weiterbildung auch funktionsrelevant ist – dies geht häufig vergessen. Meiner Meinung nach lohnt es sich, schon vor Beginn der Weiterbildung mit dem Vorgesetzten dieses Thema auszuloten. Was liegt drin, was nicht? Oder sehe ich meinen nächsten Karriereschritt bei einem anderen Arbeitgeber?

 

Ist es ratsam, den Arbeitgeber um einen finanziellen Beitrag für eine Weiterbildung zu bitten?

Arbeitgeber sind in den letzten Jahren zurückhaltender geworden, was die Mitfinanzierung betrifft. Häufig wird der Arbeitnehmende ab einem gewissen Betrag verpflichtet, nach dem Abschluss eine gewisse Zeit beim Arbeitgeber zu bleiben. Das finde ich per se eine faire Lösung, freikaufen kann man sich natürlich immer. Wenn die Weiterbildung für die Ausübung der Funktion relevant ist, dann würde ich den Arbeitgeber sicherlich um eine Beteiligung anfragen. Wenn ich eher etwas mache, um mich in eine neue Richtung zu entwickeln, dann wohl eher nicht.

 

Sollte man sich vor der Anmeldung zu einer Weiterbildung immer überlegen, wer genau etwas davon hat? Nur man selbst oder auch der Arbeitgeber?

Jede Person sitzt immer selbst in einer Weiterbildung und investiert darin einen Teil ihrer Lebenszeit. Man macht eine Weiterbildung immer für sich selbst – meistens ist das Fachliche nur ein einzelner Aspekt davon. Ebenso wichtig sind die persönliche Weiterentwicklung, die Horizonterweiterung und der Perspektivenwechsel und natürlich auch das Netzwerk, das man sich aufbauen kann.

 

Welchen Irrtümern sollte man nicht aufsitzen, wenn man eine Weiterbildung beginnt?

Eine Weiterbildung bedeutet nicht per se einen Karriereschritt oder einen Sprung in der Hierarchiestufe. Der Transfer des erworbenen Wissens ist wichtig: Wie nutze ich dieses in der Praxis, wie setze ich es erfolgreich um? Was kann ich für meine eigene Persönlichkeitsentwicklung mitnehmen?

 

In unserer schnelllebigen und zunehmend digitalisierten Welt nimmt die Zahl der Um- und Quereinsteiger zu. Ein klares Argument für mehr Weiterbildungen?

Ja, definitiv. Ohne praktische Erfahrung die Branche zu wechseln, bedingt zumindest einen theoretischen Boden, um die Materie zu erlernen. Auch die Weiterbildungswelt hat sich in den letzten Jahren gewandelt, es gibt zunehmend kürzere Kurse, um sich mit einem Thema vertraut zu machen – es muss nicht immer ein mehrjähriges Studium sein.

 

Interview: Robert Wildi

 

Caroline Schultheiss ist seit 2017 beim Kaufmännischen Verband Zürich (KFMV Zürich) tätig und hat dort eine professionelle Laufbahnberatungsstelle aufgebaut. Neben der Einführung und Nutzung von diagnostischen Testverfahren führt sie unter anderem auch diverse Seminare oder Bewerbungsworkshops durch. Parallel ist Caroline Schultheiss selbst als aktive Beraterin von Berufstätigen im Einsatz. Die gelernte Literaturwissenschafterin und Betriebswirtschafterin bildete sich unter anderem zur Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin weiter und arbeitete vor ihrem Engagement beim KFMV Zürich bei der Credit Suisse, der DZ Privatbank (Schweiz) sowie in verschiedenen Berufsinformationszentren

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