Wie sich Swissness in der Sprache ausdrückt

MARKETINGTEXTE Ist Deutsch in Deutschland und in der Deutschschweiz, Französisch in Frankreich und in der Romandie, Italienisch in Italien und im Tessin gleich? Ja? Dann glauben Sie an den Weihnachtsmann. Helvetismen gehören zum Schweizer Selbstbewusstsein.VON ROMAN PROBST*In der Deutschschweiz, der Westschweiz oder im Tessin unterscheiden sich die Schweizer Sprachgewohnheiten von jenen unserer Nachbarländer. Der Deutsche […]

Helvetismen-gehören-zum-Schweizer-Selbstbewusstsein
Helvetismen gehören zum Schweizer Selbstbewusstsein.VON ROMAN PROBST*In der Deutschschweiz, der Westschweiz oder im Tessin unterscheiden sich die Schweizer Sprachgewohnheiten von jenen unserer Nachbarländer. Der Deutsche und der Deutschschweizer verstehen sich zwar, und doch gibt es zahlreiche sprachliche Unterschiede, die darüber entscheiden, ob Sie den Kunden für Ihr Unternehmen gewinnen oder ihn vor den Kopf stossen.Eine Übersetzung von Marketingtexten bringt Ihren Kunden keinen Mehrwert, wenn sie bloss die Wörter, Wendungen und Sätze der Ausgangssprache durch diejenigen der Zielsprache ersetzt. Um Ihren Umsatz mithilfe von Marketingtexten in fremden Märkten zu erhöhen, müssen die übersetzten Texte die potenziellen Kunden auch wirklich ansprechen, d.h. sie müssen die lokalen und kulturellen Gegebenheiten berücksichtigen.Das leuchtet zweifellos ein. Aber wie verhält es sich innerhalb der gleichen Sprache? Die deutsche Sprache beispielsweise wird in Deutschland, Österreich, der Schweiz, in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien, Südtirol, Elsass und Lothringen sowie von Minderheiten in weiteren mitteleuropäischen Ländern gesprochen und geschrieben. Die französische Sprache wird ihrerseits in der Schweiz (über 20 %), in Frankreich, Belgien, Luxemburg, Kanada, West- und Zentralafrika und anderen Regionen gesprochen. Dass diese Vielfalt an Ländern und Regionen keinen homogenen Raum bildet, liegt auf der Hand, und entsprechend erheblich sind denn auch die Unterschiede in der Sprache – auch in der geschriebenen. Nicht anders verhält es sich auch mit dem italienischen Sprachgebrauch.Helvetismen gehören zum Schweizer SelbstbewusstseinIn der Deutschschweiz wurden die Schüler aller Stufen bis vor Kurzem darauf getrimmt, alle Helvetismen zu vermeiden und auch im innerschweizerischen schriftlichen Verkehr nur «Hochdeutsch» zu schreiben. Im Zuge eines verstärkten Schweizer Selbstbewusstseins (Stichwort: Swissness) und einer weniger normorientierten Sprachwissenschaft werden heute die Eigenheiten der in der Deutschschweiz geschriebenen Sprache stärker anerkannt. Man spricht nun von Schweizer Hochdeutsch bzw. von der Schweizer Standardsprache − in der Kurzform: Deutsch (CH). Entsprechendes gilt für das Französische und Italienische.Die Hintergründe dieser Entwicklung sind weitreichend: Der Globalisierungsprozess hat zwar eine Vereinheitlichung auf der Ebene des Finanz- und Wirtschaftssystems gebracht, doch in kultureller Hinsicht ruft er auch Gegenreaktionen hervor. In der Schweiz zeigen sich diese in einer vermehrten Verwendung der Schweizer Dialekte im gesprochenen Wort, auf der Ebene der Schriftlichkeit in der Verwendung des Schweizer Hochdeutschen, Französischen und Italienischen. Die im Rahmen der Globalisierung auftretenden Migrationsbewegungen, in unserem Fall insbesondere die Einwanderung gut ausgebildeter deutscher und französischer Fachkräfte in die Schweiz, haben die Problematik verstärkt – die Sprache reagiert eben sehr sensibel auf gesellschaftliche Veränderungen.Was den Schweizern die Cervelat- ist den Deutschen die LokalprominenzWas heisst das nun für das Marketing und die entsprechenden Texte sowie deren Übersetzung? Fremdsprachige Texte dürfen nicht einfach ins Deutsche, Französische oder Italienische übertragen werden, sondern in die jeweilige Schweizer Variante – ein Anspruch, dem Ihr Sprachdienstleister gerecht werden muss!Die Besonderheiten der Deutschschweizer Standardsprache etwa reichen von der Orthografie (etwa die grundsätzliche Verwendung des Kommas als Dezimalzeichen, ausser bei Geldbeträgen, die Zeichensetzung, ein erhöhter Gebrauch des Fugen-s, des Doppel-S anstatt ß), über den Satzbau (auffallend sind verkürzte Hauptsätze) bis zum Wortschatz, der in zahlreichen Fällen von demjenigen in Deutschland abweicht, beispielsweise Rahm für Sahne, Cervelatprominenz für Lokalprominenz, Spital für Krankenhaus, Leckerli für Lebkuchen.Im Französischen weicht der Wortschatz im Bereich den politischen, wirtschaftlichen, institutionellen, gesundheitlichen Organisationen deutlich ab. Er bildet eine ganz neue Welt: In der Schweiz wird nach dem Bachelor eine Vielfalt von formations postgrades angeboten, während in Frankreich die Rede von Master oder 3e cycle ist. Und die maturité entspricht nicht der Reife, sondern dem französischen baccalauréat. Wurden Sie in einer division privée ou commune oder en chambre double ou particulière im Spital behandelt? Verfügen Sie über eine genügende Deckung bei der caisse maladie oder der sécurité sociale? Essen Sie Ihre Mittagsverpflegung dans votre office oder au bureau? Geht Ihr Kind zur école enfantine oder maternelle? Und im Tessin: Geht Ihr Kind ins asilo oder in die scuola dell’infanzia? Ohne extra-textuelles Wissen über die Schweiz (sprich Kultur, organisatorisches System usw.) kann sich der Übersetzer in diesem Dschungel schnell einmal verlieren.Auch in der Eurokrise zahlt sich nur Qualität ausAufgrund der Frankenstärke wenden sich Schweizer oder ausländische Unternehmen für ihre deutschsprachigen bzw. französischen Übersetzungen für die Schweiz an deutsche bzw. französische Übersetzungsagenturen, was wegen des derzeitigen Wechselkurses geringere Kosten verursacht. Die Folgen daraus können für Ihr Unternehmen aber grössere Umsatzeinbussen bedeuten – denn liest ein Deutschschweizer in einem Marketingtext «Geldbeutel» oder «Portmonee» (der Duden empfiehlt diese Schreibweise für Deutschland), fühlt er sich möglicherweise bei diesem Text nicht angesprochen, oder er ärgert sich gar über die «fremde» Ausdrucksweise.Gefühle spielen im Marketing eine entscheidende Rolle, und sie werden über die Sprache vermittelt. Die Schweizer Kundinnen oder Bewerberinnen werden sich (beim Jobinserat) beleidigt fühlen, wenn die weibliche Form nicht automatisch vorkommt, was in Frankreich sogar in manchen Fällen als Fehler betrachtet wird (Cheffe in Fr-CH vs. Chef in Fr-FR). In der jeweiligen Sprachvariante verwenden die Unternehmen Formulierungen entspannter, die etwa eine Nähe zu den Kunden ausdrückt. Dies geht zwar über das eigentliche Thema des Schweizer Hochdeutschen bzw. Französischen hinaus, ist bei Marketingtexten jedoch beim Übersetzen bzw. beim Texten zu berücksichtigen, wenn Ihr Unternehmen damit Erfolg haben will. Übersetzen heisst eben nicht nur, einen Text von der Ausgangssprache in die Zielsprache zu «befördern», sondern es bedeutet auch, die Texte an die angesprochene Gruppe in der Zielsprache zu adaptieren. Ein guter Sprachdienstleister trägt diesem Umstand in der Schweiz Rechnung.

Weitere Artikel zum Thema