Mobile Payment tritt in eine neue Phase

E-COMMERCE PAYMENT Die Pilotversuche sind abgeschlossen. Mobile Contactless Payment ist an der Kasse angekommen. Noch sind aber nicht alle Hürden überwunden. Verschiedene Schweizer Anbieter äussern sich über die Vorteile, Herausforderungen und Zukunftsvisionen des mobilen Zahlens. Shopping via Smartphone könnte bald zum Alltag werden. Mobile Zahlungslösungen setzen sich in der Schweiz zunehmend durch. Mit dem Einstieg […]

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Shopping via Smartphone könnte bald zum Alltag werden. Mobile Zahlungslösungen setzen sich in der Schweiz zunehmend durch. Mit dem Einstieg von Migros, Coop, Valora, SBB oder McDonalds gewinnt Mobile Contactless Payment an Fahrt. Seit einem halben Jahr erlauben bei der Migros 8500 Zahlungsterminals das kontaktlose Bezahlen – Bedingung ist eine Kreditkarte mit eingebautem NFC-Chip. Bei Beträgen bis 40 Franken muss bloss noch die Karte oder bald auch das Smartphone an den Terminal gehalten werden – und fertig. Die Near Field Communication, die Nahfeldkommunikation, ist ein internationaler Übertragungsstandard zum kontaktlosen Austausch von Daten per Funktechnik über kurze Strecken von wenigen Zentimetern.«Derzeit finden weltweit diverse Roll-Outs von Mobile Contactless Payment-Lösungen statt, die auf der Nahfeldkommunikation basieren», sagt Tobias Wirth, Senior Manager Digital Products der Aduno Gruppe, «diese Entwicklung wird primär von Mobilfunkanbietern, Banken und Kreditkartenunternehmen angetrieben». Mobile Payment habe somit die Phase der Trials und Piloten hinter sich gelassen und sei jetzt in der Kommerzialisierungsphase angekommen.Die Aduno Gruppe bietet Produkte und Dienstleistungen für das bargeldlose Zahlen an – von der Kreditkarte über Zahlterminals bis zum Privatkredit. Dem Handel stellt Aduno Terminals mit der Kontaktlostechnologie auf der Basis von NFC zur Verfügung und stellt die Akzeptanz von Debit- und Kreditkarten sicher. Via Master Card und Visa-Kreditkarten kann der Handel heute Mobile Contactless Payment akzeptieren.NFC-fähige Smartphones«Die technologischen Hürden konnten mittlerweile überwunden werden», hält Tobias Wirth fest, «das technische Zusammenspiel zwischen den Systemen der Mobilfunkanbieter und Banken respektive Kredikartenanbietern funktioniert». Per Mitte 2014 werde es mehr als eine Million NFC-fähige Smartphones auf dem Schweizer Markt geben. «Eine grosse Hürde, die es noch zu nehmen gilt, ist die Kundenakzeptanz», räumt Wirth ein. «Hier wird es entscheidend sein, dass die Lösung einfach und intuitiv funktioniert. Zudem muss diese Lösung per Einführung bei allen Händlern gleich funktionieren.»Ein weiterer interessanter und zentraler Player in der neuen Welt der mobile Services ist Postfinance, wie die Bandbreite der Dienstleistungen verdeutlicht: Der SMS-Schnellservice ermöglicht Geld zu überweisen, Kontobewegungen abzufragen, Gesprächsguthaben aufzuladen und Zahlungen vorzunehmen. Mit der zusätzlichen App für iPhone, iPad und Android lassen sich Kleinbeträge überweisen, iTunes-, Paysafecard- oder Nintendo-Guthaben kaufen. Ebenso sind mit der App alle E-Finance- und E-Trading-Dienstleistungen verfügbar. Die Anzahl Nutzer der App zeigt ein beträchtliches Wachsum: Ende 2011 waren es 235000, Ende 2012 dann schon 327300, Ende 2013 462500 und Ende Februar 2014 nun 482900.Neue Konkurrenten«Wir haben den SMS-Schnellservice 2009 lanciert, die App 2010», sagt Postfinance-Sprecher Johannes Möri, «Postfinance war das erste Finanzinstitut, das Geldüberweisungen per Handy anbot.» Auf die aktuellen Herausforderungen angesprochen sagt Möri: «Mitbewerber ziehen nach und neue Konkurrenten drängen aus dem digitalen Bereich in den Markt drängen.» Auch technologisch ist Postfinance gefordert, denn die Marke von einer halben Million App-Downloads dürfte in diesen Tagen überschritten werden. «Unsere Systeme müssen stabil und ausbaufähig sein», hält Möri fest, «und die App muss auf sämtlichen Geräten der verschiedenen Hersteller, allen Displays, Versionen und Betriebssystemen richtig dargestellt sein und funktionieren.»Das kontaktlose Bezahlen mit einem NFC-Handy wird bei Postfinance als mögliche künftige Lösung erachtet. Vorerst sagt Johannes Möri aber: «Zunächst wird sich nun das kontaktlose Bezahlen mit der Debitkarte etablieren.» Postfinance engagiere sich im Thema Digital Wallet, um das sichere Bezahlen in der digitalen Welt zu vereinfachen und entwickle eigene Lösungen. Gleichzeitig sei man für Kooperation offen. Mit dem Digital Wallet ist ein elektronisches Portemonnaie gemeint, das über internetfähige Endgeräte aufgerufen und genutzt werden kann. Es eignet sich sowohl für das Präsenz- als auch für das Distanzgeschäft.Micropayment-SystemeAls Innovationstreiber bei Online- und Mobile-Zahlungslösungen gilt auch PayPal. Mittlerweile verfügt PayPal in der Schweiz über 750000 Kunden und ermöglicht  einfaches Einkaufen in Online-Shops. Ein Vorteil des Micropayment-Systems ist, dass keinerlei Bank- und Kreditkartendaten an die Händler weitergegeben werden. Der Kunde erhält sein Geld zurück, sollte der Verkäufer die Ware nicht abschicken. Der Händler wiederum erhält eine Zahlungsbestätigung von Paypal und kann die Ware sofort versenden. Neben den Online-Zahlungslösungen steht auch die Mobile Payment-Lösung QRShopping zur Verfügung.«Unser Ziel ist es, den gesamten Einkaufs- und Bezahlvorgang nahtlos und komfortabel zu gestalten. Der Kunde muss nicht mehr daran denken, ob er genügend Geld im Portemonnaie hat», sagt Armin Schmid, Schweiz-Chef von PayPal. Neue Services wie Uber oder mytaxi haben PayPal direkt in ihr Angebot integriert. Auch beim Kauf eines Kaffees oder eines Mittagessens lässt sich PayPal einsetzen. «Das mobile Bezahlen ist immer stärker auf dem Vormarsch, denn die Kunden suchen praktische und bequeme Lösungen für ihre Einkäufe», sagt Schmid. Derzeit testet PayPal in Oldenburg und Berlin verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Ziel dieser Test ist es zu ermitteln, welche Lösungen vom Kunden am besten angenommen werden.Weltweite UnterschiedeDie globale Präsenz stellt für PayPal eine Herausforderung dar. «Wir versuchen, weltweit mit Technologien einen Mehrwert zu schaffen. Dabei müssen wir aber gleichzeitig die unterschiedlichen Mentalitäten der Menschen beachten, die diese existieren auch in Bezug auf das Bezahlen,» sagt Armin Schmid. «Unsere Herausforderung ist es, für jeden Markt eine massgeschneiderte Payment-Lösung zu entwickeln.» Der Markt für Mobile Payment sei aber noch jung. Daher wisse noch niemand genau, welche Technologie sich letztlich durchsetzen werde. Aber Armin Schmid glaubt: «Es wird wohl nicht eine einzige Lösung für alle geben, sondern mehrere, die den unterschiedlichen Marktbedürfnissen gerecht werden müssen.»Six Payment Services, eine Division der Six Group, richtet ihre Aktivitäten ebenfalls zunehmend auf die mobile Bezahlung aus. Die Standards, die derzeit für den Handel entwickelt werden, richten sich nach den Kartenorganisationen. Six unterstützt dabei die Markteinführung von Masterpass, einer Mastercard-Lösung, sowie von V.me, einer Visa-Lösung, sobald diese auf dem Schweizer Markt verfügbar sind. Gleichzeitig entwickelt Six für Banken die Möglichkeit, mit neuen Funktionen bestehende E-Banking-Lösungen in eine mobile Anwendung zu adaptieren.Online Shops und Mobile PaymentMit grossem Interesse verfolgen Online-Shops die Entwicklung beim Mobile Payment – nicht zuletzt jene, die über die Grenzen hinaus präsent sein wollen. Denn abgesehen von weiteren grossen Themenkreisen wie der Sicherheit stellen die unterschiedlichen Ländergepflogenheiten die grösste Hürde dar. Marketingabteilungen, die bereits grosse Geschäfte in aufkommenden Ländern wie China, Russland oder Brasilien wittern, müssen sich im Klaren sein, dass sich die jeweiligen Bezahlprozesse gegenüber jenen in Mitteleuropa oder den USA stark unterscheiden. Eric Christensen, Global Payment-Chef beim E-Commerce-Unternehmen Digital River sagt: «Fast jedes Land hat seine eigenen Favoriten, wenn es um die Bezahlung von Online-Einkäufen geht. So ist es in Brasilien beim Kauf von fast jedem Produktes möglich, in Raten zu zahlen – auch im Online-Geschäft. Anders in Russland: Bargeldbasierte Zahlungen über Kiosk-Netzwerke oder Online-Geldbörsen wie Yandex stellen für die Mehrheit der Online-Käufer das beliebteste Zahlungsmittel dar.» Daher kommt der E-Commerce-Experte zur Konklusion: «Um in den Wettbewerb mit lokalen Unternehmen zu treten, muss ein international agierendes Unternehmen die Gesetze, die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen, die kulturellen Gegebenheiten und das jeweilige Arbeitsumfeld berücksichtigen.»Sicherheit geht vorAngesichts dieser Schwierigkeiten, mobile Zahlungslösungen weltweit verfügbar zu machen, wundert es nicht, dass traditionelle Ansätze weiterhin gross geschrieben werden. So verdeutlicht neben PayPal das Beispiel von Paysafecard die Erfolgschancen bei der Abwicklung von Zahlungen. Paysafecard ist eine europäische Prepaid-Lösung zum Bezahlen von Gütern im Internet. Derzeit wird sie in 37 Ländern an 450000 Verkaufsstellen angeboten und tausende Webshops akzeptieren sie. Der Kunde erwirbt sie wie eine Prepaid-Karte für Handys an einem Kiosk oder einer Tankstelle und erhält einen Ausdruck mit einem 16-stelligen Pin. Beim Kauf in einem Online-Shop klickt er dann auf «paysafecard» und gibt den Pin ein und die bezahlten Beträge werden vom Guthaben abgezogen.Auf die Vorteile der Karte angesprochen, sagt Paysafecard-Sprecher Bernhard Schmid: «Das Prepaid-Prinzip bietet absolute Sicherheit. Zudem ist es auch für Kleinstbeträge ab einem Rappen einsetzbar. Und Konsumenten, die ihre persönlichen Bank- oder Kreditkartendaten aus Sicherheitsüberlegungen nicht im Internet bekannt geben wollen, haben mit Paysafecard ein Zahlungssystem für tausende Webshops.»Google redet mitErfolgreiche Micropayment-Systeme gut und recht, für grössere Abwicklungen wartet der Handel aber noch auf weitere Innovationen. Auf künftige Entwicklungen angesprochen, erklärt Tobias Wirth von der Aduno Gruppe: «Google nimmt mit Google Wallet einen neuen Anlauf basierend auf NFC mit Host Card Emulation». HCE soll NFC-basierte Transaktionen auch ohne Secure Element sicher machen. Bei diesem Verfahren werden alle generierten Daten nicht auf einem Hardware-Element gespeichert, sondern zentralisiert in einer Server-Umgebung abgelegt. «Die NFC Host Card Emulation-Technologie ist bereits Standard in den Android-Geräten ab Version 4.4 und unterstützt neu eine Architektur ohne Secure Element und Mobilefunkanbieter, was die Skalierung und Ausbreitung von Mobile Contactless Payment Lösungen auf der Basis von NFC stark vereinfacht und fördert,» sagt er.Und zu weiteren Trends, sagt Tobias Wirth: «Neben NFC und HCE wird aktuell viel über Beacon, den neuen Bluetooth LE Standard diskutiert. Diese Technologie wurde von Apple mit dem iOS 7 als iBeacon eingeführt. Weiter hat bereits PayPal die Technologie für Mobile Payment integriert. iBeacon funktioniert wie ein Check-In und Check-Out System. Kunden, welche einen POS betreten mit aktivierter Bluetooth- Funktion auf ihrem Smartphone, werden sofort erkannt und können via Push-Notification oder App angesprochen werden. Es gibt aber noch diverse offene Fragen zur Sicherheit und auch zur Kundenakzeptanz, da es ein Push- Verfahren ist.»Autor: Gregor Waser

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