Zur Sache: Vorsicht Glatteis

Werbung soll witzig und intelligent sein, sie muss aber auch auffallen. Das führt dazu, das Werbetreibende und Agenturen seit jeher versuchen, die Grenzen zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung zu verwischen. Im Glauben daran, dass so entweder die Glaubwürdigkeit, die Aufmerksamkeit oder im Idealfall beides gesteigert werden kann. Je nach Subtilität kann dieses Vorgehen erfolgversprechend sein. Ist es aber zu dick aufgetragen, fällt es beim Konsumenten durch.

Um gewisse dieser Praktiken zu unterbinden, wurde vor einigen Jahren ein Code of Conduct für Journalisten und Medien eingeführt. Sinn und Zweck war, dass es für den Medienkonsumenten immer klar erkennbar sein muss, welche Inhalte redaktionell verantwortet und welche kommerziell beeinflusst, also von Dritten bezahlt sind. Seit Einführung des Codes of Conduct liest man deshalb am Ende eines Autotests (oder sollte man wenigstens!), dass der neue Supersport XL anlässlich einer Pressefahrt in Andalusien gefahren werden konnte. Oder aber, dass der Aufenthalt im 6-Stern-Hotel in Dubai vom Reisebüro Travel ermöglicht wurde. Eine Anzeige auf einer redaktionellen Seite sollte den Vermerk «Anzeige» tragen und Publireportagen müssen als solche deklariert werden. Das ist auch gut so.

Aber so einfach ist es nicht. Kommt doch jetzt die Migros mit einer witzigen und frechen Idee. «Anita Weyermann Drillinge!» So titelte der Blick letzten Samstag auf der Frontseite. Den Primeur über die Ex-Spitzenläuferin illustrierten die Blick-Journis mit einer lachenden Weyermann – und einem Kassenzettel der Migros. Darauf steht: «3× Holzrassel, 3× Xylophon, 1× Ohrstöpsel». Eine Anspielung auf die Weyermann- Schlagzeile. Am Montag dann das Cover der Schweizer Illustrierten mit Franco Knie: «Abschied vom Zirkus». Und wieder ein Kassenzettel der Migros: «Abschiedskarte, Couvert, Blumenstrauss, Taschentuch ». Auch diesmal also eine Anspielung auf die Franco-Knie-Titelzeile. In beiden Fällen stand nichts von «Anzeige», doch der Absender Migros war klar erkennbar und die Kennzeichnung somit meiner Ansicht nach auch kein Problem. Oder etwa doch?

Ich habe mit einigen Leuten darüber gesprochen. Die einen fanden die Idee charmant und witzig (nicht nur Werber und Anzeigenverkäufer), einige haben nicht begriffen, was der Kassenzettel überhaupt soll (okay, Deppen gibt es überall) und einige (wohlverstanden nicht nur Journalisten) fanden es eine unzulässige Vermischung von Redaktion und Werbung. Ich selbst finde die Geschichte zwar witzig, aber gleichzeitig auch gefährlich, denn sie setzt ein falsches Zeichen und neue Begehrlichkeiten werden geweckt. Beim Blick und bei der SI passt ja die Idee und sie stört auch nicht, aber sie funktioniert nicht bei allen Medien. Und: nicht alle Marken haben den Sympathiebonus einer Migros und leider ist nicht jede Werbung witzig.

Pierre C. Meier, Chefredaktor pc.meier@werbewoche.ch
 

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