Zur Sache: Datenmassaker

So bezeichnete Michael Ringier anlässlich der Ringier- Medienorientierung die unrühmliche Situation um die strittigen Fernsehquoten. Er tat dies schmunzelnd in Anlehnung an den Film «Das Missenmassaker». Zum Schmunzeln ist die ganze Sache leider aber nicht.

Was heute in der Fernsehforschung abläuft, gleicht einer Schmierenkomödie. Publikation ja, Publikation nein, Publikation vielleicht, Publikation nein, Fragenkataloge, superprovisorische Verfügung, teilweises Publikationsverbot, teilweise Publikation, Ergänzung zur superprovisorischen Verfügung, gänzliches Publikationsverbot.

Wir sind jetzt in der letzten Aprilwoche und die Auftraggeber und Mediaagenturen stochern bei der TV-Planung immer noch im Dunkeln herum. Sicher, es gab Pannen bei der Erhebung und Mängel in der Kommunikation. Alle Gründe, warum es so weit kam, werden wahrscheinlich nie ganz geklärt werden. Eines aber ist sicher, das urschweizerische System des Miteinbeziehens aller Direkt- und Indirekt- Beteiligten in einen Entscheidungsprozess hat in diesem Falle nicht funktioniert. Der Verwaltungsrat sollte zwar gemäss RTVG unabhängig sein, aber alle Mitglieder ausser dem Präsidenten sind direkt oder indirekt auch Kunden oder Vertreter von Interessengruppen. Das Gleiche gilt für die Usercommission.

Darum wundert es nicht, dass Beschlüsse gefasst wurden, diese dann aber wieder infrage gestellt und schliesslich umgestossen wurden. Und zwar erst dann, als detailliert auf dem Tisch lag, was die neue Forschung für Auswirkungen auf die einzelnen Sender haben würde. So, dass es alle begreifen konnten. Ein Schelm, der dabei an Partikularinteressen denkt. Wieder einmal zeigt sich: Eine gute Marktforschung ist nur eine, die auch gute Zahlen liefert.

Schlechte Zahlen sind immer und nur methodisch bedingt. Gehen wir mal davon aus, dass die Quoten für alle Sender im (wohlverstanden nicht statthaften Vergleich zum Vorjahr!) markant gestiegen wären. Kein Mensch hätte sich an der Methodik gestört, niemand hätte die Repräsentativität des Panels infrage gestellt. Nein, sicher nicht: Alle hätten sich gegenseitig auf die Schultern geklopft und den bahnbrechenden Schritt in die neue Fernsehforschungswelt gefeiert. Heute steht die Branche vor einem Scherbenhaufen. Wann und ob Zahlen noch im ersten Halbjahr veröffentlicht werden, steht in den Sternen. Die ganze Angelegenheit hat aber noch einen weiteren Aspekt. Durch das unsägliche und unendliche Gezanke wird die Glaubhaftigkeit der Medianutzerforschung und der Marktforschung generell irreparabel beschädigt. Und was macht die Aufsichtsbehörde? Nichts.

Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch
 

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