Zur Sache: Fatal und gefährlich

Wenn man momentan Branchenveranstaltungen besucht und mit Leuten aus der Printmedienbranche redet, dann muss man über eine gesunde Portion Optimismus verfügen, um nicht sofort in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen.

Wenn man momentan Branchenveranstaltungen besucht und mit Leuten aus der Printmedienbranche redet, dann muss man über eine gesunde Portion Optimismus verfügen, um nicht sofort in ein tiefes schwarzes Loch zu fallen.
Die Stimmung ist der Branche ist gedrückt – um es einmal gelinde auszudrücken – und gespannt. Mit einer gewissen masochistischen Lust versuchen sich die Veranstaltungsteilnehmer gegenseitig mit schlechten Nachrichten zu übertrumpfen. Jeder will eine noch schlechtere Wirtschaftsprognose gelesen haben, jeder weiss von noch drastischeren Sparmassnahmen zu berichten. Man prostet sich zu (das immerhin!), nur um gleichzeitig im Gespräch gemeinsam neue Katastrophenszenarien zu entwickeln. Eine verkehrte Welt. Bis heute war man stolz darauf, dass es einem gut ging, heute gilt man so als Aussenseiter. Um zum Kreise der etablierten Branchenexponenten zu gehören, darf es einem nicht gut gehen. Jammern gehört zum Handwerk, wird gewissermassen zum Statussymbol.
Eine solche negative Haltung ist fatal und gefährlich. Self-fulfilling prophecy nennt man das Übel. Gemäss Wikipedia ist die selbsterfüllende Prophezeiung eine Vorhersage, die sich erfüllt, nur weil sie von einem sozialen Akteur geäussert und von anderen aufgenommen worden ist. Sie ist also eine besondere Ursache der Folgen, von denen sie spricht.
Ich will hier nicht einem Zweckoptimismus das Wort reden. Ganz und gar nicht. Das wäre angesichts der aktuellen Wirtschaftsprognosen fahrlässig. Doch ebenso fahrlässig und gefährlich ist es, wenn jedermann, ob Politiker, Manager, Wirtschaftsexperte oder Journalist, ständig auf die zu erwartenden negativen, ja katastrophalen Entwicklungsszenarien der Wirtschaft hinweist. Immer wieder, gebetsmühlenhaft. Die aktuelle Krise sei die schlimmste seit x Jahren, sie werde länger andauern als jede Krise zuvor. Die Auswirkungen seien noch gar nicht abzuschätzen, und überhaupt müssten sich die Menschen an eine ungewisse, unsichere und düstere Zukunft gewöhnen. So oder ähnlich tönen die Kassandra-Rufe in Zeitungsartikeln, in Interviews am Fernsehen und in den Kolumnen mancher Experten.
Dieser Pessimismus ist nicht nur Gift für die Konsumentenstimmung, sondern auch Gift für die Wirtschaft. Und für die Printmedienbranche, die von einer Krise immer zuerst betroffen ist – dafür geht es dann beim Ende einer Krise auch wieder schnell aufwärts –, ist er besonders gefährlich. Denn anstelle von Innovationen und neuen kreativen Ideen, mit denen man den Herausforderungen des Lesermarktes entsprechen könnte, treten Verteidigungsmassnahmen. Man spart Kosten, redimensioniert und fokussiert. Ob man so auf den nächsten Aufschwung vorbereitet ist, lässt sich bezweifeln.
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

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