Zur Sache: Schmierentheater

Vor vierzehn Tagen musste ich mein Editorial schon am Dienstagmorgen fertig geschrieben haben, weil ich am Nachmittag für zwei Tage an einen Kongress nach Hamburg flog. Irgendwie hatte ich so eine Ahnung, dass der Quoten-Schwank noch nicht zu Ende sei.

Ich schrieb also: «Nun scheint einer Veröffentlichung der TV-Zahlen aber nichts mehr im Wege zu stehen. So heisst es wenigstens in der neuesten Mitteilung der Mediapulse. An meiner Formulierung merkt man meine leichten Zweifel, denn was in diesen 170 Tagen hinter und vor den Kulissen passierte, ist unglaublich und eigentlich unvorstellbar.» Vorgesehen war auch noch eine Publikation der wichtigsten Einschaltquoten in einem kleinen Artikel, für den wir bis Mittwoch Platz freiliessen. Alles war also vorbereitet.

Als ich dann am Mittwochnachmittag mal kurz bei Twitter reinguckte, las ich einen Tweet der Tages- Anzeiger-Redaktorin Angela Baradun. «Unglaublich! Die TV-Quoten sind schon wieder blockiert» hiess es dort. Als ich die Sache verifizierte, entschlossen wir uns, die Zahlen mit einem Verbotsbalken unleserlich zu machen. So weit so gut. Nick Lüthi hat dann noch den Titel meines Editorials «was lange währt …» kreativ ergänzt mit «… wird nie mehr gut».

Mittlerweile sind wieder zwei Wochen vergangen. Passiert ist nicht viel. Der BSW Leading Swiss Agencies, deren Mitglieder 80 Prozent aller in der Schweiz getätigten TV-Werbe- Investitionen veranlassen, war naturgemäss «äusserst ungehalten über diese neue Entwicklung, deren Ursachen im Abbruch der Verhandlungen zwischen Mediapulse und dem Sender 3+ liegen», wie es in einer Medienmitteilung heisst. Er erwartet bis spätestens 15. August korrigierte Daten. Punkt.

Wie geht es jetzt weiter? Die Mediapulse hat jetzt bis nächste Woche Zeit, eine neue Rechtsschrift zu verfassen (Rechtsanwalt sollte man sein!), um so auf die Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts zu antworten. Dann kommt es darauf an, wie das Gericht reagiert. Will es die leidige Angelegenheit schnell vom Tisch haben, wird es vor dem 15. Juli husch husch etwas entscheiden, lässt man sich aber Zeit, so passiert vor dem 18. August nichts – wenn ich die Sache mit den Gerichtsferien richtig deute.

Das heisst also weiterhin Blindflug. Man mag gar nicht daran denken, was passiert, falls das Bundesverwaltungsgericht die Veröffentlichung zulassen würde. Geht dann die ganze Sache vor Bundesgericht und der Quotenschwank fängt wieder von vorn an? Prozessieren statt gemeinsam Lösungen suchen, das scheint das Motto zu sein. Was hier abgeht, ist unglaublich und schadet der gesamten Mediabranche. Und was wird dagegen unternommen? Nichts. Toll!

Pierre C. Meier, Chefredaktor pc.meier@werbewoche.ch
 

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