Zur Sache: Selbst ist der Vermarkter

Was Albert Polo Stäheli, seit September CEO der Neuen Zürcher Zeitung, in einem Interview mit der Sonntagszeitung Sonntag gewissermassen beiläufig erwähnte, birgt ziemlichen Zündstoff und wird noch für einige heisse Diskussionen und rote Köpfe sorgen.

Was Albert Polo Stäheli, seit September CEO der Neuen Zürcher Zeitung, in einem Interview mit der Sonntagszeitung Sonntag gewissermassen beiläufig erwähnte, birgt ziemlichen Zündstoff und wird noch für einige heisse Diskussionen und rote Köpfe sorgen.
Zitat Stäheli: «Der Kostendruck steigt ständig, da sollten sich die Verleger überlegen, die Inseratenabwicklung an jemanden auszulagern, der das deutlich günstiger machen kann. Ich könnte mir die zukünftige Publicitas bestens als zentralen Outsourcing-Partner für die Abwicklung, die Administration und das Inkasso des Inseratengeschäftes der ganzen Branche vorstellen. Die Vermarktung erachte ich hingegen als Kerngeschäft der Verlage.» Da redet einer Klartext.
Polo Stäheli galt noch nie als Freund der Publicitas, er setzte schon immer auf Eigenvermarktung. Viele in der Medienbranche warteten deshalb gespannt darauf, wie er sich mit der Zwangsehe NZZ/Publicitas arrangieren würde. Eine Zwangsehe, die er selbst sicher nie eingegangen wäre. Jetzt wissen wir es.
Die Publicitas steckt in einer ziemlichen Krise. Sie ist mitten drin in einem gigantischen Umbauprozess, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Die angekündigte Allmedia-Strategie scheint in der Realisierung schwieriger zu sein, als das deren Erfinder glaubten. Die Skepsis bei vielen Pachtverlegern ist gross. Und nun führt auch noch die ungünstige Wirtschaftslage dazu, dass die Umsätze einbrechen. Die Stimmung in der Branche war auch schon Publicitas-freundlicher.
Manche Verleger lassen keine Möglichkeit aus, dem ehemaligen Lausanner Riesen ans Bein zu pinkeln. So auch der Basler-Zeitung-Verleger Matthias Hagemann, der in einem Interview lakonisch meinte: «Kommerziell waren wir im Dezember noch über den Vorjahreswerten. Da sind wir wohl eine der wenigen Zeitungen, wenn nicht die einzige in der Schweiz. Wir vermarkten uns ja auch selber.» Deutlich.
Wenn jetzt auch noch die Neue Zürcher Zeitung laut nachdenkt und neue Wege in der Zusammenarbeit sucht ? und das nicht nur für sich, sondern auch noch für die Luzerner Zeitung, das St. Galler Tagblatt sowie die Zürcher Landzeitungen –, dann wird es langsam heikel für den Lausanner Anzeigenvermittler. Stähelis Aussage ist ein klares Votum gegen den umfassenden Vermarktungsanspruch der Publicitas, der notabene jahrzehntelang bei sehr vielen Verlegern unbestritten war.
Ein Zeichen auch für manche Verleger, die bis heute noch zögerten, in den Los-von-Publicitas-Ruf miteinzustimmen. Fragt sich nur, wer der nächste Verleger ist, der sich von der Publicitas emanzipieren will. Gewisse Anzeichen deuten darauf hin, dass es die Edipresse sein könnte.
Pierre C. Meier, Chefredaktor
pc.meier@werbewoche.ch

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