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Roland Wahrenberger, Verlagsleiter der Schweizer Familie, über die neuen Auflage

Roland Wahrenberger, Verlagsleiter der Schweizer Familie, über die neuen Auflageziele Von Luca Aloisi
Das unverhoffte Geschenk aus Rapperswil birgt Wachstumschancen: Dank des übernommenen Meyer’s-Kundenstamms kann bei Tamedia vorerst die Schweizer Familie (SF) ihre Auflage und Reichweite stark ausbauen. SF-Verlagsleiter Roland Wahrenberger über die Strategie, mit der er die neuen Leser an die Familienzeitschrift binden will.
Roland Wahrenberger, obwohl die Meyer’s-Auflagezahlen (offiziell: 97000) offenbar stark aufgerundet wurden, können Sie sich über das unerwartete Geschenk freuen? Wie gross ist der Abostamm effektiv?
Roland Wahrenberger: Die genaue Zahl ist mir selber nicht bekannt. Die Adressen werden derzeit bei uns ins System eingelesen.
Bestimmt können Sie aber sagen, um wie viel Sie die bisherige SF-Auflage von 156724 Exemplaren steigern können?
Wahrenberger: Wir werden auf Woche 26 unsere Druckauflage auf 215000 Exemplare fahren.
Das würde bedeuten, dass Sie rund 60000 Abos übernehmen.
Wahrenberger: Mit solchen Rechnungen muss man ein wenig vorsichtig sein: Man kann nicht einfach die beglaubigte Auflage mit der Druckauflage gleichsetzen, da diese meist höher ist und momentan noch eine relativ hohe Anzahl Schnupperabos von der Schweizer Familie enthält.
Haben Sie bei den Anzeigenbuchungen schon eine Reaktion feststellen können?
Wahrenberger: Das Ganze ging so kurzfristig über die Bühne, dass die offiziellen Anzeigenschlüsse eigentlich schon vorüber waren, als die Geschichte bekannt wurde. Wir haben aber Signale, dass einige Kunden sich überlegen, ihre Werbebudgets in die Schweizer Familie zu verschieben. Und wir haben auch schon konkrete Buchungen erhalten.
Welchen Zuwachs hoffen Sie bei den Anzeigenseiten zu erreichen?
Wahrenberger: Intern wurden Wetten abgeschlossen, aber die Zahlen gehen ziemlich weit auseinander. Die Erwartungen liegen deutlich über 50 Seiten bis Ende Jahr.
Welche potenziellen Werbekunden wollen Sie jetzt neu anpeilen?
Wahrenberger: Primär sind das Kunden aus dem Kosmetik- und Modebereich.
Welches Ziel haben Sie sich bei der Erneuerungsquote von Meyer’s-Abonnenten gesteckt?
Wahrenberger: Es gibt einen Businessplan, aber auch diese Zahl kann ich nicht nennen. Logischerweise werden wir nichts unversucht lassen, möglichst viele zu gewinnen. Aber wir bleiben realistisch.
Konkret: Ist der Zugewinn von einem Drittel bisheriger Meyer’s-Abonnentinnen eine optimistische Schätzung?
Wahrenberger: Nein, sie ist sehr pessimistisch. Wir zielen ganz klar höher.
Von Ihren gut 600000 Leserinnen und Lesern haben bisher rund 66000 auch Meyer’s gelesen. So gesehen, können Sie höchstens 70 Prozent der Meyer’s-Leserschaft dazugewinnen.
Wahrenberger: Auch hier reflektieren die Mach-Überschneidungen nur teilweise die Tatsachen. Denken Sie nur an Praxen, wo beide Blätter nebeneinander liegen. Doppelleser ist nicht immer gleich Doppelabonnent. Wir sind jetzt dabei, die effektiven Zahlen herauszufinden.
In den letzten fünf Jahren hat die SF 42000 Abonnenten verloren, die sie mit gegen 7000 zusätzlichen Einzelkäufern nur zu einem geringen Teil wieder wettmachen konnte. Wie gut stehen jetzt die Chancen, dass Sie diesen Verlust wieder aufholen können?
Wahrenberger: Fakt ist, dass wir seit 2000 in der Auflage stabil sind. Aber es wäre vermessen, zu erwarten, dass man innert ganz kurzer Zeit wieder 42000 Abos holt. Es war schon eine Riesenleistung, die Auflage zu stabilisieren. Das primäre Ziel besteht im Moment darin, die Auflage zu halten. Wir verspüren zurzeit einen leichten Aufwärtstrend.
Spürt auch die Redaktion diese hohe Erwartungshaltung?
Wahrenberger: Natürlich. Man hat sich schon intensiv überlegt, was man den Meyer’s-Leserinnen bieten kann, ohne dabei das bisherige Konzept über Bord zu werfen.
Obwohl die beiden Publika von der Wertorientierung ähnlich sind, ist der Lesestoff doch sehr unterschiedlich: hier Familienthemen, dort Frauen- und Lifestyle-Themen. Was unternimmt nun die Schweizer Familie, um von den neuen Leserinnen und Lesern nach Ablauf des Abos möglichst viele zu behalten?
Wahrenberger: Es wird weder neue Ressorts noch neue Themenbereiche geben, da wir zum einen bereits viele Meyer’s-Bereiche abdeckten und zum anderen die bisherigen SF-Abonnenten nicht vor den Kopf stossen wollen. Wir werden die Themen Beauty, Mode und Kosmetik etwas verstärken. Und auch das werden wir auf die Akzeptanz überprüfen. Gelingt uns das, könnte es in einer zweiten Phase noch einen Schub geben.
Bis wann wollen Sie diese Massnahmen umsetzen?
Wahrenberger: Das wurde noch nicht terminiert. Meyer’s hat seinen Verlust vor allem seit 1999 eingefahren, was beweist, dass gerade beim konservativen Zielpublikum, wie Sie es bedienen, Neupositionierungen heikel sind. Sie haben mit der Nutzwertsteigerung Ihres Blattes die Mediadaten stabilisieren können. Welche Schritte stehen bei der Schweizer Familie bevor?
Wahrenberger: Unser Publikum reagiert tatsächlich sehr sensibel auf Umpositionierungen. Die Schweizer Familie hat in ihrer Geschichte schon mehrere Relaunches erlebt, und die Auflage brach immer wieder ein. Mit dem neuen Konzept konnten wir den Trend stoppen. Deshalb besteht momentan kein Anlass, dieses wieder zu ändern. Wir werden auf diesem Kurs weiterfahren. Obwohl wir schon ein hohes Qualitätslevel erreicht haben, bleibt das Hauptziel weiterhin, dieses konstant zu steigern.
Mit der falschen Testimonial-Kampagne (siehe Seite 7) zeigt sich die Schweizer Familie ziemlich frech, obwohl die zitierten Promis kaum beim jüngeren und urbanen Publikum ankommen dürften. Stellen Sie hier keine Diskrepanz zwischen Schein und Sein fest?
Wahrenberger: Ich finde sie nicht frech. Sie funktioniert ganz einfach nach den Mechanismen, wie gute Werbung funktionieren sollte. Und genau das war die Idee dahinter. Das Spiel mit dem falschen Testimonial ist ein eleganter Weg, um zu zeigen, über welche Leute man in unserem Blatt etwas lesen kann. Wir haben die Promis gewählt, von denen wir glauben, unser Zielpublikum damit am besten anzusprechen.

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