Tessiner mögen Berlusconis Bikini-TV

Publikumsforschung Nicht bloss die SRG-Sender haben ein gunstreiches erstes TV-Halbjahr 2003 hinter sich, auch diverse Regionalprogramme wurden eifrig konsumiert.

Publikumsforschung Nicht bloss die SRG-Sender haben ein gunstreiches erstes TV-Halbjahr 2003 hinter sich, auch diverse Regionalprogramme wurden eifrig konsumiert.Das gabs noch nie in der Geschichte der TV-Marktforschung: Alle drei SRG-Sender zeigten sich in allen Landessprachen in guter Verfassung – wobei vor allem die italienisch- und die französischsprachigen Sender noch beliebter geworden sind. Mit einer Einschränkung im Tessin: Dort haben die Berlusconi-eigenen Sender an Publikumsgunst gewonnen. Mal hübsch der Reihe nach: Schweizerinnen und Schweizer blieben ihren TV-Sendern im ersten Halbjahr 2003 im Grossen und Ganzen treu. Das ist keine Selbstverständlichkeit angesichts des bereits grossen Überschusses an Schönwettertagen im Mai und Juni, an denen die Mattscheibe für gewöhnlich schwarz bleibt.
In der Romandie errechneten die Zuschauerforscher nur gerade für TSR 2 einen hauchdünnen Rückgang ihres Marktanteils (MA) um 0,2 Punkte. Umgekehrt steigerte sich TSR 1 um 0,8 Prozent, was den Verlust mehr als wettmachte.
Erklecklichen Zuschauergewinn gabs für die SRG-Sender im Tessin. Dort legte TSI 1 mit einem Plus von 2,5 Punkten eine eigentliche Kletterpartie hin. Und auch das Zweitprogramm TSI 2 war mit einem Gewinn von 1,1 MA-Prozenten im Aufwind.
Selbst in der deutschen Schweiz, wo der Zuwachs für die öffentlich-rechtlichen Sender am geringsten ausfiel, gabs noch eine minimale Steigerung: SF 1 legte um 0,2 Punkte zu, während sich SF 2 immerhin auf dem Vorjahreswert halten konnte.
RTL weiter auf dem Vormarsch
Deutlich mehr Bewegung registrierten indessen die deutschen Sender. Die stärkste Aufwärtsdynamik erfasste in der ersten Hälfte dieses Jahres die RTL-Gruppe. Deren erstes Programm vermochte sich um 0,4 Marktanteilspunkte zu steigern, bei RTL 2 lag ein Plus von 0,3 drin. Ambivalent waren hingegen die Entwicklungen bei der anderen deutschen Senderfamilie ProSiebenSat 1: Während der Spielfilmkanal Pro 7 seinen MA um 0,2 Punkte steigern konnte, musste Sat 1 einen Zuschauerschwund von zwei Prozent hinnehmen. Der zweite nennenswerte Verlust betrifft Kabel 1, dessen Marktanteil um 0,5 Prozent zurückging.
Aus der Westschweiz sind neben dem bereits erwähnten Höhenflug von TSR 1 keine weiteren Erfolgsmeldungen zu verzeichnen. Im Gegenteil: Sämtliche französischen Sender stagnierten oder gerieten in die Defensive. Am besten kam noch TF 1 weg – der von den Romands
am zweithäufigsten eingeschaltete Kanal verharrte immerhin auf dem Vorjahreswert. Den grössten Verlust musste M6 einstecken, das um 1,2 MA-Prozente schwächer abschloss. Trotzdem bleibt der private TV-Anbieter, überdies der einzige französische Sender mit einem Schweizer Werbefenster, in der Publikumsgunst die Nummer drei – mit grossem Abstand zum nächstplatzierten F 2.
Eine kleine Überraschung setzte es im Tessin ab. Nicht nur die SRG-Programme waren dort im Vormarsch, auch Berlusconis Mediaset-Sender zeigten sich in bester Verfassung. So ging es bei Canale 5 um respektable 1,5 Marktanteilspunkte vorwärts, und auch Italia 1 holte mit zusätzlichen 1,3 Prozent ganz schön auf. Die Publikumsausweitung der genannten Sender vollzog sich indessen durchwegs
auf Kosten der staatlichen italienischen Programme. Am stärksten betroffen war RAI 1, das um ganze 3,6 Prozentpunkte zurückfiel. Aber auch RAI 2 und RAI 3 bewegten sich mit Rückgängen um 0,6 respektive 0,4 Marktanteilsprozenten deutlich in der Verlustzone. Keine Frage, auch die Tessiner mögen das Bikini-TV des italienischen Ministerpräsidenten.
Erfolgsstory des Lokal-TVs wird fortgeschriebenDer Publikumsaufbau der lokalen TV-Sender hat das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht. Die Zuschauerzahlen stiegen auch im ersten Semester 2003 munter weiter. Allerdings beschränkt sich die gute Nachricht auf die Deutschschweizer Programme, wobei auch hier nicht alle gleichermassen profitierten. Geradezu sprunghafte Entwicklungen im Publikumsmarkt registrierten zwei der jüngeren Sender: Tele Top steigerte seine Nettoreichweite um 29,3 Prozent oder um 24000 auf neu 106000 Zuschauer. Ebenfalls herausragend sind die Gewinne von TeleTell, das um 23,5 Prozent oder um 27000 auf 142000 Zuschauer ausbauen konnte. Bemerkenswert ist auch das Resultat von TeleBasel; es gewann vier Prozent mehr Zuschauer und weist nun 105000 Menschen aus, die täglich dieses Programm einschalten.
TeleZüri behält Dynamik
Auch TeleZüri setzte seine Marktausweitung fort. So konnte der erfolgreichste Schweizer Lokalsender erneut einen Zuwachs um 4,1 Prozent oder um 19000 Personen verzeichnen. Damit landet der Tamedia-Sender bei einer Nettoreichweite von 478000 – das sind fast doppelt so viele wie beim zweitplatzierten TeleBärn. Das Espace-Media-TV kommt nach einem Verlust um 9,6 Prozent oder 26000 Zuschauer auf eine neue Reichweite von 246000 Personen.
Konträr zum positiven Trend der Deutschschweiz entwickelten sich
indes die Lokalsender in der Westschweiz und im Tessin. Am geringsten fielen die Verluste für Filippo Lombardis TeleTicino aus, das um 3,5 Prozent oder 2000 Zuschauer schlechter abschnitt. Einen happigen Einbruch erlebte dagegen LemanBleu, dessen Reichweite um 25,9 Prozent auf den neuen Wert von 23000 Personen eingebrochen ist. Und auch dessen Nachbar TV Région Lausanne spürte den negativen Trend. Mit einem Verlust von 9 Prozent auf neu ebenfalls 23000 Zuschauer sind die beiden Sender jetzt gleichauf. (dse)
Alle Marktanteile der wichtigsten TV-Sender auf einen Blick. Für die privaten Anbieter liegt noch viel Zuschauerpotenzial brach.
Daniel Schifferle

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