«Ein Geheimteam arbeitete parallel für Salt»

Curdin Janett, frischgekührter «Werber des Jahres 2015» und CEO von Publicis, spricht im Werbewoche-Interview über die grossangelegte Salt-Kampagne und über «Seats for Switzerland».

Am 23. April 2015 gab sich das Telekommunikationsunternehmen Orange Schweiz den neuen Namen «Salt.» Mit der 40 Millionen teuren Herkulesaufgabe war Publicis, die langjährige Lead-Agentur von Orange, beauftragt. Unter strengster Geheimhaltung baute Publicis ab Herbst 2013 an der Marke Salt mit – und warb gleichzeitig weiter für Orange. Curdin Janett, CEO von Publicis, wurde am Donnerstag, 18. Juni 2015, von der Werbewoche zum «Werber des Jahres 2015» ernannt. Wir sprachen mit dem frischgebackenen «Werber des Jahres» über die Effie-reife Umsetzung der Salt-Kampagne. Was die Wahl zum «Werber des Jahres 2015» für Curdin Janett bedeutet, lesen Sie in der Werbewoche 12/13, die am 10. Juli erscheint.

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WW: Curdin Janett, Mitte Mai war ein Plakat zu sehen mit der Aufschrift «Salt. 6 Wochen Rückgabegarantie» Man tat also zwei Wochen nach der Lancierung so, also ob der Name Salt bereits in den Köpfen der Leute wäre. War das wirklich der Fall?
Curdin Janett: Tatsächlich hatten wir damals bereits sehr erfreuliche Umfragewerte, die uns erlaubten, über Angebote von Salt zu sprechen und gleichzeitig sicher zu sein, dass die Leute wissen, wer der Absender ist. Wesentlich dazu beigetragen hat das enorme Medienecho um die Lancierung. Sowohl die Tagesschau als auch jedes Regionalblatt haben darüber berichtet. Allein mit der bezahlten

Dennoch war die Botschaft «Orange heisst jetzt Salt» nur kurz zu sehen. Weshalb?
Die Absicht war, den Brand-Wechsel kräftig zu verankern, jedoch so kurz wie möglich, denn wir wollten schon bald sagen, wofür die neue Marke steht. Wir kommunizierten deshalb in vier Etappen: Zuerst sagten wir, dass es Orange nicht mehr gibt. Dann, wie es jetzt heisst, wofür es steht, und was die Marke anbietet.

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Wie kam der Name in der Bevölkerung an?
Zahlen darf ich keine nennen. Doch gemäss unseren wöchentlichen Umfragen gab es ermunternde Antworten, insbesondere auf die Fragen «Interessiert Sie diese Marke?» und «Wurden Sie zu dieser Marke wechseln?»

Waren mehr Neuabonnenten als Abkündigungen festzustellen?
Die Zahlen muss Salt kommunizieren, aber die Lancierung war generell ein voller Erfolg.

Worauf legen Sie denn aktuell das Gewicht in der Kommunikation?
Derzeit richten wir uns an alle, die ihre Handy-Rechnung nicht mehr monatlich erhalten wollen, sondern wie bei ihrem Mobilitätsabo lieber einen Pass oder eine Jahreskarte lösen. Die Headline lautet: «Pass. Das einfachste Abo der Schweiz.»

Wie gingen Sie bei der Kreation der Salt-Kampagne vor?
Wir wollten eine Marke kreieren, die nicht einfach grosse Versprechen macht. Deshalb casteten wir auch keine Models, sondern schickten fünf Fotografen auf die Pirsch. Sie sollten unbemerkt Menschen fotografieren, die gerade das Handy benutzten. Erst nachher haben sie sie informiert und um ihre Adressen gebeten. Als wir dann die Bilderauswahl vornahmen, kontaktierten wir die Personen erneut und sagten ihnen, für welches Werbemittel sie vorgesehen waren und dass wir ihnen etwas bezahlen, wenn sie der Verwendung zustimmen. Kurz: Wir wollten die Realität nicht nachstellen, sondern sie auf der Strasse suchen.

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Publicis ist schon lange die Lead-Agentur von Orange. Wann wurden Sie in den Aufbau der neuen Marke Salt einbezogen?
Schon im Herbst 2013. Beeindruckend war für mich, dass man zu Beginn nicht gleich Ubers Design sprach. Sondern darüber, was sich im Telekommunikationsmarkt und in der Gesellschaft verändert und wie man eine eigene Marke positionieren und nennen wurde, falls man die Möglichkeit dazu hätte. Anfangs war die Umsetzung ja noch nicht entschieden. Man fragte sich nicht, was einem gefällt, sondern was zur Marke passt, die wir bauten. Diese Strategie wurde konsequent verfolgt.

Waren Sie auch in die Namensfindung involviert?
Nur insofern, als wir dabei sassen. Die Namensfindung selbst und das Grund-Corporate-Design besorgte aber Prophet, eine renommierte Branding-Agentur.

Wie viele Personen waren seitens Publicis involviert?
Ganz zu Beginn waren es nur drei Personen – und das Team blieb recht klein bis Herbst 2014, als die konkrete Umsetzung begann. Denn das Projekt stand unter strenger Geheimhaltung. Wir gingen diesbezüglich sehr weit: Ein Geheimteam arbeitete parallel für Salt – mit Codenamen, in separaten Büros und auf separaten Servern. Denn für das Team, das für Orange weiter arbeitete, wäre es schlecht gewesen zu wissen, dass seine Arbeiten schon bald Makulatur würden.

Die Umbenennung war nicht nur eine Kommunikationsleistung, sondern auch eine gigantische Logistikaufgabe: 84 Shops mussten umgestaltet, eine Website aufgezogen, Firmenautos und Taxis neu beschriftet und Prospekte gedruckt werden.
Wir haben als eine Art Mischung aus Generalunternehmen und «Brand Guardian» funktioniert, insgesamt wurden 16 Firmen hinzugezogen. Einige waren schon vorher Partner von Orange, andere schlugen wir vor. So hat Blue Spirit die POS-Massnahmen umgesetzt und an einem Wochenende 84 Shops umgestaltet, Emakina und Divio waren für digitale Arbeiten zuständig. Und alle standen unter Geheimhaltung.

Dennoch ging die Spekulation über den Namen noch vor der Lancierung los.
Was meiner Meinung nach ganz gut war, weil dann bei der Lancierung nicht mehr nur über den Namen, sondern auch über erste Inhalte und Angebote gesprochen und geschrieben wurde.

Die Westschweizer Satiresendung «26 Minutes» hat bereits im Februar «Salt» als neuen Orange-Namen verkündet. Wie kam es dazu?
Ich gäbe viel darum, dies zu erfahren. Erstaunlich war auch, dass sie zwar den effektiven Namen wussten, dass es aber keine weiteren Kreise zog – wohl weil man annahm, dass es ein Witz war. Das Thema stand durch den Besitzerwechsel ja im Raum, und wenn Giacobbo/Müller den Beitrag gebracht hätte, wäre wohl auch nicht die NZZ aufgesprungen.

Wie verhindern Sie, dass «im Volk» ein Rückfall zu Orange stattfindet?
Einen Rückfall kann es nicht geben, sondern bloss die Situation, dass der alte Name nicht verschwindet. Doch je mehr ein Name über neue Angebote kommuniziert wird und dies erst noch auf neue Art, desto geringer ist diese Gefahr. Aber klar: Die Bekanntheit von Orange wird nicht in drei Wochen auf Null fallen, schon gar nicht in der Westschweiz, wo im Nachbarland nach wie vor eine sehr starke Orange existiert.

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Publicis ist die grösste Schweizer Werbeagentur. Ist Grösse – auch personell – Bedingung, um einen solchen Brand-Wechsel durchziehen zu können?
Für die Kreation spielt dies wohl nicht die entscheidende Rolle. Aber die Grösse war sicherlich ein Vorteil, als es darum ging, zwei Teams parallel arbeiten zu lassen.

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Für die Swiss-Kampagne «Seats for Switzerland» wurde Publicis mehrfach ausgezeichnet. Würden Sie sie kurz beschreiben?
Es ging darum, die Identifikation der Schweizer Bevölkerung mit der Swiss zu vertiefen. Weil die Swiss Menschen zusammen bringt, riefen wir die Menschen dazu auf, uns zu erzählen, wen sie am meisten vermissen und weshalb. Die Geschichten wurden auf einer Online-Plattform publiziert, und das Publikum konnte durch Abstimmung mitentscheiden, wem Swiss mit einem Gratisticket seinen Wunsch erfüllt.

Wie war der Rücklauf?
In kürzester Zeit gingen gegen 3000 bewegende Geschichten ein. Und das Schweizer Fernsehen machte eine Sendung dazu, welche die Swiss sponserte. Zusätzlich folgte letztes Jahr eine Kampagne mit sechs ausgewählten authentischen Wiedersehens-Geschichten: Menschen, die einem Angehörigen oder Freund in der Ferne einen Überraschungsbesuch abstatteten. Diese Wiederbegegnungen liessen wir von angehenden Filmregisseuren begleiten. Das Resultat waren Geschichten, die unter die Haut gehen. Wir zeigten die Kurzfilme am TV, in Kinos und auf Seatsforswitzerland.com, was der Kampagne eine grosse Aufmerksamkeit bescherte.

Publicis wurde dafür mehrfach ausgezeichnet…
Ja, beim Crossmedia Award 2014 erhielten wir Silber, beim ADC 2015 holten wir Gold im Film und die einzige Medaille bei den Gesamtkampagnen. Und wir hoffen, dass noch weitere internationale Auszeichnungen dazu kommen werden.

Zurück zur Salt-Kampagne: Ich gehe davon aus, dass Sie sie für den Effie anmelden werden.
Da bringen Sie mich auf eine Idee. Falls die Werte auch in sechs Monaten noch so gut sind, müsste die Kampagne tatsächlich einen Effie gewinnen.

Markus Knöpfli / afh

 

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