Managerin mit Drive

Vor viereinhalb Jahren übernahm Cornelia Harder bei Draftfcb/Lowe Group das Steuer. Die zielstrebige Geschäftsführerin hat die Agentur profitabel gestaltet und ihr zu kreativem Aufschwung verholfen.

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2008 gehörte Draftfcb/Lowe Group in der Liga der Kreativagenturen nicht zu den Top-Playern. Der Zusammenschluss von Draftfcb und Lowe lag noch nicht lange zurück, die Agentur befand sich im Wandel. Zwei Unternehmenskulturen mussten zueinanderfinden, alles stand auf dem Prüfstand. Genau der richtige Zeitpunkt für Cornelia Harder, bei Draftfcb einzusteigen. «Für mich war es eine schöne Herausforderung, die Agentur in eine neue Ära zu führen.» Die Managerin zieht es stets dorthin, wo sie etwas bewegen kann. Das war schon zu Beginn ihrer Karriere so, als sie beim Dachverband der Schweizer Milchproduzenten SMP die Marketingkommunikation verantwortete und gemeinsam mit Advico die erfolgreiche Werbemilchkuh Lovely aus der Taufe hob. Eine enorm schöne Zeit, wie Harder rückblickend sagt. «Ich hatte viel Handlungsfreiheit und konnte neue Konzepte und Kampagnen erarbeiten und begleiten.»

Aus ähnlichem Anlass wechselte sie 2005 von Publicis zur Publigroupe, um die Geschäfte der Publicitas Mittelland zu führen. Die Aussicht, dass bei der Publigroupe-Tochter ein Change-Prozess auf sie wartete, zog die Managerin auf die Vermarkterseite. Publicitas übernahm damals gerade die Anzeigenregie für die Zeitungstitel der AZ-Medien-Gruppe, die AZ-Verkaufsorganisation wurde in der Folge in die Publicitas-Filiale integriert. Verkäufer, die sich zuvor auf dem Markt bekämpften, sassen plötzlich im gleichen Büro. Dies war eine anspruchsvolle Managementaufgabe, die mit dem nötigen Feingefühl rasch gelöst werden musste. Eine Herausforderung nach ihrem Geschmack. Harder ist ambitioniert, zielstrebig und dynamisch.
 
«Mein Motto lautet ‹mehr Drive›», sagt sie. «In unserem Business muss man flexibel denken und agieren können.» Dass die Managerin derzeit durch eine Operation an der Achillessehne gezwungen ist, einen Gang tiefer zu schalten, stellt sie auf die Geduldsprobe. Mit dem Stiefel, eine Art riesiger Snowboardboot, der wie ein Gipsverband ihren Fuss fixiert, geht alles etwas langsamer. «Ich befinde mich momentan im Slow Modus», so Harder. Der sportliche Ausgleich zur Arbeit fehlt ihr. Sie, die gerne Tennis spielt und im Winter auf den Ski Tempo macht. Zu klagen, käme ihr allerdings nicht in den Sinn. Ein paar Wochen an Krücken gefesselt zu sein, damit wird sie locker fertig. «Ich habe ansonsten eine gute Konstitution und bin nie krank.»

Niederlagen wegzustecken, erneut aufzustehen und das Team zu Höchstleistungen zu motivieren, kennt die ehemalige Volleyballerin aus dem Sport. Diese Erfahrung kommt ihr im Geschäftsalltag zugute. Wenn es harzt, zeigt sie Ausdauer. Wenn etwas nicht auf Anhieb klappt, geht sie nochmals mit Elan dahinter. Nach einem Rückschlag steuert sie mit neuer Motivation in einen Pitch.

«Cornelia ist sehr ehrgeizig», sagt Executive Creative Director Dennis Lück über sie. «Aber nicht auf die verkrampfte Art. Sie setzt sich mit Freude und Positivität für kreative Arbeit ein.» Mit ihrem Spirit reisst die Agenturchefin ihr Team mit. «Cornelia versteht es, andere zu motivieren», so Lück. In heissen Phasen sorgt Harder dafür, dass alle am gleichen Strang ziehen. Im Gegenzug wird später zusammen gefeiert und der Kopf ausgelüftet. Erst kürzlich bei einem Wochenendausflug in Engelberg.

Ein guter Draht zur Kreation

Von traditionellen Hierarchien hält Harder nichts. Sie ist Teil des Teams, sei es bei Pitches als Coach und für den strategischen Input oder bei Kundenpräsentationen. Getreu ihrem Motto «One team one spirit ». Let’s go for it! Immer wieder schleichen sich im Gespräch mit ihr Worte aus dem Englischen ein. Neben Management-Ausdrücken flechtet Harder, die einst Publicis Lausanne als CEO geleitet hat, ebenfalls gerne französische Begriffe ein. Der finanzielle Turnaround ist Harder bei Draftfcb gelungen. Sie hat aufgeräumt und das Unternehmen profitabel gestaltet. Und auch kreativ mischt die Agentur vorne mit. Beim Kreativranking kletterte Draftfcb vom 15. auf den 7. Platz, beim ADC besetzt sie den 6. Rang.
 
Diesen kreativen Aufschwung hat Harder vor allem ECD Dennis Lück zu verdanken, der im Oktober 2011 von Scholz & Friends nach Wallisellen kam. «Seit Dennis bei uns ist, geht es kreativ aufwärts. Mit ihm pflegt die Geschäftsführerin eine enge Zusammenarbeit. «Wir sind uns gegenseitig wertvolle Sparringspartner. Da unser Geschäft auf kreativen Ideen basiert, ist die Teamarbeit matchentscheidend. Und dies nicht nur auf der Führungsebene, sondern in der ganzen Agentur.»

Ihren Kreativpartner hat sich die Managerin sorgfältig ausgesucht. «Ich habe ihn auf Herz und Nieren getestet», sagt Harder und lacht. Bevor Lück in der Agentur begann, hatte er zu beweisen, was er drauf hat. Wie in einem Kundenwettbewerb musste er auf einem definierten Briefing Konzepte und Claims entwickeln. Harder wollte sichergehen, dass der neue ECD konzeptionell stark und kreativ innovativ ist, aber auch menschlich mit seiner Auffassung ins Team passt. Es funktioniert: «Wir haben uns als Duo inzwischen auch innerhalb des weltweiten Netzwerkes kreatives Ansehen erschaffen und werden zurzeit mit internationalen Projekten belohnt », so Harder.

Allem voran verbindet Harder und Lück ihr Anspruch, aus einem Briefing mehr zu machen. «Das ist unser Credo.» Als BMW sich eine DIN-A5-Weihnachtskarte wünschte, hat die Agentur daraus einen erfolgreichen Viral entwickelt – die schnellste Weihnachtskarte gemalt auf dem Beifahrersitz eines BMW M5, der über die Rennstrecke brettert. Ein Jahr später folgte der schnellste Weihnachtssong mit einer A-cappella-Gruppe, der es hörbar schwerfällt, während der rasanten Fahrt den richtigen Ton zu treffen. Auch das Briefing des Theaters Rigiblick für einen Geschäftsbericht hat Draftfcb kreativ umgesetzt. Die Bilanz wurde in ein Bühnenstück umgeschrieben und inszeniert, der Geschäftsbericht zum Schluss in der Aufmachung eines Reclam-Heftes verteilt. Dass es bei Draftfcb kreativ vorwärts geht, wird in der Branche registriert. Für den Geschäftsbericht Theater Rigiblick gab es einen silbernen Cannes-Löwen und vom Art Directors Club einen Würfel in Gold und zweimal Bronze.

Für den schnellsten Weihnachtssong nahm Draftfcb einen bronzenen Löwen aus Cannes mit nach Hause. Ausdruck der stärkeren Visibilität ist nicht zuletzt Harders Nominierung als Werberin des Jahres. Für die Agenturchefin eine Überraschung – und eine Ehre. «Die Nomination ist eine Anerkennung meiner kontinuierlich guten Arbeit in der Schweizer Werbung. So lange an vorderster Front mitzuhalten – in einem hektischen Business wie der Werbung, in dem vor allem jung und erfolgreich zählt – ist keine Selbstverständlichkeit.» Nach vielen Jahren im Metier weiss Harder, wie der Karren läuft. Langweilig wird es ihr trotzdem nicht. Routine ist in ihrem Job inexistent. Das gefällt ihr. Dass die Volatilität durch den harten Preisdruck in der Branche allgemein zugenommen hat, kritisiert sie dagegen: «Ich wünsche mir, dass Ideen und geistiges Eigentum wieder mehr wertgeschätzt werden.» Dass der Margendruck auf Lieferanten abgewälzt werde, sei nicht ungewöhnlich. «Was uns aber missfällt: Wir werden in die gleiche Lieferantenschublade gesteckt wie ein Schraubenhersteller.

Der Einkauf kreativer Ideen wird gleich behandelt wie derjenige von zwei Tonnen Papier. Das ist absurd. Kreatives Gedankengut, das dem Kunden Mehrwert bringt, muss fair honoriert werden. Eigentlich müssten Agenturen Projekte, die nicht korrekt honoriert werden, schlicht ablehnen», meint Harder. Dass dieser Vorsatz einfacher gefasst ist als umgesetzt, weiss sie als Geschäftsführerin allerdings nur zu gut. Die Konkurrenz aus dem In- und Ausland schläft nicht. Und die Löhne wollen am Ende des Monats bezahlt sein. Die Ziele für Draftfcb hat Harder gesteckt: «Wir wollen mit den besten Kreativagenturen mithalten.» Als Agentur, die sich mit ausgezeichneter Autowerbung hervorgetan hat, empfiehlt sich Draftfcb für weitere Aufträge aus dieser Sparte. «Wir sind bereit für neue Autokunden», so Harder. Pläne für einen Standortwechsel bestehen ebenso. Bei Auslaufen des Mietvertrags im kommenden Jahr will die Agentur definitiv in die Innenstadt ziehen. Persönlich hat derzeit ihre Genesung Priorität. Im Sommer, so der Plan, wird Harder wieder den einen oder anderen Tennismatch bestreiten. Gleich im Anschluss lässt sie sich die andere Achillessehne operieren. Rechtzeitig, um zur Skisaison wieder einsatzbereit zu sein. Isabel Imper

In Kürze
Cornelia Harder leitet seit Juni 2008 die Geschäfte von Draftfcb/Lowe Group. Während ihrer Laufbahn arbeitete die ausgebildete Werbeleiterin sowohl auf Kunden- als auch auf Agenturseite. Beim Dachverband der Schweizer Milchproduzenten (SMP) war sie verantwortlich für die Marketingkommunikation und gilt als Geburtshelferin von Werbemilchkuh Lovely. Im Jahre 1995 überquerte Harder den Röstigraben und betreute bei der Publicis in Lausanne nationale Kunden wie Nestlé, L’Oréal oder Swiss Lotto. Nach sechs Jahren wurde sie auf den Posten des Managing Director Publicis Zürich beordert. In dieser Zeit war Harder zudem in den Branchenverbänden BSW Leading Swiss Agencies als Präsidentin und Vorstandsmitglied sowie in der SW Schweizer Werbung im Vorstand tätig.
 

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