Warte nie auf den Mediaplaner

Die Verlagstagung der Publimag suchte Antworten auf die Frage: «Kundenzeitschriften – Lust oder Frust?»

Die Verlagstagung der Publimag suchte Antworten auf die Frage: «Kundenzeitschriften – Lust oder Frust?»Von Andreas Panzeri Seit 1995 ist die Zahl der Kundenzeitschiften im deutschsprachigen Raum von 1700 auf über 3000 angewachsen. Insgesamt 457 Millionen Exemplare werden heute
pro Erscheinungsintervall verteilt. «Sind sie auch ein interessantes Medium für Anzeigenkunden?», fragte eine Talkrunde an der Verlagstagung der Publimag.
In der Schweiz geht die Publimag von über 400 Kundenzeitschriften aus. «Zwei Drittel der grössten 200 Unternehmen haben ein solches Magazin», präzisierte Stefan Staub bei seiner Begrüssung im Zürcher Kongresshaus. Die Potenziale seien noch lange nicht ausgeschöpft, weshalb laufend neue Firmen gegründet würden, die sich ausschliesslich auf Kundenzeitschriften spezialisierten.
Für viele Verlage seien solche Publikationen längst schon zu einem zweiten Standbein geworden. Die Gesamtauflage der Kundenzeitschriften übertreffe bei weitem die Tagespresse. Ist das heimliche Schwergewicht im Schweizer Blätterwald somit auch ein Geheimtipp für Mediaagenturen?
Bevor Andy Lehmann vom Mediahaus Seefeld zu dieser Frage eine ernüchternde Analyse abgeben wollte, hat Ulrike Röttger vom Publizistischen Institut der Universität Zürich erst die Ergebnisse einer Studie zum Thema «Die Kundenzeitschrift in der schweizerischen Medienlandschaft» präsentiert.
Durchschnittlich 4,5- mal pro Jahr erscheinen nach ihren Forschungen Kundenzeitschriften. Die erste wurde 1894 von der damaligen Kreditanstalt herausgegeben. Heute unterstützen die meisten in einem Crossmediasystem das Internet. «Diese interaktive Bedeutung wird aber von den meisten Firmen noch zu wenig gepflegt», weiss Röttger.
Sie fand auch heraus, dass Kundenzeitschriften vom Publikum nur ernst genommen werden, wenn sie einen Nutzwert für den Leser haben. Sie müssen journalistisch professionell gemacht sein und sollten exklusive Infos vermitteln oder allgemeine Infos «schneller und mit geringerem Aufwand rezipierbar machen». Am meisten Aufmerksamkeit können sie ernten, wenn sie Entwicklungen auch mit ihren negativen Seiten journalistisch thematisieren, statt mit einem veralteten PR-Konzept «positive Endresultate beschönigend darzustellen».
Fremdinserate würden bei den meisten Kundenzeitschriften als «ideal zur Refinanzierung» angesehen. Die Firmenzeitschriften glauben, ein gut definiertes Zielpublikum anbieten zu können.
Kundenzeitungen müssen proaktiv auf den Markt gehen
Spätestens hier musste Andy Lehmann einwenden, dass die Verleger von Kundenzeitschriften das Wort «Fremdinserate» sofort vergessen sollten. Ein sinnvoll platziertes Inserat dürfe sich nämlich nie «fremd» in einem Medium fühlen. In launiger Art demonstrierte dann Lehmann, dass auch die Idee mit dem klar definierten Zielpublikum bei Kunden- oder Mitgliedschaftsmedien dem Mediaplaner noch lange nicht eitel Freude bedeutet.
Die Zeitschrift der Briefmarkensammler richte sich zwar klar an Briefmarkensammler. Diese könnten sich aber vom pensionierten Bankdirektor bis zum Backfisch erstrecken, der Briefmarken mit Schmetterlingsmotiven sammle. Ähnlich soziodemografisch zerrupfen könne man auch das «Zielpublikum» der Coop-Zeitung, die in 60 Prozent aller Haushalte verteilt wird.
Lehmann appellierte deshalb an die Verleger von Kundenzeitschriften, dass sie das Konferenz-thema «Kundenzeitschriften – Lust oder Frust?» zuerst einmal im Sinne von «viel Lust für Arbeit» interpretieren müssten. Mediaagenturen vermissen neben einem Titelverzeichnis vor allem professionell brauchbare Daten. «Die grossen Verlagshäuser bieten viel mehr Service für ihre Anzeigenkunden», meint er.
Sein wichtigster Rat schliesslich an die Inserateverkäufer von Kundenzeitschriften: selber aktiv werden bei potenziellen Inserenten und nicht warten, bis ein Mediaplaner anrufen könnte.

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