IGEM Digimonitor: Mediennutzung in der Schweiz ist im Wandel

Die Mediennutzung in der Schweiz ist im Umbruch: Instagram überholt Facebook und ChatGPT wird zur beliebten Arbeitshilfe. Netflix und YouTube verlieren, dafür sind Podcasts im Aufwind – und klassische Medien legen wieder zu. Dies zeigt der aktuelle Digimonitor von IGEM und Wemf. Exklusive Expertenmeinungen dazu liefern vertiefende Videointerviews in diesem Beitrag.

Expertinnen und Experten im exklusiven Gespräch mit Werbewoche.ch über die wichtigsten Ergebnisse aus dem IGEM Digimonitor 2023.

 

(Grafiken: Digimonitor IGEM Wemf)

Gemäss Studie nutzen in der Schweiz 4,8 Millionen Personen (72% der Bevölkerung) mindestens gelegentlich eine Social-Media-Plattform. Die Hälfte davon folgt Influencer:innen, wobei die Mehrheit unter 40 Jahre alt ist. Dabei fällt auf, dass sich unter diesen Follower:innen kaum Personen mit einem Interesse für Politik befinden.

Leicht an Bedeutung gewinnt Social Shopping: 890’000 User:innen (13%) kaufen mindestens gelegentlich etwas direkt aus einem Social-Media-Beitrag, darunter vor allem Personen zwischen 30 und 40 Jahren.

Instagram überholt Facebook

Instagram legt im Vergleich zum Vorjahr um 150’000 User:innen zu und ist neu die beliebteste Social-Media-Plattform der Schweiz mit 2,9 Millionen Nutzer:innen (42,2% der Bevölkerung). Facebook verliert hingegen 180’000 User:innen und kommt nur noch auf 2,8 Millionen (41,7%). Dahinter folgen LinkedIn mit 2,0 Millionen (29%), Pinterest mit 1,5 Millionen (21%) und Snapchat mit 1,2 Millionen (17%). TikTok wächst leicht und erreicht 1,1 Millionen (16%). Twitter, nun mit dem neuen Namen X, verzeichnet nach einem geringen Verlust 740’000 User:innen (11%).

Der Altersdurchschnitt variiert stark: Die 290’000 User:innen von BeReal (4%) sind mit durchschnittlich 21 Jahren am jüngsten. Die User:innen von Snapchat sind im Schnitt 24 Jahre und jene von TikTok 27 Jahre alt. Bei Facebook und LinkedIn liegt der Altersdurchschnitt hingegen bei 46 Jahren.

ChatGPT wird über Nacht zum beliebten Tool

Der Hype um ChatGPT spiegelt sich in der Nutzung: Der KI-betriebene Chatbot hat in der Schweiz bereits über 1 Million User:innen (15% der Bevölkerung). 680’000 davon sind Männer und 360’000 Frauen. Damit gehören schon jeder fünfte Mann und jede neunte Frau in der Schweiz zum Nutzerkreis von ChatGPT. Vor allem bei jüngeren Personen hat sich das Tool durchgesetzt: Knapp die Hälfte aller Personen in Ausbildung nutzen ChatGPT. Das Durchschnittsalter liegt bei 28 Jahren.

YouTube, Netflix und Disney+ verlieren an Publikum

Die US-Marktführer im Video-Streaming verlieren in der Schweiz allesamt Marktanteile: YouTube büsst im Vergleich zum Vorjahr 370’000 Zuschauer:innen ein, bei Netflix sind es 300’000 weniger. Während YouTube bei Männern zwischen 35 und 54 Jahren Publikum verliert, wandern bei Netflix vor allem jüngere Männer unter 35 Jahren ab.

YouTube kommt aktuell auf 4,3 Millionen gelegentliche Zuschauer:innen (64% der Bevölkerung), Netflix auf 2,9 Millionen (43%). Disney+ hat nach leichtem Verlust 960’000 Zuschauer:innen (14%). Die weiteren ausländischen Anbieter haben alle relativ kleine Marktanteile: Twitch hat 450’000 Zuschauer:innen (6,6%), Amazon Prime Video 420’000 (6,2%), Sky 400’000 (5,9%), Apple TV Plus 350’000 (5,2%) und RTL+ 280’000 (4,1%).

Streaming: SRF, RTS und RSI vorne dabei

Unter den Streaming-Anbietern aus der Schweiz liegen die Websites und Apps von SRF/RTS/RSI mit 2,8 Millionen Zuschauer:innen (42% der Bevölkerung) klar an der Spitze, gefolgt von Play Suisse, dem Streaming-Portal der SRG, mit 1,3 Millionen (19%). Blue+, ehemals Teleclub, hat 420’000 (6,2%) und MySports 340’000 (5,0%) Zuschauer:innen. Die Swisscom blue TV App zählt 1,2 Millionen (18.4%), Zattoo 680’000 (10%) und die Sunrise TV App 620’000 Nutzer:innen (9,2%). Die Websites von privaten TV-Sendern zählen 580’000 Zuschauer:innen (8,6%) und Salt TV 250’000 (3,6%). Quickline TV und OnePlus, das Streaming-Angebot von 3+ und weiteren Sendern, haben beide knapp 200’000 Zuschauer:innen (2,9%).

Fernsehen bleibt «das» Massenmedium

Die Popularität des klassischen Fernsehens bleibet weiterhin ungebrochen: Mit 6,3 Millionen Zuschauer:innen (93% der Bevölkerung) schaut fast die ganze Schweiz fern. Damit ist das Publikum mehr als doppelt so gross wie bei Netflix. Zwei von drei Personen (63%) schalten täglich den Fernseher ein, und auch bei jüngeren Personen ist TV beliebt: 3 von 4 Personen unter 30 Jahren (71%) schauen mindestens einmal pro Woche, jede dritte Person sogar täglich (36%).

Der Fernseher bleibt mit knappem Vorsprung das wichtigste elektronische Gerät: 6,1 Millionen (90%) nutzen ein TV-Gerät und 6,0 Millionen ein Smartphone (88%). An das TV-Gerät angeschlossen ist am häufigsten eine Blue TV-Box von Swisscom (25%), gefolgt von der Sunrise TV-Box (inkl. UPC) (17%).

Werbung im Replay TV wird vor allem in der Romandie überspult

4,9 Millionen (72% der Bevölkerung) schauen mindestens ab und zu zeitversetzt fern. Besonders beliebt ist dies bei Frauen zwischen 35 und 54 Jahren. Am seltensten tun dies Männer unter 35 Jahren. 3,9 Millionen (57%) können zumindest auf einem Teil der Sender Werbung überspulen. Genutzt wird diese Funktion vor allem von Frauen zwischen 35 und 54 Jahren (69%) und Personen in der Westschweiz (62%).

Im Pay-TV ist Unterhaltung beliebter als Sport

Mit dem Erfolg von Netflix hat sich Pay-TV endgültig durchgesetzt. 2,5 Millionen (36% der Bevölkerung) bezahlen für Filme, Serien und Unterhaltung. Personen unter 35 Jahren und Personen mit höherem Einkommen sind am ehesten bereit, für Unterhaltungsangebote Geld auszugeben. Mit 1,2 Millionen (18%) zahlen rund halb so viele für Dokumentationen, auch dies vor allem Personen unter 35 Jahren.

Sportinhalte hingegen werden deutlich weniger nachgefragt: 900’000 Personen (13%) zahlen dafür mindestens gelegentlich, wobei die Nachfrage in der italienischsprachigen Schweiz überdurchschnittlich hoch ist (23%). Zwei Drittel des Publikums der Sportinhalte sind Männer. Personen unter 35 Jahren sind am ehesten bereit, dafür zu bezahlen – das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen.

Kinonutzung erreicht fast wieder Vor-Corona-Niveau

Die Kinosäle füllen sich wieder: 3,2 Millionen (47% der Bevölkerung) sind in den letzten sechs Monaten ins Kino gegangen. Das sind 570’000 Besucher:innen mehr als im Vorjahr. Schweizer Kinos erreichen damit 92% der Vor-Corona-Besucherzahlen.

Jüngere gehen häufiger ins Kino: Zwei von drei Personen unter 35 Jahren (65%) waren im letzten Halbjahr mindestens einmal dort. Besonders beliebt ist das Kino bei Personen mit höherer Ausbildung oder höherem Einkommen.

Teletext wächst um eine halbe Million Nutzer:innen

Der Teletext bleibt erstaunlich populär: Die Nutzung steigt gegenüber Vorjahr um 520’000 Personen. Gesamthaft informieren sich 2,5 Millionen (37% der Bevölkerung) mindestens gelegentlich via Teletext. 1,6 Millionen (23%) nutzen den Dienst sogar mindestens einmal pro Woche – jeder vierte Schweizer und jede fünfte Schweizerin. Bei Männern ist Teletext bereits ab 35 Jahren beliebt, bei Frauen steigt die Nutzung ab 55 Jahren. Der Altersdurchschnitt liegt bei 54 Jahren.

Teletext spricht vor allem Personen mit Interesse für Sport, Politik und Wirtschaft an sowie das Publikum von SRG, MySports und Blick TV.

Podcasts liegen im Trend

Podcasts sind weiter im Aufwind: Gegenüber dem Vorjahr steigt die Nutzung um 270’000 Personen. Von den total 2,9 Millionen (43% der Bevölkerung) sind die meisten Gelegenheitshörer:innen. Nur 400’000 Personen (6%) nutzen Podcasts täglich. Podcasts haben im Vergleich zu Musik-Streaming und Radio ein relativ junges Publikum: 54% der Personen unter 55 Jahren hören mindestens gelegentlich Podcasts und das Durchschnittsalter beträgt 44 Jahre. Die am häufigsten genutzten Podcast-Plattformen in der Schweiz sind jene von SRF/RTS/RSI (21%), Spotify (20%) und YouTube (16%). Damit steht die SRG erstmals an der Spitze. Für Personen unter 35 Jahren bleiben Spotify und YouTube jedoch die wichtigsten Podcast-Plattformen.

Spotify begleitet die Jüngeren durch den Alltag

Insgesamt hören 5,1 Millionen Personen (75%) mindestens gelegentlich Audio-Streaming. Die Websites und Apps von SRF/RTS/RSI sind mit 2,84 Millionen Hörer:innen (42% der Bevölkerung) über alle Bevölkerungsgruppen hinweg die populärste Audio-Plattform. Bei den jüngeren Generationen liegt dagegen Spotify klar auf Platz 1. Die Plattform gewinnt 140’000 neue User:innen hinzu und kommt nun auf 2,8 Millionen Hörer:innen (41%). 1,5 Millionen (23%) nutzen Spotify täglich, wobei sich fast zwei Drittel die werbefreie Bezahlversion leisten. Der Altersdurchschnitt beträgt 36 Jahre.

Radio knackt die 6-Millionen-Grenze

Das klassische Radio trotzt mit 190’000 neuen Hörer:innen der Streaming-Konkurrenz. Mit 6,1 Millionen (90% der Bevölkerung) hört die breite Masse Radio, 4 Millionen (59%) sogar täglich. Damit hat das Medium mehr als doppelt so viele Hörer:innen wie Spotify. Im Schnitt ist die Hörerschaft 51 Jahre alt, doch auch die Jüngeren hören Radio: 83% der Personen unter 35 Jahren gelegentlich und 35% täglich.

Fast 90% lesen News online, doch nur 20% bezahlen dafür

Die Schweizer:innen informieren sich auch sehr oft auf Online-News-Portalen: 5,8 Millionen (86% der Bevölkerung) lesen mindestens gelegentlich News im Internet. Schweizer Nachrichtenportale wie 20min.ch, Blick.ch oder Lematin.ch erreichen insgesamt 5,2 Millionen Personen (76%). 1.4 Millionen (20%) bezahlen für ein digitales News-Abonnement, wobei die Nutzung stark vom Einkommen abhängig ist.

Schweizer Bezahl-App Twint wächst dreimal stärker als Apple Pay

Mobile Bezahldienste verzeichnen ein enormes Wachstum und werden heute von 4,3 Millionen (64% der Bevölkerung) mindestens gelegentlich genutzt. Dabei gibt es einen klaren Marktführer: Twint liegt mit 450’000 neuen Nutzer:innen und 4,1 Millionen (60%) insgesamt in allen Bevölkerungsgruppen klar auf Platz 1. Das Durchschnittsalter der User:innen beträgt 45 Jahre. Apple Pay ist mit 160’000 neuen User:innen deutlich weniger gewachsen und verzeichnet aktuell 760’000 (11%). Google Pay hat um 100’000 zugelegt und kommt auf 340’000 (5%).

QR-Rechnung revolutioniert E-Banking

E-Banking ist für die grosse Mehrheit der Bevölkerung bereits Alltag. Mit einem Zuwachs von 380’000 neuen User:innen erledigen heute 5,4 Millionen (80% der Bevölkerung) ihre Bankgeschäfte online. 3,7 Millionen (55%) nutzen dafür teils auch das Smartphone. Mit der Einführung der QR-Rechnung scannen 870’000 neue User:innen QR-Codes. Bereits 5 Millionen Personen (74%) tun dies mindestens gelegentlich.

Krypto-Währungen verlieren an Bedeutung

Der Boom von Bitcoin & Co flaut ab: Mit 370’000 Personen (5% der Bevölkerung) nutzen 120’000 Personen weniger als im Vorjahr eine Krypto-Währung. Die Nutzer:innen sind im Schnitt 31 Jahre alt und zu drei Vierteln männlich. Männer unter 40 Jahren und mit höherem Einkommen sind überproportional häufig Nutzer von Krypto-Währungen. Knapp jeder fünfte Mann unter 40 Jahren besitzt eine Krypto-Währung.

Metaverse bleibt Zukunftsmusik

Das Metaverse konnte in der Schweiz noch kaum Fuss fassen. Nur 88’000 Personen (1,3% der Bevölkerung) nutzen mindestens gelegentlich ein Metaverse wie Decentraland oder The Sandbox, darunter 62‘000 Männer und 26‘000 Frauen. Mit 23 Jahren ist das Durchschnittsalter sehr tief.


Die Studie IGEM-Digimonitor erhebt seit 2014 jährlich die Nutzung von elektronischen Medien und Geräten in der Schweiz. Die Daten sind repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung ab 15 Jahren (6,8 Millionen Personen), weil auch Offliner:innen und Personen ohne Festnetzanschluss befragt werden. Die Telefon- und Onlinebefragung fand von Anfang April bis Mitte Juni 2023 statt.

Im Auftrag der IGEM Interessengemeinschaft elektronische Medien und der Wemf AG für Werbemedienforschung befragte Link 2’087 Personen, davon 1’052 in der Deutschschweiz, 797 in der Romandie und 238 in der italienischen Schweiz. Das Vertrauensintervall liegt bei maximal +/- 2,2 Prozentpunkten. Die italienische Schweiz wurde ausschliesslich 2021 und 2023 befragt. Deshalb sind Vergleiche zum Vorjahr nur auf eingeschränkter Basis (Deutsch- und Westschweiz) möglich. 

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