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Pressevertrieb Der Einzelverkauf der Schweizer Printmedien bröckelt bedenklich. Und das seit Jahren. Dies belegt ein Langzeitvergleich der K Group erstmals mit aller Deutlichkeit.

Pressevertrieb Der Einzelverkauf der Schweizer Printmedien bröckelt bedenklich. Und das seit Jahren. Dies belegt ein Langzeitvergleich der K Group erstmals mit aller Deutlichkeit.Zwar weiss man seit langem, dass es um die Kioskverkäufe der Printmedien nicht gerade zum Besten bestellt ist. Dass diese schon etliche Jahre so deutlich an Schwindsucht leiden, erschreckte die Zuhörer am Jahresmeeting des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbandes (SWA) aber dennoch. Laut den Ausführungen von Valora-CEO Reto Hartmann präsentiert sich die Entwicklung des Presseabsatzes in den vergangenen Jahren als Crash in Raten. In dieser Zeit schrumpfte das mit Presseerzeugnissen erzielte Umsatzvolumen von etwas mehr als 530 Millionen Franken im Jahr 1995 auf knapp 490 Millionen Franken im Jahr 2002. Dies entspricht einem Rückgang um ganze 40 Millionen Franken oder satte acht Prozent.
Kiosk: Beliebtes Shoppingziel
Trotz der schwindenden Rolle eines ihrer wichtigsten Standbeine konnte die K Group den Gesamtumsatz gleichwohl weiter ausbauen, nämlich von 1,39 Milliarden Franken im Jahr 1995 auf 1,64 Milliarden im Jahr 2002 – ein Wachstum von immerhin 18 Prozent. Möglich war dies nur dank überdurchschnittlichen Zuwachses bei den beiden anderen zentralen Umsatzträgern, Tabakwaren und Süssigkeiten.
Als besonders eklatant zeigen sich die sinkenden Verkäufe der Printmedien, wenn man den Absatz der grössten Tageszeitungen innerhalb der vergangenen fünf Jahre unter die Lupe nimmt. Seit 1998 (Index=100 Prozent) schrumpfte die Zahl der durchschnittlich pro Tag verkauften Exemplare auf 80 Prozent. Dabei ist sogar dieser tiefe Wert noch optimistisch, denn unter den eingerechneten Titeln finden sich solche wie der Blick. Mit seiner traditionell hohen Anzahl Exemplare, die über den Kiosk weggehen, drückt er die Trendkurve nachhaltig nach oben. Ohne den Blick wäre diese noch deutlich unter die 80-Prozent-Marke abgefallen.
Doch auch die Boulevardstütze Blick verkauft heute am Kiosk nicht einmal mehr 90 Prozent der Exemplare, die noch vor fünf Jahren weggingen. Noch viel dramatischer zeigt sich die Entwicklung für die anderen grossen Tageszeitungen. So verkaufte etwa der Bund Ende 2002 nicht einmal mehr 60 Prozent der Exemplare, die er noch im Januar 1998 am Kiosk absetzte. Und auch die NZZ und der Tages-Anzeiger rutschten unter die    70-Prozent-Marke ab.
Als einziger Überflieger in der allgemeinen Absatzschwäche konnte sich die Neue Luzerner Zeitung (NLZ) profilieren. Im Unterschied zu den anderen Zeitungen vermochte sie das Resultat von 1998 in den Folgejahren sogar mehrmals zu überbieten. Doch seit dem September 2001 scheinen die Höhenflüge auch für die NLZ Geschichte zu sein.
Was können die Verleger tun, um dem schicksalsschweren Absatzverlust am Kiosk Gegensteuer zu geben?
Dass die Wahl der Titelgeschichte und die Gestaltung der Frontseite hauptsächlich darüber entscheiden, ob eine Ausgabe weg- geht wie warme Semmeln oder unbeachtet liegen bleibt, ist klar. Darüber hinaus empfahl Hartmann zwei weitere Rezepte. Wobei das erste nicht ganz ernst gemeint war, als er an die Adresse der Verleger sagte: «Hört endlich mit den zu tiefen Preisen bei den Abos auf.» Hartmann rechnete vor, dass ein einzelner Abonnent pro Exemplar weniger bezahlt als die K Group, die vom gleichen Titel ganze Paletten bestelle. Damit sei das Abo viel zu attraktiv und schmälere die Potenziale am Kiosk über Gebühr.
Für die Verlage realistischer war hingegen der Vorschlag, den Erstverkaufstag eines Titels bewusster zu wählen. Und zwar so, dass dieser auf einen Tag mit hoher Kundenfrequenz am Kiosk fällt. Ein solcher Tag sei zum Beispiel der Mittwoch, der sich seit der Einführung des Mittwoch-Lottos zum Tag mit der zweithöchsten Besucherfrequenz gemausert hat (durchschnittlich 1,4 Millionen Kioskkunden) – noch mehr Leute kommen nur am Samstag (1,5 Millionen Kunden). Allein mit der Vorverschiebung des Erstverkaufstages auf den frequenzstarken Mittwoch habe die HandelsZeitung beispielsweise ihren Kioskabsatz verdoppeln können, rechnete der Valora-CEO einem staunenden Publikum vor.
Nur gerade das Boulevardblatt Blick – eine klassische Kioskzeitung – bewegt sich konstant oberhalb der (sinkenden) Verkaufskurve.
Umsatzanteile der Printmedien am KioskDer Anteil der Zeitung am Kioskumsatz bleibt mit 32,7 Prozent der höchste, hat aber im vergangen Jahr um 3,96 Prozent abgenommen. Positiv entwickelten sich die Umsatzanteile der Roman- und Rätselhefte: ihr Umsatzanteil wuchs um 3,78 Prozent.
Wenige bringen vielDie Titelvielfalt bei den Presseerzeugnissen macht zweifellos
die Attraktivität der Kioske aus – rund 4000 Titel liegen in den
grössten Verkaufsstellen auf. Für die Umsätze ist das riesige
Angebot allerdings wenig relevant. Denn allein mit etwas mehr als
einem Prozent (49 Titel) generiert die K Group 50 Prozent ihres
Presseumsatzes. Öffnet man den Fächer weiter, sind es immer noch «bloss» 489 Titel, die zusammen 80 Prozent Umsatz in die Kassen spülen. Das heisst, sämtliche übrigen 3512 Titel steuern lediglich 20 Prozent zum gesamten Presseumsatz bei. (dse)
SWA senkt MitgliederbeiträgeDer SWA wächst und wächst: Auch im vergangenen Jahr hat der Verband der Werbeauftraggeber wieder kräftig die Werbetrommel für Neumitglieder gerührt. Mit Erfolg, konnten doch nicht weniger als 26 Neumitglieder begrüsst werden, darunter Schwergewichte wie Roche (Pharma) Schweiz AG und Ford Motor Company (Switzerland) SA. Im Gegenzug waren 2002 lediglich vier Austritte zu beklagen. Rechnet man noch die beiden Zuzüger hinzu, die sich im laufenden Jahr für eine SWA-Mitgliedschaft entschieden haben – Bols-Cynar-Bal-lantine’s AG und Emmi Schweiz AG – kommt der Verband heute auf total 121 Mitglieder.
Die ständig wachsende Mitgliederzahl stärkt einerseits den Verband – und freut andererseits die einzelnen Mitglieder. Denn der immer grössere Mitgliederbestand machte es möglich, dass die Mitgliederbeiträge ab 2004 um fünf Prozent gesenkt werden können. Dies hat die Generalversammlung des SWA am Jahresmeeting vom vergangenen Donnerstag beschlossen.
Auch hinsichtlich der Teilnehmerzahl kann der neue SWA-Direktor Jürg Siegrist Erfreuliches vermelden: Mit 187 angemeldeten Personen wurden die im vergangenen Jahr gezählten 160 Teilnehmenden nochmals überboten. (dse)
Entwicklung Presseumsatz am KioskUm rund 40 Millionen Franken ist der Umsatz am Kiosk seit 1995 eingebrochen – Tendenz bis 2005: weiter sinkend.
Daniel Schifferle

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