McDonald’s CMO: «Transformation ist ein fortwährender Prozess»

McDonald’s gilt als eindrückliches Beispiel, wie Marken es gelingt, sich für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen und gerüstet zu sein für die Transformation. Jean-Guillaume Bertola, CMO McDonald’s Schweiz, und Matthias Kiess, CEO TBWA, im Interview mit m&k.

L.: Jean-Guillaume Bertola, CMO McDonald’s Schweiz, r.: Matthias Kiess, CEO TBWA.

m&k: Herr Bertola, Herr Kiess, McDonald’s ist eine Marke, die beispielhaft für Brands steht, die auch nach aussen tragen, dass sie stets mit der Zeit gehen: 2009 wurde das Logo grün gefärbt, es gibt immer mehr vegane Alternativen, 2022 gab es eine grosse CSR Kampagne – Meilensteine in der Markentransformation. Was steckt dahinter?

Jean-Guillaume Bertola: Als McDonald’s wollen wir nahe bei unseren Gästen sein und ihnen das Leben einfacher machen. Das Leben der Gäste ändert sich aber stetig, das heisst wir müssen diesen Entwicklungen mit- und vorausgehen. Und zwar in allen Bereichen: vom Produktangebot über die Verantwortung als Arbeitgeber und Einkäufer bis hin zum Marketing. Um diese Trends zu erspüren und zu verstehen, hören wir genau hin – bei unseren Gästen und Mitarbeitenden. Was gleich bleibt, sind unsere Werte: Service, Inclusion, Integrity, Community und Family. Ein kurzer Blick zurück: Vor rund 15 Jahren lautete unsere Ambition «Good Food Fast». Der Fokus lag damals stärker auf den Produkten sowie auf der Qualität der Zutaten und der Restaurants. Dies sollte sich auch in der Marke widerspiegeln, deshalb wurde die Hintergrundfarbe des Logos von Rot auf Grün gewechselt. Das auffällige Rot-Gelb passte nicht mehr zur Wertigkeit der Restaurants und des Angebots.

Seit mehr als 3 Jahren heisst unsere Ambition «Delicious feel-good moments easy for everyone». Das umfassende Gästeerlebnis steht im Mittelpunkt – nicht mehr die Produkte. Die Gäste sollen sich wohlfühlen, wenn die bei uns essen. Themen wie nachhaltigere Verpackungen, regionale Herkunft sowie soziales Engagement sind für die Gäste – neben dem Genuss – relevant. Aus diesem Grund haben wir die Kommunikation und den Brandauftritt weiterentwickelt.

Wie geht es weiter, welche Massnahmen sind noch geplant?

Jean-Guillaume Bertola: Wenn wir nah und relevant für unsere Gäste bleiben wollen, müssen wir unsere Marke und uns selbst stetig weiterentwickeln. Dies gelingt uns nur, wenn wir genau hinhören bei unseren Gästen sowie den Mitarbeitenden. Sie sind unsere Quelle der Inspiration und des stetigen Hinterfragens.

Auch die Anpassung des Sortiments erfordert Mut. Warum lohnt es sich für Marken, hier mutig zu sein und diesen Schritt zu gehen?

Jean-Guillaume Bertola: Aus meiner Sicht geht es weniger um Mut, sondern um die Bereitschaft hinzuhören, um den Willen sich stetig zu verbessern und die Ausrichtung auf den Gast. Die Marke darf nie Selbstzweck sein, sondern sie muss dem Gast Orientierung und Emotionen geben. Zwei Beispiele aus dem Sortimentsbereich: McDonald’s Schweiz hat seit mehr als 25 Jahren einen Veggie-Burger im Angebot. Klar wurde in all diesen Jahren seine Daseinsberechtigung diskutiert, doch wir haben auf die kleine, treue Fangemeinde hört. Aufgrund des Flexitarismus-Trends kündigte sich vor drei Jahren eine Veränderung an: Nun bieten wir alle unsere Pouletburger auch als Veggie-Variante an.
Das zweite Beispiel: Scharfe Produkte, die in unseren Nachbarländern immer ein Riesenerfolg waren, floppten bei den Schweizer Gästen. Deshalb haben wir vor 10 Jahren mit diesen Experimenten aufgehört. Bis uns letztes Jahr neue Insights gezeigt haben, dass sich der Geschmack in der Schweiz verändert hat. Heute sind unsere Spicy Chicken McNuggets und Spicy Burger richtige Renner.

Wie erwähnt, geht es heute nicht mehr nur den Genuss, sondern um das Erlebnis. Als wir vor mehr als 45 Jahren das erste McDonald’s-Restaurant hierzulande eröffneten, war Take-away und das Essen mit den Händen die grosse Sensation. Heute haben die Gäste neue Bedürfnisse nach Komfort und Verfügbarkeit. Aus diesem Grund haben wir unser Servicekonzept in den letzten fünf Jahren weiterentwickelt. In zwei Richtungen: Zum einen mit Service an den Tisch, wo der Gäste am Platz bedient wird, und zum anderen in Richtung Digitalisierung mit Bestellung via Smartphone oder McDelivery. Diese Veränderungen haben Mut und Kollaboration gebraucht und prägen das Markenerlebnis heute ganz zentral.

Welche Rolle spielt die Agentur dabei, eine Marke wie McDonald’s kommunikativ zu transformieren? Worauf kommt es dabei an, und was sind bzw. waren die grössten Herausforderungen?

Matthias Kiess: McDonald’s steht für feine Burger und knackige Pommes und gleichzeitig für noch so vieles mehr. In den letzten Jahren konnten wir deshalb mit McDonald’s die Balance zwischen Produkt- und Markenkommunikation mehr zu Gunsten der Marke verschieben. Das macht Spass und ist herausfordernd zugleich, denn die Business-Ziele von McDonald’s sind ambitioniert. Doch eben halt auch nachhaltig ausgerichtet. Es brauchte gegenseitiges Vertrauen, um eine langfristige Marken- und Kommunikationsstrategie zu leben. Und vor allem Vertrauen darauf, dass Absatz-Ziele durch eine markenorientierte Kommunikation nicht gefährdet sind, sondern nachhaltig gefördert werden. Wenn auch eher mittel- als kurzfristig. Dieses gegenseitige Vertrauen fusst auf unserer langjährigen, partnerschaftlichen Zusammenarbeit.

Der Fokus auf kulturelle Veränderungen und Innovationen prägen unsere tägliche Arbeit. Ein zentraler Baustein ist dabei die stärkere Fokussierung auf Social Media als Kanal, welcher der unmittelbare Draht zur begehrten und für McDonald’s besonders relevanten jungen Zielgruppe ist. Wir wollten und haben McDonald’s näher an die Leute gebracht, indem wir weniger von Unternehmen zu Konsumenten kommunizieren, sondern von Mensch zu Mensch. Dabei hilft es natürlich, dass McDonald’s eine starke Rolle in dieser Zielgruppe spielt.

Hinzu kommt der verstärkte Einsatz von Brand Experiences wie zum Beispiel durch Branded Gaming, welches wir dieses Jahr in dritter Auflage umgesetzt haben. Der grosse Erfolg gibt uns Recht: Die Bereitschaft der Menschen sich über den Konsum von Burgern hinaus mit der Marke auseinanderzusetzen ist gross, wenn wir ihnen mehr als Burger und Pommes bietet. Und das gilt on- wie offline.

Wie gelingt der Spagat zwischen den bekannten Markenwerten und neuen gesellschaftlichen Trends?

Matthias Kiess: Die McDonald’s-Werte – Service, Inclusion, Integrity, Community und Family – haben auch heute höchste Relevanz. Eventuell sogar mehr denn je. Deshalb ist die Verbindung der Marke McDonald’s mit den gesellschaftlichen Trends alles andere als ein Spagat. Zum Glück! Erst gemeinsam mit seinen Gästen kann die Marke McDonald’s einen Unterschied machen: zum Beispiel für weniger Verpackung und gegen Littering. McDonald’s engagiert sich mit den Gästen am Clean Up Day oder verzichtet auf Röhrli und Plastikdeckel im Restaurant. Hier können wir als TBWA\ durch eine inspirierende Kommunikation die Gäste aktivieren respektive Verständnis für Veränderung schaffen.

Noch ein weiteres Beispiel. Alle sind bei diesem Brand willkommen: von jung bis alt, mit grossem oder kleinem Portemonnaie und Singles genauso wie Familien. Filme wie «Das Familienrestaurant», den wir für McDonald’s konzipierten und umgesetzt haben, sind im heutigen Zeitgeist nicht nur zuhause, sondern beziehen klar Stellung zur Gleichstellung und positionieren McDonald’s – analog zum Markenkern – als das Restaurant für alle.

Inwieweit testen Sie vorab, wie Änderungen bei den Zielgruppen ankommen?

Jean-Guillaume Bertola: Bei uns steht der Gast im Mittelpunkt. Deshalb nutzen wir nicht nur Befragungen, Beobachtung und Auswertungen von Nutzerverhalten für die Insight-Gewinnung, sondern auch schon vor der Markteinführung von neuen Rezepturen oder Erlebnis-Promotionen. Wir kombinieren dabei verschiedene Formate: Von Diskussionsformaten zu Konzeptansätzen über Analysen basierend auf Neuromarketing bis hin zu realen Tests direkt im Restaurant. Diese Kombination der Insights bringt uns näher zu den Gästen. Die Tests können zu Beginn des Projekts stattfinden, um die Richtung zu bestimmen, die wir einschlagen wollen, oder später im Verlauf des Prozesses, um die endgültige Lösung zu validieren, die wir umsetzen wollen.

Das Motto unserer Kampagne rund um unser Engagement «Zäme en Unterschied mache» haben wir so entwickelt und getestet. Wichtige Anpassungen auf diesem Weg: Von Englisch zu den Landesprachen, vom Appell «Let’s change» zum gemeinschaftlichen Handeln. Dieses Gemeinschaftliche zwischen McDonald’s, den Partnern, den Mitarbeitenden und den Gästen war für die Schweiz ganz entscheidend.

Matthias Kiess: Zentral ist für uns die rückwärtsgerichtete Erfolgsmessung: Mit McDonald’s monitoren wir, wie die Kampagne in Bezug auf die verschiedenen Ziele funktioniert und leiten daraus Erkenntnisse für die nächste Kampagne ab. Eine Erfahrung abseits der Tests: Solange wir aus der Perspektive des Zeitgeistes, und damit aus der Sicht der Gäste denken, können wir ziemlich sicher sein, dass die Aktivitäten funktionieren.

Wann ist es überhaupt Zeit für einen Wandel in Form eines Rebrandings? 

Jean-Guillaume Bertola: Rebranding ist eine einmalige Massnahme, bei der eine bestimmte Marke einen radikalen Wandel in der Art und Weise vollziehen muss, wie sie bei ihrer Zielgruppe ankommt, mit dem Ziel, die Wahrnehmung der Marke zu verändern. Bei McDonald’s betrachten wir die Entwicklung unseres Markenerlebnisse nicht als Rebranding. Vielmehr ist es ein fortwährender Prozess, in dem wir immer wieder prüfen, wie wir unsere Gäste noch besser oder wieder neu begeistern können und gleichzeitig einen Unterschied machen können für Mensch und Umwelt.

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