Google reicht die Hand

Google Schweiz bietet mit Partnern ein breit angelegtes Digitalisierungsprogramm mit kostenlosen Tipps und Trainings für Schweizer KMU an, um in diesen geschäftskritischen Zeiten konkrete Hilfestellungen bieten zu können. m&k hat mit Google-Schweiz-Chef Patrick Warnking über die Initiative «Google Atelier Digital – Gemeinsam Chancen nutzen» gesprochen.

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Patrick Warnking ist seit 2011 Country Manager von Google Schweiz.

m&k: Patrick Warnking, entdeckt Google die Schweizer KMU oder erkennen die KMU endlich die Chancen, die Google ihnen in Sachen Digitalisierung bietet?

Patrick Warnking: Digitalisierung hat bei den KMU ja schon seit Jahren angefangen, aber sie hat definitiv jetzt einen massiven Schub bekommen. Wir haben gesehen, dass die Nachfrage vor allem nach Weiterbildung rund um digitale Themen, digitales Know-how, Marketing-Know-how, aber auch digitale Werkzeuge massiv angestiegen ist. Trainings zu digitalen Themen bieten wir zwar schon seit acht Jahren an. Aber vergangenen Sommer haben wir erstmals eine «Summer Academy» durchgeführt, hierbei haben wir in Zeiten der Pandemie einen massiven Zulauf bekommen.

 

Die Corona-Pandemie war also ein längst fälliger Weckruf?

Ja, es ist noch offensichtlicher geworden, dass die beiden Kanäle online und offline sehr eng verzahnt miteinander sind und zusammenspielen. Ich glaube, für die meisten Produkte und Dienstleistungen geht es jetzt nicht nur um Entweder-oder, sondern sie sinnvoll zu verbinden. Dies wurde signifikant relevanter für die KMU während des Lockdown, wo ein persönlicher Besuch von Geschäften nicht möglich war. Das hat man lokal und regional gesehen, im Detailhandel, aber auch im Tourismus. Diese Verzahnung von on- und offline wird das neue Normal. Wir haben mit der Initiative auch Zahlen veröffentlicht, die belegen, dass die Suche nach Antworten in bestimmten Bereichen massiv angestiegen ist.

 

Wo besteht Ihrer Meinung nach bei den KMU in Sachen Digitalisierung am meisten Nachholbedarf?

Es fängt an mit der digitalen Visitenkarte, der Internetseite. Entscheidend ist, dass diese schnell lädt. Erstens, der Benchmark hier ist drei bis vier Sekunden Ladezeit; zweitens, die Internetseite muss für das Smartphone optimiert sein. Über 50 Prozent der  Zugriffe auf das Internet finden inzwischen über Smartphones statt, und eine Website muss für ein Smartphone anders gebaut sein als für den Desktop. Und das dritte ist das Thema Arbeiten mit Video. Viele Menschen möchten sich über Produkte und Dienstleistungen mit einem Video informieren, und noch sehr wenige KMU haben Videos in ihrem Angebot, um ihre Produkte und Dienstleistungen besser zu erklären.

 

Es ist zu beobachten, dass gerade der stationäre Handel in den Innenstädten ziemlich unter Druck geraten ist, mit der erhöhten Nachfrage nach E-Commerce. Immer mehr Spezialgeschäfte müssen schliessen. Inwiefern sehen Sie diese Partnerinitiative hier als Gegenbewegung? Möchten Sie die Verbindung on- und offline bewusst pushen nach dem Motto Best of both worlds?

Definitiv. Wir glauben, dass beides in Zukunft wichtig bleibt, sowohl das Digitale als auch das Stationäre. Wir möchten mit der Initiative Werkzeuge zur Verfügung stellen, damit Unternehmen auch ihren stationären Handel stärken können. Konkrete Beispiele sind zum einen die Einträge in Google My Business. Es ist wichtig, dass Kunden sehen können, wie die Öffnungszeiten von stationärem Handel sind. Wir sehen, dass das einen grossen Teil der Suchanfragen ausmacht. Vielleicht wissen Kunden nicht auswendig, ob der Baumarkt jetzt am Samstagabend bis 18, 19 oder 20 Uhr auf hat und möchten das schnell nachgucken. Das ist sehr einfach mit Google My Business und es ist kostenlos.

Der zweite Punkt ist, dass wir jetzt, auch im Rahmen der Initiative, eine neue Werbeform annonciert haben, speziell für Dienstleistungen, sogenannte «Anzeigen für lokale Dienstleistungen». Dort können Kunden Uhrzeiten vereinbaren, um sich vor Ort beraten zu lassen. Das Dritte ist, dass sie die Möglichkeit haben, mit Google Shopping Anzeigen letztlich anzeigen zu lassen, welche Produkte vorrätig sind im Laden. Also, es gibt eine technische Schnittstelle zu der Lagersoftware von einem stationären Händler und sie können sehen, welches Produkt ist zu welchem Preis an welchem Ort verfügbar. Der Händler muss nur bezahlen, wenn da wirklich jemand draufklickt; die Anzeige ist kostenlos. Das sind alles Massnahmen und digitale Werkzeuge, die helfen, den stationären Handel zu stärken und auch zu helfen, dass Menschen weiterhin in Geschäfte gehen.

 

Für KMU dürfte das Stichwort «kostenlos» interessant sein, wobei sich hier die Frage stellt: Ab wann kostet es doch etwas?

Also wir haben schon immer ein sehr hohes Interesse daran gehabt, dass Werbekunden von Google genau nachvollziehen können, was eine Werbung mit Google kostet, und was eine Werbung mit Google bringt. Wir rechnen ja in der Google-Suche nach Klicks ab. Das heisst, nur wenn ein*e Interessent*in auf einen Link klickt und in dem Fall zum Händler kommt, nur dann muss für diesen Klick bezahlt werden und der Händler kann sofort nachrechnen, was mich ein Klick kostet und was mir ein Klick bringt. Kein Händler muss eine Verpflichtung über ein Investment eingehen; es gibt also keine Bindung oder ein Mindestinvestment. Sie können das ganz flexibel handhaben mit Tagesbudgets oder Monatsbudgets, sodass sie sicher sind, dass sie nie mehr bezahlen und investieren, als sie eigentlich möchten. Google ist über die Jahre dadurch gewachsen, dass es der transparenteste Marketing-Kanal ist. Und was hier in der Initiative eine grosse Rolle spielt, ist, dass wir mit den Partnern zusammenarbeiten, die sehr eng die Interessen ihrer KMU vertreten und sehr genau darauf achten, dass die Dinge, die wir mit ihnen anbieten, auch wirklich im Sinne und zum Nutzen der KMU sind.

 

Die Initiative scheint vor allem auf B2C ausgerichtet zu sein. Was bietet die Partnerinitiative für den B2B-Sektor?

Zum einen gibt es dort Google-Werkzeuge, wie zum Beispiel «Google Meet»-Videokonferenzen, die man nutzen kann. Im B2B-Segment ist es wichtig, eine Videokonferenz abhalten zu können. Es gibt die G-Suite-Kollaborations-Tools, Google Suite für KMU und die G Suite für Start-ups. Das sind Internet-basierte Tools, die es einfach machen, mit Geschäftspartnern über das Internet zu kommunizieren. Und dann gibt es zusätzliche Tools und Werkzeuge von uns im Bereich Cloud, im Bereich Artificial Intelligence oder Machine Learning. Es gibt Tools im Bereich Cybersecurity. Ich würde vor allem noch als letzten Punkt hervorheben, dass gerade im B2B die digitalen Kanäle für den Export eine Rolle spielen.

 

Die Switzerland Global Enterprise ist natürlich auch vor diesem Hintergrund mit im Boot, oder?

Absolut, ja. Das ist natürlich eine Chance für B2B-KMU, die international unterwegs sind, dass es jetzt in der Krise, wo sich vieles auf digital verlagert, einfach neue Möglichkeiten gibt, über die digitalen Kanäle auch im Ausland neue Kunden zu finden und mit den bestehenden Kunden enger zu kommunizieren.

Google_Warnking_Hauptbild©SLiphardt

Sprechen wir über die Datenmengen, die Google generiert und auch entsprechend nutzt. Viele KMU schrecken davor zurück. Was sind Ihre Strategien, um KMU da zu beruhigen?

Wir versuchen, in allen Bereichen die Einstiegshürden zu senken und arbeiten genau deshalb mit Partnern, weil die sehr eng an den KMU dran sind. Localsearch hat eine grosse Vertriebsmannschaft, die regional vor Ort ist bei dem KMU und auch persönliche Gespräche anbietet. Das heisst, wir bieten unter anderem Localsearch Weiterbildung an, die dann individuell Lösungen für die KMU zuschneiden können und diese KMU auch lokal beraten können. Wir glauben, dass wir der transparenteste Marketing-Kanal sind und vielleicht auch der demokratischste, weil eigentlich jeder Zugang haben kann und sich das Wissen sehr einfach aneignen kann. Die Kurse dafür stellen wir kostenlos zur Verfügung.

 

Für mediales Aufsehen hat in den letzten Monaten Googles Analyse von Bewegungsprofilen der Menschen gesorgt. Wie können KMU das für sich nutzen?

Um als KMU Marketing-Aktivitäten zu evaluieren, möchte ich auf Google-Trends hinweisen. Dort können Unternehmen, ohne sich einzuloggen, regional oder lokal kostenlos nachschauen, wie sich aggregierte, anonymisierte Suchanfragen verhalten. Also sie können genau analysieren, nach welchen Themen, auch nach welchen Marken wie viel in welchem Zeitraum gesucht wurde. Wir demokratisieren dort die Suchanfragen und machen sie komplett transparent, sodass jeder Händler und jeder Kunde davon profitieren kann.

 

Viele sagen, Corona bedeute einen Digitalisierungsschub. Aber wenn man genau hinsieht, merkt man oft: Analoge Prozesse werden mit digitalen Tools improvisiert. Was muss in der Schweiz geschehen, damit echte Digitalisierung etabliert werden kann?

Ich glaube, ein wichtiger Punkt, den man beschleunigen muss, ist das sogenannte lebenslange Lernen. Dort haben wir uns im letzten Jahr sehr stark eingesetzt und haben mit Digital Switzerland und anderen Verbänden die Initiative «LifeLongLearning» lanciert. Ich glaube, das ist besonders für die KMU wichtig, weil die KMU sich es im Zweifelsfall nicht leisten können, noch zusätzliche Digitalexperten einzustellen, wie das vielleicht grosse Unternehmen können; sondern die KMU sind darauf angewiesen, dass sie bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei den digitalen Themen weiterbilden, und dazu muss in der Geschäftsleitung die Bereitschaft vorhanden sein, den Menschen dafür Zeit zusätzlich zur Verfügung zu stellen, weil das geht nicht einfach on top für jeden. Man kann, glaube ich, nicht erwarten, dass Menschen, die sowieso schon viel arbeiten, sich dann noch am Abend oder am Wochenende intensiv weiterbilden, sondern ich glaube, die Geschäftsleitung ist gefordert, dort Freiräume zu schaffen, in denen diese Weiterbildung stattfinden kann, damit im eigenen Unternehmen das Know-how aufgebaut wird und wie sie sagen, die digitalen Prozesse weiter beschleunigt werden.

 

Es wächst eine digital agile Generation heran – die kommen mit einer bereits hochentwickelten digitalen Expertise. Wie kann man die Digital Natives besser in bestehende KMU-Strukturen integrieren? Kann Google da unterstützend hinwirken?

Ich glaube, dass man zwei Dinge tun sollte als KMU-Geschäftsleitung. Das eine ist, zu überlegen, wie man die Unternehmenskultur weiterentwickelt, sodass sie auch für die Digital Natives interessant ist; dazu gehört, dass man flexible Arbeitszeiten und Orte anbietet, aber auch Themen wie Diversity und Inclusion aufnimmt sowie das Thema Empowerment. Dazu gehört, die Mitarbeitenden miteinzubeziehen in Entscheidungen, ihnen Einblick in die Geschäftsentwicklung zu gewähren. Das macht auch ein KMU noch interessanter für die junge Generation.

 

Und der zweite Tipp?

Die Weiterbildung. Zum Beispiel das Arbeiten mit Video. Wenn ich Geschäftsführer eines KMU wäre, ich würde einen kleinen Videowettbewerb starten und sagen – ihr macht Zwei-Personen-Teams und eure Aufgabe ist, ein 60-Sekunden-Video über Produkte oder Dienstleistungen aus unserem KMU zu erstellen – und dann macht man einen Apéro – und alle Zwei-Personen-Teams präsentieren ihre Videos. Das gibt eine gute Dynamik zwischen den jungen Digital Natives und den Mitarbeitern, die schon lange im Beruf sind.

 

Wie vermitteln Sie Ihren Kindern den Umgang mit Daten?

Wir haben fünf Kinder im Alter zwischen 11 und 19 Jahren. Man muss sich als Erwachsener fortbilden und sich mit den technischen Möglichkeiten vertraut machen, die man hat. Meine Frau und ich, wir setzen uns regelmässig mit den Kindern hin und besprechen ihren Digitalkonsum, und zwar sowohl die Quantität als auch, auf welchen Kanälen sie unterwegs sind. Das kann man nicht an die Schule delegieren, sondern da müssen sich Eltern mitbeschäftigen.

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