Die Senkrechtstarterin

In den neuen Räumen des Art Directors Club Schweiz hat sich gleich zu Beginn auch eine neue Geschäftsführerin aufgestellt. Gioia Bozzato führt nun seit zwei Jahren die Positionierung «The Leading Creatives in Communication» weiter auf Kurs Richtung Zukunft. Mittlerweile ist ihr herzliches Lächeln nicht mehr aus der hellen Räumlichkeit wegzudenken.

Gioia Bozzato ist als Geschäftsführerin des ADC vordergründig darum bemüht, den Club weiter zu öffnen und so vermehrt auch Designer, Fotografen, Illustratoren, Architekten, Filmer, Musiker, Kreative aus dem Digitalbereich und Strategen anzusprechen sowie Neumitglieder aus anderen Bereichen und aus anderen Regionen wie der Westschweiz zu gewinnen. «Der Raum des ADC soll stärker zu einem Begegnungs- und Diskussionsort werden», so ihre Überzeugung. Daher ist sie stets bestrebt, die Räumlichkeit durch zahlreiche Ausstellungen, Lesungen und Events umzufunktionieren. «Davon profitieren auch zahlreiche Partner und Sponsoren», fügt sie noch an.

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Begonnen hat alles mit dem Einstieg nach der Matura als Werbe-Assistentin bei GGK Küsnacht. Relativ schnell darauf hatte Gioia Bozzato die Möglichkeit ergriffen, mit Remy Fabrikant in Paris die für die GGK in der Schweiz entwickelte Kampagne für IBM zu präsentieren. Sie haben damit das Europa- Budget gewonnen, woraufhin ein Team zur «GGK International» zusammengesetzt wurde, um die Europa-Kampagne zu führen. «Das war mein Start: GGK», fasst Gioia Bozzato kurz zusammen. Gioia bedeutet übrigens Glück (Freude), wonach dieser Einstieg auch ein wenig klingt. Doch vielmehr steht hinter Gioia Bozzatos Laufbahn ein ganz anderer Faktor: Das Glück bei den Hörnern zu packen. Denn nicht nur ist Bozzatos Lebenslauf eine fortwährende Weiterentwicklung und Fortbewegung, sie hat es sich auch nicht gemütlich gemacht in ihren Positionen und jede Veränderung als Chance genommen für einen Neuanfang.

Geplant war lediglich ein Sommerpraktikum…

Vor ihrem Einstieg bei GGK studierte Gioia Bozzato Politische und Sozialwissenschaften in Genf, wo sie auch aufgewachsen ist – in Zürich geboren, aber in Genf aufgewachsen. Sie plante das vierjährige Studium «Hautes Etudes Internationales» mit der Idee, vielleicht im Diplomatenbereich einzusteigen. Daher zumindest wählte sie diese Richtung der Politikwissenschaften. «Ich wusste aber eigentlich noch nicht so recht, was ich schlussendlich wirklich machen würde», fügt sie an. In der Soziologie studierte sie das Verhalten von Menschen gegenüber Kommunikation. «Das fand ich noch spannend», sagt sie, wollte dann aber doch erst mal ein Sommerpraktikum in einer Werbeagentur starten. Nach einigen wenigen Bewerbungen landete sie über Paul Gredinger (damals GGK) bei Hermann Strittmatter (Gründer GGK Zürich) zu einem Gespräch. Strittmatter wollte zwar kein Praktikum vergeben, sie aber gleich fest einstellen. So brach sie ihr Studium ab, mit der Idee, das vielleicht ein Jahr oder zwei zu machen. Dass sie ihr Studium so furchtlos auf Eis legt, kam nicht nur gut an: «Mein Vater fand das natürlich gar nicht gut», lacht sie. Die Message von zuhause wäre dann auch klar gewesen: «Dann musst du dich jetzt selber um dich kümmern.» Aber diese Message wäre auch richtig gewesen, daher habe sie das Ganze dann auch angepackt.

Dann kam alles anders als geplant: Nach einem Jahr Paris für GGK kam sie wieder in die Schweiz und ging zu Euro RSCG (heute Havas). Ein Angebot für ein McDonald’s-Mandat von McCann holte sie zurück nach Genf. Heinz Flückiger (ehemaliger Geschäftsführer von McCann Schweiz) habe sie in dieser Zeit sehr gefördert, betont Bozzato. Weitere Agenturen folgten, das Beratungsportfolio der von ihr betreuten Kunden und Produkte wuchs, bis Sohnemann Guy ungefähr zwei Jahre alt war. In dieser Phase erfuhr sie über einen Geschäftskollegen, dass der Gemeinnützige Frauenverein Zürich eine Fachkraft für Kommunikation und Werbung sucht. Die damalige Geschäftsführerin hatte ihre Laufbahn ebenfalls bei der GGK Zürich begonnen. So war auch ihr Vorgesetzter Hermann Strittmatter gewesen. Das hat sich ausgewirkt: «Bereits als wir uns kennenlernten, hat es sofort gepasst, wir haben dieselbe Sensibilität für Grafik und Branding – wir sind durch die gleiche Schule», erzählt Gioia Bozzato. Sieben Jahre war sie daraufhin als Kommunikationsund Marketingleiterin beim Gemeinnützigen Frauenverein Zürich. Sie konnte in dieser Zeit die gesamte Kommunikationsstruktur des privaten Anbieters von Kinderkrippenplätzen, intern als auch extern, aufbauen. «Da ich selber in dieser Zeit Mutter eines zweijährigen Kindes war, hat mich diese Aufgabe auch deshalb noch zusätzlich sehr interessiert», führt Bozzato an. Sie habe ihr Kind selber auch in die Krippe gegeben und so Beruf und Privatleben sehr gut verbinden können.

Managerin des ADC Schweiz
 
Als Frank Bodin sie vor zwei Jahren anfragte, ob sie die Geschäftsführung des ADC übernehmen möchte, brachte sie das kurz zum Nachdenken. Mit einigen Mitgliedern des ADC hat Bozzato bereits zusammengearbeitet in den 15 Jahren vorher. «Du hast schon vieles zusammen erlebt, das verbindet», erzählt Bozzato. Auch mit Frank Bodin und Rémy Fabrikant habe die Zusammenarbeit immer sehr gut funktioniert, daher wäre die Anfrage auch kein Zufall gewesen. Als dann am gleichen Tag noch die Besichtigung des neuen Raumes stattfand, war für sie die Entscheidung gefallen. «Ich dachte, da kann man sicher etwas machen. Und ich packe gerne Sachen an», begründet sie letztendlich den Entscheid. Nach dem Einstieg in die Geschäftsführung vor zwei Jahren baute Gioia Bozzato den Raum um, kurz darauf begann auch schon die erste Jurierung und Gala. Dann ging alles ziemlich schnell, «also gleich ins kalte Wasser», wie sie sagt: Angefangen mit der Einweihung der Galerie, über Frank Bodins Ausstellung, bis hin zu Bozzatos erster Idee, die Einreichungen für den Young Creatives Award in der Galerie auszustellen – nachdem der Youngster-Wettbewerb neu beim ADC angesiedelt wurde. Dazu kamen schon zahlreiche Ausstellungen, eine Buchvernissage von Hans Peter Riegels Biografie über Beuys oder die Filmvorführung von Alberto Venzagos Film «Gergiev – a certain madness». «Das war sehr spannend, weil anders», erzählt Bozzato. Vor allem weil der Raum sich genau für solche Veranstaltungen sehr gut anbiete. Und genau dies auch die Öffnung sei, welche der ADC mit der neuen Positionierung angegangen sei. «Das Programm ist nicht nur Werbung », betont Bozzato. Zudem sei sie jetzt auch daran, die Westschweiz stärker mit einzubeziehen. Das heisst, eine Pressemitteilung auf Deutsch kommt von Gioia Bozzato immer auch auf Französisch. «Denn die Westschweiz gehört auch dazu», betont sie.  

Dies betrifft auch das aktuelle Projekt Nummer eins, die Digitalisierung: Die Digitalisierung umfasst nicht nur die neue Website des ADC, sondern auch einen neuen webbasierten Einreichungsprozess inklusive digitaler Jurierung für die alljährlichen ADC Awards und ab diesem Herbst auch für den Young Creatives Award. Auch die Social- Media-Auftritte des ADC wurden neu geschaffen, um somit zu einer inspirierenden Plattform für die Kreativwirtschaft zu sein. Seit einigen Wochen gibts alle vom ADC 2014 ausgezeichneten Arbeiten erstmals als iPad-App. Und alle, die die 196 prämierten Arbeiten lieber gedruckt anschauen und aufbewahren, können das neue ADC-14-Buch auch in klassischer Buchform bestellen. Wenige Computeranschläge genügen und schon wird einem eine elegante Print-on-Demand-Lösung nach Hause oder ins Büro geliefert. Aktuell ist Gioia Bozzato an der Fertigstellung der französischen Website. Und auch die ADC/bsw-Kreativschule wird gemeinsam in den Räumlichkeiten des ADC durchgeführt.

Immer aktiv, selten Pause
 

Gerade hat Gioia Bozzato eine Woche in Antalya verbracht. Sie, die sonst permanent beschäftigt ist und nur selten zur Ruhe kommt, lehnt sich entspannt und braungebrannt zurück: «Ich habe alle Zeit der Welt», meint sie trocken, aber herzlich. Auch wenn ihr der Job viel an Zeit und Einsatz abverlangt, ist sie doch immer noch daran interessiert, Neues zu lernen. Denn in ihrer positiven Schwingung und dem starken Drang, anzupacken, sei es dann sehr schwierig, anzuhalten und den Moment zu geniessen. Doch «man lebt nur einmal», fügt sie an, «hey, aufstehen am morgen und denken; schön!». Sie versuche, diese Seite wieder bewusster zu leben: «Wir haben ein grosses Glück hier, aber nehmen wir dieses auch wahr?».

Die Neugierde hat sie in ihrem ganzen Leben begleitet. Es gebe immer etwas Spannendes im Alltag, so Bozzato, immer wieder neue Erfahrungen. Heute etwa habe sie sich mit ihrer Assistentin Samira darüber ausgetauscht, dass die Jugendlichen via Sprachmessage auf WhatsApp oder via Snapchat kommunizieren. «Ich bin nicht mehr von dieser Generation. Wir schreiben uns noch ganz klassisch SMS auf Hochdeutsch», erzählt sie begeistert. Nun fange sie langsam an, auf Schweizerdeutsch zu antworten. «Ich finde das lustig», fügt sie an. Dennoch bleibt ihr nicht oft Zeit für solche Spielereien. Denn nach der Arbeit wartet bereits ihr 11-jähriger Sohn Guy auf sie. «Ich bin überzeugt, dass Kinder ihre Eltern immer mehr brauchen, je älter sie werden», setzt sie der Meinung entgegen, Kinder würden vor allem in den ersten Jahren sehr viel Fürsorge der Eltern benötigen. Mit einem Baby könne man sehr gut 100 Prozent arbeiten, ist sie inzwischen überzeugt. Ein Baby nehme noch nicht viel auf – «es braucht dich, um gestillt zu werden. Körperwärme und Geborgenheit sind wichtig. Also Guy hat in der Kinderkrippe sicher nicht gelitten», fügt sie an. Nun wird Guy aber langsam älter. Jetzt komme immer mehr Austausch hinzu. So habe er Fragen oder wolle zusammen Neues entdecken, erleben. «Das Wunderbarste, das ich in meinem Leben gemacht habe», sagt sie. Zurzeit ist er gerade mit seinem Vater in den Ferien, was auch einmal schön sei. «Ich fange aber bereits an, ihn zu vermissen», meint sie nachdenklich.

Ursina Maurer (Text & Fotos)

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