Do you speak franglais?

Online I Edipresse will mit Swisster die englischsprachige Bevölkerung der Schweiz ansprechen. Der Lausanner Verlag tritt damit in Konkurrenz zum englischsprachigen Radio der SRG, World Radio Switzerland.

 
Online I Edipresse will mit Swisster die englischsprachige Bevölkerung der Schweiz ansprechen. Der Lausanner Verlag tritt damit in Konkurrenz zum englischsprachigen Radio der SRG, World Radio Switzerland. 
«Die Idee ist einfach bestechend», sagt Christophe Rasch, Projektmanager und Chefredaktor des am 31. März gestarteten englischsprachigen Nachrichtendienstes «Swisster». Er verteilt damit Blumen an die eigene Adresse: Edipresse scheint tatsächlich eine neue Marktnische ausfindig gemacht zu haben. «Ein Fünftel bis ein Viertel der aktiven Bevölkerung der Westschweiz sind englischsprachig oder verwenden Englisch als Umgangssprache», freut sich Rasch auf ein Zielpublikum, das in den nächsten Jahren noch stark zunehmen werde. Denn die Westschweizer Kantone betreiben eine aktive Wirtschaftsförderung zur Ansiedlung internationaler Firmen.«Dieses Publikum liest keine lokalen Zeitungen, weil es keine lokalen Bindungen hat», diagnostiziert Rasch. Gemäss Abklärungen des Verlags handle es sich um ein hochgebildetes Publikum mit hoher Kaufkraft, das sich für die Fahrt zur Arbeit auf die öffentlichen Verkehrsmittel stütze und dort Gratiszeitungen lese, um sich mit der französischen Sprache vertraut zu machen. «Damit ist aber ihr Informationsbedarf nicht gedeckt, und da springen wir ein», so Rasch. Mit Swisster (ein Zusammenzug von «Swiss» und «Napster»), das sich an die auf rund 100’000 Personen geschätzte englischsprachige Gemeinschaft der Westschweiz richtet und fünfmal pro Woche Aktualitäten, Kommentare, Hintergrund und Dienstleistungen bringt. Swisster hat mit sechs Personen, davon vier Journalisten (zwei in Lausanne, eine in Genf und eine in Zürich) eine dem ehrgeizigen Projekt angemessene Redaktion.
Bereits bisher führte die Tribune de Genève eine englischsprachige Ecke. Edipresse habe aber schnell entdeckt, dass es eine eigene Redaktion brauche, um das Zielpublikum nachhaltig anzusprechen. Christophe Rasch: «Der Blickwinkel ist anders, die Interessenlage ist anders, die Aufarbeitung und die Gewichtung der Story müssen anders sein.» Zudem gebe es Themen, die hiesige Medien zu wenig behandelten, etwa Informationen in den Bereichen Forschung und Entwicklung oder Wirtschaft, alles Themen, die eine mobile Bevölkerung, die in internationalen Organisationen oder Spitzensektoren der Wirtschaft arbeite, sonst nirgends finde. «Ganz wichtig sind auch unsere Serviceleistungen: Tipps und Beratungen zu den Themen Gesundheit, Schulsystem oder Steuern.» Swisster arbeitet etwa mit Ärzten der Privatklinik Hirslanden zusammen, die auf eingesandte Fragen englisch antworten.
Edipresse hat sich die Mitarbeit verschiedener Partner gesichert, so der Privatbank Lombard Odier Darier Hentsch oder der Lausanner ETH, die wissenschaftliche und technologische Inhalte beisteuert. Für die News stützt sich Swisster auf die beiden Edipresse-Regionalzeitungen Tribune de Genève und 24 Heures und arbeitet mit den beiden Neuenburger Zeitungen von Philippe Hersant zusammen, die Themen aus dem Gebiet des Jurabogens beisteuern – eine bemerkenswerte Zusammenarbeit zwischen Partnern, die sich im Printbereich als heftige Konkurrenten gegenüberstehen, oder zumindest so tun als ob. Die britische Times gehört ebenfalls zu den Partnern, mit denen Swisster inhaltlich zusammenarbeitet.
Das Business-Modell ist überraschend, denn die Online-Zeitung ist nicht ausschliesslich werbefinanziert. Sie hat einen Gratis- und einen Bezahlbereich. Im Gratisteil gibt es Themen, die älter sind als 48 Stunden, im Bezahlbereich die Tagesnews und die Dienstleistungen. Rasch setzt vor allem auf viele Kollektivabonnemente von Firmen (Abopreis 300 Franken pro Jahr), möglich ist aber auch ein Abonnement auf eine bestimmte Anzahl Zugriffe oder Artikelpakete. «Wir wollen sehr schnell auf nationaler Ebene aktiv werden», verspricht Rasch. Da locken «Deals» mit Deutschweizer Partnern, etwa mit dem Inside Switzerland Magazine in Zürich und vor allem die Erweiterung des Zielpublikums auf rund 350’000 Personen.
Edipresse hat im Bereich fremdsprachiger Online-Nachrichtendienste bereits Erfahrungen gesammelt, mit dem erwähnten «English corner» auf der Tribune de Genève-Website und mit einer russischen Ecke daselbst. Das Online-Magazin Nashagazeta beschäftigt zwei Personen und zieht pro Tag immerhin zwischen 400 und 500 Besuchende an. Nashagazeta-Chefin Nadia Sikorsky ist überzeugt: «Man liest uns nicht nur in Genf, sondern bis in französische Städte wie Lyon oder Evian.» Sikorsky will nicht ein russischsprachiges Gärtchen pflegen, «sondern aktiv zur Integration der hier ansässigen Russinnen und Russen beitragen.» Dazu gehöre, diese für Genf, aber auch die Genferinnen und Genfer für Russland zu interessieren: «Wir helfen, Vorurteile abzutragen.»
Helen Brügger

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