Nominiert zur «Werberin des Jahres»: Petra Dreyfus, Wirz Communications

Nominiert zum «Werber des Jahres» ist Petra Dreyfus, Co-CEO und COO von Wirz Communications.

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Dass im vergangenen Jahr bereits ihr Co-Geschäftsführer Livio Dainese nominiert war und die Wahl gewann, hinderte die Fach-Jury nicht daran, dieses Jahr Petra Dreyfus zur «Werberin des Jahres» zu nominieren. Die Agentur, so hört man, habe «einen Lauf», gewinnt neue Kunden und befinde sich in einer zukunftsgerichteten Transformation.

2005 stiess Dreyfus als Beratungsgruppenleiterin zur Agentur, nahm drei Jahre später als Managing Director Einsitz in der Geschäftsleitung und führt seit 2017 Wirz als Co-CEO und COO zusammen mit Livio Dainese im Zweierteam. 

Das Co-Modell funktioniert, weil sich die beiden ideal ergänzen. «Wir kommen auf spannende Lösungen, weil wir komplett anders denken», erklärt Dreyfus. Es sei bereichernd, zu zweit ein Unternehmen zu führen. Denn die unterschiedliche Denke und Herangehensweise führe oft zu reiferen, unkonventionelleren Lösungen, so die gebürtige Baslerin.

Dreyfus’ Affinität zum analytischen Denken ist kein Zufall: «Ich komme aus einem sehr zahlengetriebenen Haushalt», erzählt sie. Ihr Vater etwa war Finanzdirektor beim Bankverein. Für BWL brachte dieser noch halbwegs Verständnis auf, für ihr Interesse an Marketing – eine wenig nachvollziehbare, rationale Disziplin – hingegen weniger. «Vermutlich typisch, dass ich gerade diese Richtung gewählt habe – aber die Nähe zu den Zahlen habe ich nie verloren», sagt Dreyfus und lacht. 

Sie zog weg aus Basel, weg aus der Schweiz, lernte Sprachen und die Welt kennen. Sie machte Umwege über Corporate Communications, entdeckte ihre Leidenschaft für Markenführung und Strategie – und die Faszination für die Arbeit von Kreativagenturen. «Grosse, superlogische, theoretische Herleitungen und Strategien in Präsentationen fliegen nur, wenn man aus der Theorie den Weg in die Praxis findet. Dafür braucht es den kreativen Sprung.»

Nach einer zweifachen Baby-Pause stieg Dreyfus 2005 bei Wirz ein und betreute dort vor allem internationale Kunden. Ein prägender Glücksfall: «Während man sich hierzulande noch fragte, ob man lieber eine TV- oder Plakat-Kampagne schaltet, beschäftigten sich die durch die grossen, weltweiten Netzwerk-Agenturen getriebenen Brands wie Pepsi oder Mars schon damals damit, wie man Botschaften multiplizieren kann oder wie man 360-Grad-Kommunikation betreibt.»  Petra Dreyfus lernte früh vieles, was heute längst Standard ist. Die internationalen Marken zogen ihr Marketing schliesslich aus Kostengründen aus der Schweiz zurück, Dreyfus widmete sich fortan heimischen Marken.

Die Branche, der Markt, die Möglichkeiten wandeln sich. Was konstant bleibt, ist die DNA von Wirz. «Wir wissen, wie man Marken führt», sagt Dreyfus. Diese Stärke kann die Agentur auch in neuen Feldern voll ausspielen, zumal eine starke Marke in einer immer stärker globalisierten Welt immer wichtiger sei. «Wir sind sehr weit, was die Vernetzung von performance-orientierten und marken-unterstützenden Kampagne angeht. Nicht zuletzt deshalb konnten wir im letzten Jahr so viele moderne, namhafte Marken gewinnen.»
 

Kampagnen Wirz Communications 2018Migros

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«Die Heldengeschichten des Migroswichtels Finn bewegen die Schweiz. Und zwar so sehr, dass weitum darüber gesprochen und geschrieben wird. Ein Werbespot in Pixar-Qualität mit unschätzbarem PR-Wert.»

M-Budget Mobile

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«Wo gab es das schon mal: Ein Mobilfunk-Anbieter, der zu verantwortungsvollem Umgang mit dem Smartphone aufruft. Zugleich humorvoll, scharf und direkt aus dem Leben, ist diese Kampagne für M-Budget Mobile ein Beispiel für Kommunikation, hinter der ein weitaus grösserer Gedanke steht.»

The Last Sweater

«Mit dem Last Sweater haben wir nicht nur ein Produkt, sondern damit gleichzeitig auch noch das Kommunikationsmittel erfunden und zum überraschenden Kern unserer Kampagne gemacht. Ausserdem gelang es dem WWF dadurch, ohne jegliches Media-Budget eine neue, junge Zielgruppe zu erschliessen.»

Digitalkampagne für Kühne + Nagel

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«Das weltweit führende Logistik-Unternehmen Kühne + Nagel ist so gross und global aufgestellt, dass es von kleineren Unternehmen für innereuropäische Transporte oft gar nicht in Betracht gezogen wird. Wir geben Gegensteuer: mit datenbasiertem, digitalem Content – emotional erzählt, smart ausgesteuert und laufend evaluiert und optimiert. Ein zukunftsträchtiger Bereich für Wirz.»

 

Werbewoche: Petra Dreyfus, was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der Nomination zur «Werberin des Jahres» erfuhren?

Petra Dreyfus: Es waren eigentlich drei Gedanken: 1. Ich in der Öffentlichkeit? 2. Danke für die Anerkennung! 3. Werberin des Jahres? Sollte man nicht endlich den Titel ändern?

 

Generell: Was bedeutet Werbung für Sie?

Kommunikation fasziniert mich. Immer wieder neue Wege zu finden, Menschen und Marken miteinander zu verbinden. Das Schöne an meinem Beruf ist der Mix: Wir beschäftigen uns zwar rational intensiv mit Daten, Statistiken und Algorithmen, dazu gilt es aber immer den Weg zu finden von der «Wissenschaft» zur Emotion, also vom Kopf zum Herz der Menschen.

 

Zurückblickend auf 2018: Was war Ihr persönliches Highlight des Werbejahres?

Meine beiden überkritischen Teenie-Buben fanden endlich eine Kampagne von uns gut: die M-Budget-Mobile-Kampagne.

 

In welchem Bereich hat sich Ihre Agentur im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr gesteigert?

Wir haben auf unseren bestehenden Kunden und in den vielen gewonnenen Pitches bewiesen, dass wir unsere Ideen sehr erfolgreich auf den Punkt – und damit auch ins Gespräch bringen können. Nicht zuletzt darum wurden wir zur PR Agentur des Jahres gewählt – und das, obwohl wir keine klassische PR-Agentur sind. Zugleich konnten wir im Performance Marketing mächtig zulegen und lancierten u.a. internationale Kampagnen wie für Kühne + Nagel. Ich glaube, unser Erfolg gründet darauf, dass wir nie die Marke vergessen. Wir machen Performance mit Seele, sozusagen.

 

Worin ist Ihre Agentur Ihrer Meinung nach besonders stark?

Die heutige Mediennutzung verlangt von den Marken personalisierte Markenerlebnisse über alle Touchpoints hinweg und das zu jeder Zeit. Dazu benötigen wir eine gute Kampagne und Daten, Daten, Daten. Unsere frühe Beteiligung an Datalogue einem Datenspezialisten und der Umstand, dass deren Spezialisten bei uns sitzen helfen uns dabei. Dann das Thema Automatisation: Welche Informationen werden händisch und welche automatisiert kommuniziert? Hierfür haben wir vor einigen Jahren Younity gegründet, eine Abteilung, die bereits für Migros oder die Post erfolgreich Marketingautomatisation betreibt.

 

Wo sehen Sie die grössten aktuellen Herausforderungen der Werbe- und Kommunikationsbranche?

Die richtigen Talente zu finden und zu binden. Sei es für Wirz oder als externe Partner. Dabei die Spreu vom Weizen zu trennen, wird immer schwieriger. Derzeit schreit jeder, dass er alles kann. Sätze wie «Ich bin digital», sind für mich der Brüller. Was soll das denn genau heissen? Performance Marketing? E-Commerce? Social Media? Screendesign? Keine Person vereint all diese Fähigkeiten.

 

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es auch in Zukunft Spass macht, in Ihrer Branche zu arbeiten?

Die Tatsache, dass wir in einem dynamischen Umfeld arbeiten. Früher standen uns drei oder vier Werbemittel zur Verfügung. Und es war immer Einwegkommunikation. Wir hatten letztlich keine Ahnung, was die Menschen wirklich über unsere Arbeit dachten. Heute stehen wir im Dauerdialog. Wir wissen schon im Vorfeld viel genauer, wofür sich die Menschen interessieren. Damit ist die Vielfalt, aber auch die Herausforderung gestiegen.

 

Wie wird die Werbe- und Kommunikationsbranche Ihrer Meinung nach «von aussen» wahrgenommen? Ist ihr Ruf gut genug?

Das Star- und Gockelgehabe von früher gibt es nicht mehr. Heute erarbeiten Kunden und Agenturen zusammen die Kampagnen. Erfolgreiche Kampagnen benötigen dermassen viele unterschiedliche Fähigkeiten, wenn da einer behauptet, er könne alles und alles besser, ist er unglaubwürdig. Tugenden wie Bescheidenheit und Teamwork sind heute gefragt und das kann dem Ruf unserer Branche nur guttun.

 

Welches war der bisher schwierigste Entscheid Ihrer Karriere?

Unsere Kinder waren noch Babys, mein Mann kaufte sich grad in einer Arztpraxis ein, und ich fing wieder an zu arbeiten, als ich von AMV BBDO ein Jobangebot in London erhielt. Aber wie sollte ich das schaffen? Meine Familie nach London verpflanzen, für meine Söhne eine gute Mami sein und gleichzeitig beruflich in einem mir komplett unbekannten Umfeld durchstarten? Letztlich fehlte mir der Mut. Ich blieb in Zürich.

 

Und welches der Beste?

Mich danach immer wieder für Wirz entschieden zu haben. Den langen Weg zu wählen und die Agentur dorthin zu bringen, wo sie jetzt ist. 

 

Wo würden Sie arbeiten, wenn nicht in der Kommunikationsbranche?

Ich glaube, ich wäre eine ziemlich entspannte Kindergärtnerin. Da käme mir auch meine Hörschwäche total zugute. Nein, im Ernst: Ich würde wohl auch in einer anderen Branche in der strategischen Beratung landen.

 

Was sind Ihre Stärken?

Ich erinnere mich an eine Weihnachtskarte von einem Kunden. Er bedankte sich für die Zusammenarbeit und bat um etwas Nachsicht, weil nicht immer alles so schnell gehe, wie ich es gerne hätte. Das scheint meine Stärke zu sein: Ich lasse nicht locker und treibe voran. Was aber eben manchmal auch anstregend ist. Für mich und die anderen.

 

Und wo lassen Sie lieber anderen im Team den Vortritt?

Wenn es um Ideen geht. Ich kann dann gut beurteilen, ob sie passend und tragfähig sind.

 

Mit welchen drei Wörtern würden Sie sich selbst beschreiben?

Hartnäckig, gradlinig, offen.

 

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Kommunikativ, persönlich, undogmatisch.

 

Sie bekommen morgen einen freien Tag geschenkt: Wie gestalten Sie diesen?

Die Schönwetter-Variante: Den Sonnenaufgang geniessen und bestaunen, wie die Welt aufwacht. Da ich aber Sonnenuntergänge ebenso gerne sehe, bekomme ich spätestens im Hochsommer Probleme mit meinem Schlafhaushalt. Die Regentag-Variante: Irgendeinen düsteren dänischen Krimi von Anfang bis Schluss ohne Pause durchlesen. Oder auf Netflix irgendwelche Trashserien bingewatchen.

 

Welche Superkraft würden Sie wählen, wenn Sie die Wahl hätten?

Fit zu bleiben, ohne Sport treiben zu müssen.

 

Wieso wären Sie eine gute «Werberin des Jahres»?

Weil ich Werberin und nicht Werber bin, würde ich ein Statement für alle Frauen in der Branche setzen: Ja, ihr könnt das auch. Und weil ich eine ganzheitliche Kommunikation vertreten würde, in der Kreativität, Strategie und die perfekte Orchestrierung der Massnahmen ebenbürtig Hand in Hand gehen.

Das Wahlprozedere: Die Online-Wahl findet in der kommenden Woche (KW 13) statt. Wahlberechtigt sind alle Abonnentinnen und Abonnenten des Newsletter von MK Werbewoche Expodata. Das Votum der Leserschaft trägt 50 Prozent zur Entscheidung bei. Die anderen 50 Prozent steuert die Fachjury bei – jedes Mitglied darf eine Stimme für eine der drei Nominierten abgeben. Die Siegerin oder der Sieger wird am 17. April an der Best of Swiss Web Award Night in der Samsung Hall Zürich verkündet. 

Petra Dreyfus im Interview

«Das Star- und Gockelgehabe von früher gibt es nicht mehr»

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