«Systemrelevant» ist Schweizer Wort des Jahres 2020

Systemrelevant, coronagraben, pandemia und mascrina sind die Wörter des Jahres Schweiz 2020. Sie zeigen, worüber die Gesellschaft nachdenkt und was sie bewegt. ZHAW-Forschende nutzten die grösste Textdatenbank der Schweiz als Basis, die Jury entschied die Wahl.

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Systemrelevant im Deutschen, coronagraben im Französischen, pandemia im Italienischen und mascrina im Rätoromanischen sind die Wörter des Jahres Schweiz. Auf den zweiten und dritten Plätzen folgen Maskensünder und stosslüften, gestes barrières und luttes, responsabilità und distanza sowie extraordinari und positivitad. «Diese Wörter haben 2020 den Diskurs in der Schweiz geprägt – wissenschaftlich belegt in der Textdatenbank und bestätigt durch die Wahl der vier Jurys aus Sprachschaffenden», erklärt ZHAW-Sprachwissenschaftlerin Marlies Whitehouse, Leiterin der deutschsprachigen Jury und Koordinatorin des Projekts Wort des Jahres Schweiz, in einer Mitteilung.

 

In allen vier Landessprachen

Das Departement Angewandte Linguistik der ZHAW hat 2017 die Verantwortung für die Wahl des Wortes des Jahres übernommen. Seither erfolgt die Wahl mehrsprachig, forschungsbasiert und interaktiv. In Zusammenarbeit mit der Lia Rumantscha wird seit 2019 auch das Wort des Jahres Schweiz in Rätoromanisch gewählt.

Für jede Sprache führt die Wahl über drei Stufen:

  • Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysieren die Schweizer Diskursdatenbank Korpus Swiss-AL und bestimmen pro Sprache die Wörter, die im Jahr 2020 häufiger oder deutlich anders verwendet wurden als in den Jahren zuvor.
  • Dann wählt eine Jury von Sprachprofis aus dieser Liste, aus Publikumsvorschlägen und aufgrund eigener Erfahrung die drei markantesten Wörter.
  • Schliesslich zeigen die Forschenden auf, wie sich diese Wörter 2020 im Sprachgebrauch in der Schweiz entwickelt haben und für welche gesellschaftlichen Veränderungen sie stehen.

Die vier Jurys bestehen aus je rund zehn Sprachschaffenden aus der deutsch-, französisch-, italienisch- und rätoromanischsprachigen Schweiz. Für Datenbank und Projektleitung verantwortlich zeichnet das Departement Angewandte Linguistik der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW in Winterthur.

Deutschschweizer Wort des Jahres 2020

Platz 1: systemrelevant

Applaus und Überlastung, Streikgedanken und Abgrenzungsfragen – Unruhe kommt ins System mit der Einstufung des Bundesrates, welche Sektoren unabdingbar sind für das Wohlergehen der Gesellschaft und das Funktionieren der Wirtschaft. Überlange Arbeitszeiten einerseits, Kurzarbeit und zunehmende Konkurse anderseits führen zu verschiedenen Forderungen: höhere Grundlöhne, mehr Anerkennung und finanzielle Entschädigungen für die coronabedingten Ausfälle. Und gleichzeitig beschäftigt die Frage: Sind wir nicht alle relevant in diesem System?

Platz 2: Maskensünder

Wer ohne Gesichtsmaske unterwegs ist, wird als Maskensünder bezeichnet. Denn es gilt eine schweizweite Maskenpflicht, ohne Wenn und Aber, unübersehbar, unüberhörbar. Um uns gegenseitig zu schützen, sollen wir Hygienemasken, industriell gefertigte Textilmasken oder medizinische Gesichtsmasken tragen, die Mund und Nase bedecken. Während die einen die Maske als zentrale Massnahme in der Pandemiebekämpfung erachten, sehen die anderen darin einen Eingriff in ihre persönliche Freiheit. So oder so: Gebüsst wird, wer oben ohne ist.

Platz 3: stosslüften

Es zieht durch die Zimmer und Gänge, durch die Haare pfeift ein eisiger Wind – wir sind am Stosslüften. Was bisher von Vermietern in der kalten Jahreszeit propagiert wurde, um Heizkosten zu sparen, erfährt eine neue Bedeutung in der Coronakrise. Vor allem in den Schulen müssen die Zimmer vermehrt gelüftet werden, um das Ansteckungsrisiko zu mindern. Die Kinder lernen dabei en passant, dass es sich auch besser denken lässt mit frischer Luft. Und so denken sich wohl viele, die nun leicht fröstelnd hinter ihrer Maske im Durchzug sitzen, wie schön es sein wird zurück in der Normalität.

 

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