Das Ende der Werbefilmrolle

Kino Das gute alte Celluloid muss abtreten: Schon bald kann Kinowerbung digital übermittelt werden. Die Vermarkter erwarten Umsatzsteigerungen.

Kino Das gute alte Celluloid muss abtreten: Schon bald kann Kinowerbung digital übermittelt werden. Die Vermarkter erwarten Umsatzsteigerungen.Das Handling von Kinowerbung ist derzeit aufwändig und relativ teuer. Nur schon die Zahl der Kinos – es existieren 500 Kinosäle in der Schweiz – spricht Bände: Bei diesem Medium fallen hohe Kosten für Filmkopien an (von der Filmabnutzung ganz zu schweigen), die Buchungs-Vorlaufzeit beträgt rund drei Wochen und das Controlling ist aufwändig.Doch dies ist bald Vergangenheit. Wie Cinecom-Marketingleiter Jean-Claude Bruhin der Werbewoche erklärte, investiert der Kinowerbevermarkter derzeit einen «siebenstelligen» Betrag, um seine 400 Pachtkinos in der ganzen Schweiz technisch so auszurüsten, dass Werbespots ab dem zweiten Semester 2004 digital übermittelt werden können. Konkret wird jedes Cinecom-Kino mit einer ADSL-Leitung, einem 16:9-Beamer und einem Cinema Media Player ausgestattet. Jeder Player verfügt über ein internes Laufwerk, das bis zu 30 Film-Soundtracks speichern kann.
Deutlich tiefere Kosten
Und so funktioniert das Cinecom-System: Das Buchungstool in der Cinecom-Zentrale überspielt die individuellen Playlists an die einzelnen Server, diese wiederum senden nach erfolgter Vorführung eine Vollzugsmeldung an die Zentrale zurück.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Ausstrahlungskontrolle wird enorm vereinfacht und verbessert, die Cinecom spart jährlich einen «tiefen sechsstelligen Betrag» für Versandkosten, dem Kunden entfallen die Kopierkosten. Zudem lassen sich einheitliche Standards bezüglich Licht- und Tonqualität festlegen, die Rollenwechsel entfallen, und den Kinobesitzern eröffnet sich durch die Beamer eine vielfältigere Nutzung ihrer Säle, etwa als Vorlesungs- oder Konferenzsaal an Vormittagen, für Events und TV-Übertragungen.
Für die Werbekunden verkürzt sich zudem dank Digitalisierung die Buchungsvorlaufzeit auf eine Woche. «Bei Bedarf können einzelne Spots – etwa ein Blick-Spot mit der Headline vom Folgetag – noch kurzfristiger ausgetauscht werden», sagt Bruhin.
Und das Angebot weitet sich: «Kinopremieren zum Beispiel werden wir standardmässig anbieten», sagt Bruhin. Ebenso die Selektionsmöglichkeit nach den Genres Action, Art, Drama, Comedy, Family und Kids.
Selbst für die lokalen Kunden dürfte das Medium Kino attraktiver werden: Da die Beamer die Diaprojektoren ersetzen, sind künftig auch einfache Animationen bis zu 15 Sekunden mit oder ohne Ton möglich. Aber auch Standbilder kombiniert mit einem Radiospot sind denkbar.
Alles in allem erhofft sich die Cinecom eine erhöhte Nachfrage nach Kinowerbung. In Zahlen ausgedrückt: Ab dem zweiten Semester erwartet Cinecom-Geschäftsführer und Mitinhaber Matthias Luchsinger 10 bis 15 Prozent mehr Umsatz: «Wenn Kino zudem wie TV buchbar wird, werden sich TV-Kunden überlegen, auch im Kino zu werben. So wird es uns vielleicht gelingen, Teile der TV-Budgets ins Kino zu holen».
Ein Spot für drei Medien
Die Cinecom vermarktet nicht nur Kino und TV, sondern seit kurzem auch Screens. Die Gesamtstrategie, die dahinter steckt, wird nun durch die Kino-Digitalisierung plötzlich erkennbar: Derselbe Spot lässt sich in allen drei Medien einsetzen. Die Verbindung von Home- (TV) und Out-of-home-Medien (Kino, Screens) wird möglich, es können ganze Packages angeboten werden.
Dank der Digitalisierung, vermutlich vor allem aber dank der
etwas früheren Planung (siehe Kasten) ist die Cinecom derzeit auch bei den Kinobesitzern in der Pole-Position. Diese scheinen die Vorteile des Beamer, der ihnen sowohl das Handling vereinfacht als auch Zusatzeinnahmen verspricht, zu schätzen wissen, auch wenn sie für Installation und Unterhalt selbst aufkommen müssen. Vermutlich war dies ein Grund dafür, weshalb Mediavision im 2003 keine weiteren Kinopachten hinzugewinnen konnte.
Dreifache Freude: Digitale Kinowerbespots sind für Vermarkter, Kunden und Kinobesitzer vorteilhafter.

Unter DruckAuch Mediavision, die etwa 100 Säle in der Westschweiz vermarktet, rüstet punkto Digitalisierung auf. «Selbstverständlich wird
Mediavision die Kinos, die sie verpachtet, bis Ende Jahr ebenfalls digital installieren», sagte Olivier Bloch, Direktor von Mediavision Suisse. Mehr war nicht zu erfahren. Der Entscheid verwundert nicht: Sowohl seitens der Kinobesitzer als auch der Werbekunden ist der Druck jetzt nachzuziehen gross. Gerade Werbekunden wären wohl kaum bereit gewesen, eigens wegen der Mediavision-Kinos noch eine Handvoll Werbefilmrollen zu produzieren. (mk)
Markus Knöpfli

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