Byebye Heimat: Wo «neu.» drauf steht ist auch neu drin

Ein Enthüllungsgespräch mit den Inhabern der Werbeagentur Heimat Schweiz, Nico Ammann und Simon Rehsche, die dem kürzlich verkündeten Management-Buyout aus der internationalen Omicom-Gruppe nun auch eine Namensänderung von Heimat Schweiz zu «neu.» folgen lassen. Alle Details und viel Pointiertes bei Werbewoche.ch.

Aus Heimat Zürich wurde über Nacht neu

Werbewoche: Was hat euch dazu bewogen, das Omnicom-Netzwerk zu verlassen?

Nico Ammann (N.A): Wir haben Heimat ab dem ersten Tag so geführt, als ob uns die Agentur gehörte. Die Heimat Gründer und das TBWA Netzwerk vertrauten uns bei jeder Entscheidung. Die Freiheit zu tun, was wir für richtig hielten, war uns immer sehr wichtig. Und diese Freiheit wurde in den letzten Monaten von Omnicom mehr und mehr eingeschränkt.

 

Wo habt ihr diese Einschränkungen genau wahrgenommen?

N.A: Konkret hätten wir unseren Standort verlegen müssen. Dies beeinflusste unsere Entscheidung für das Management-Buyout.

Simon Rehsche (S.R): Es gibt in internationalen Netzwerken vieles, was als standardisierte Regel für die einzelnen Agenturen einfach keinen Sinn ergibt. Natürlich fragt man sich in so einer Konstellation dann schon mal, gerade wenn Dinge immer komplizierter und weniger nachvollziehbar werden, was das Theater soll beziehungsweise wofür man das in Kauf nehmen soll.

 

Simon Rehsche, worin unterscheiden Sie sich von Nico Ammann?

S.R: Ich bin, glaub chaotischer, flattriger und impulsiver als Nico. Insgesamt sind wir aber schon von einem ähnlichen Schlag, denke ich. Wir ergänzen uns nicht mit krassen Gegensätzen, sondern denken häufig ähnlich.

Nico, was verbindet Sie auf beruflicher Ebene mit Simon?

N.A: Es ist das gewachsene Vertrauen über die Jahre hinweg. Gerade wenn wir uns in einer Sache nicht einig sind, nehmen wir die Meinung des anderen sehr ernst. Wir haben gelernt, dass es sich lohnt, den Standpunkt des anderen zu verstehen und eine Lösung zu finden, die uns beide begeistert. Wenn wir beide von einer Idee überzeugt sind, ist sie meistens auch sehr gut. Wenn jedoch nur einer überzeugt ist, ist die Idee oft auch nicht bahnbrechend.

 

Gibt es eine Anekdote dazu, wie ihr miteinander arbeitet?

S.R: Nico hat mir zur Gründung der Agentur diesen Gutschein geschenkt mit der Aufschrift: «Du hast zwar recht, aber wir machen es so, wie ich will.» Das Visual der Postkarte zeigt einen Mittelfinger.

N.A: Simon hat den Gutschein bis heute nicht eingelöst. Das beunruhigt mich.

 

Beim Buyout auch nicht?

N.A: Nein, wir waren beide einer Meinung.

Was bringt Sie auf die Palme?

N.A: Verpasste Chancen!

 

Was löst Glücksgefühle aus?

S.R: Wenn man als Team von einer Idee begeistert ist und sie alle als etwas Neues und Aufregendes wahrnehmen. Dieser Moment der Entdeckung hat etwas rauschmässiges, treibendes. Manchmal läuft einem dann Schaum aus den Ohren. Grüner.

 

Nun habt Ihr Euch für einen Namenswechsel entschieden, was Ihr hier bei werbewoche.ch erstmals publik macht: «neu.»

N.A: Nach der Übernahme war für uns schnell beide klar, dass wir sicht- und spürbar etwas ändern wollen. Ganz nach dem Motto «Wenn neu, dann richtig neu.»

 

Wie lange hat die Namenssuche gedauert?

S.R: Wir haben uns dafür sieben Wochen auf die Malediven zurückgezogen. Eine Insel gemietet, wie man das halt macht.

Wie kam es dann konkret zur Namensidee?

S.R: In den meisten Beschreibungen unserer Ambitionen kommt das Adjektiv «neu» vor. Dieses Muster führte irgendwann in unserem Findungsprozess zu einem intensiven Moment der Erkenntnis.

 

Und was wird jetzt neu in der Agentur?

S.R: Wir gründen ja keine neue Agentur, sondern vollziehen ein Rebranding, das unsere Markenidentität fokussierter auf das mit dem neuen Namen gemachte Markenversprechen ausrichtet. Einiges wollen wir dabei neu oder konsequenter machen, vieles bleibt gleich. Allem voran das Wichtigste: Unser Team, welches das stärkste unserer Agenturgeschichte ist.

 

Welche Botschaft vermittelt ihr mit dem neuen Design?

N.A: Das Design ist konsequent, laut und am Puls der Zeit. Es muss keine Botschaft vermitteln, sondern soll transportieren, wie wir denken und wie wir arbeiten.

Also speziell für diejenigen, die den Schriftzug jetzt nicht sehen können: Der Name steht kleingeschrieben, mit einem Punkt am Ende.S.R: Wenn unser Logo in einem Kontext platziert wird, bekommt es immer einen Zusammenhang. Unsere Logo-Sticker auf einer alten Matratze angebracht lösen etwas aus. Kontext ist für Kommunikation ein wertvolles Werkzeug, deshalb gefällt uns diese Dimension unseres neuen Namens sehr gut.

 

Auf die Reaktionen Eurer wichtigsten Stakeholder auf den Namen darf man gespannt sein. Wie aber haben diese, etwa Kunden, auf euer Management-Buyout reagiert?

N.A: Die Reaktionen waren ausschliesslich positiv. Unsere Kunden haben uns gratuliert und sich mit uns gefreut. Über die Jahre haben wir uns ihr Vertrauen erarbeitet und verdient. Es macht Freude und Stolz, dass sie jetzt auch diesen Schritt mit uns gehen.

 

Und wie haben die Mitarbeitenden reagiert?

S.R: Auch ausschliesslich positiv.

 

Wie sieht die Umsetzung des Namens «neu» in eurer Arbeitsweise aus?

N.A: Wir werden sicher nicht ab jetzt alles neu und anders machen. Neu ist nicht nur Programm, sondern eine Haltung. Wir tragen den Anspruch mit uns, kontinuierlich neu zu denken und werden uns ins Zeug legen, diesem in Zukunft gerecht zu werden.

S.R: Der Kern unserer Agenturmarke, ob als Heimat Zürich oder jetzt als «neu», war immer die Suche nach strategisch und kreativ neuen Plattformen, die neue Perspektiven auf Marken und Kategorien bringen. Mit «neu» bringen wir dies jetzt auch im Namen zum Ausdruck.

 

Was ist euer Fokus? Wie positioniert ihr euch?

N.A: Unser Fokus ist die Kombination überraschender und intelligenter Strategie mit kreativer und konsequenter Umsetzung. Das ist der Kern unserer Leistung.

 

Was bedeutet Strategie im heutigen Werbekontext?

S.R: Es gibt keine gute Werbung ohne gute Strategie, das ist ein Naturgesetz. Früher war Strategie wohl häufiger implizit Teil von Ideen. Heute muss eine Strategie mehr Fragen stellen und diese explizit beantworten. Dinge wie Kampagnenarchitekturen oder die Identifikation von Potenzialen für zielgruppenspezifische Aktivierungen gewinnen an Bedeutung.

 

Wie gestaltet ihr Partnerschaften für andere Dienstleistungen wie Media oder weitere Bereiche, die zur Umsetzung oder Verbreitung eurer Kreationen erforderlich sind?

N.A: Unsere Partnerschaften beginnen in erster Linie mit unseren Kunden. Oft haben sie bereits Partnerschaften mit Medienagenturen, die dann zu unseren Partnern werden. Wir beobachten und partizipieren aktiv an den Veränderungen in der Branche, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz (AI).

 

Wo findet Ihr Inspiration?

N.A: Meine Inspiration finde ich nicht zwangsläufig in der Werbung, eher im Leben selbst – auf Reisen, in der Kunst oder im Alltag mit Familie und Freunden. Kurz gesagt, Inspiration kommt für mich aus dem Leben.

S.R: Im auch im Alltag, wie z.B. im Strassenverkehr oder in Wartesituationen. Da entstehen die ganze Zeit Situationen, in denen Menschen emotional auf Dinge reagieren. Was da passiert zu abstrahieren, inspiriert mich.

 

Gibt es ein spezifisches Werk wie eine Oper, einen Film oder ein Buch, das euch besonders inspiriert hat?

N.A: Am ehesten hat mich in meiner Jugend die Hip-Hop-Bewegung inspiriert. Kreativität in all ihren Facetten, das gefiel mir.

 

Wie seht ihr die Werbebranche in der Schweiz?

N.A: Relativ zahm.

S.R: Das Informelle, die netten Menschen, ich finde das nach wie vor sehr cool. Was den Output angeht, ist vieles Wiederholung, langweilig. Unsere Branche wird heute stärker vom Zeitgeist beeinflusst, als dass sie diesen herausfordert und mitprägt.

 

Wie erklärt Ihr euch das?

N.A: Das ist eine komplexe Frage. Einerseits neigen wir als Land manchmal dazu, uns mit Durchschnitt zufriedenzugeben. Dies zeigt sich auch im Sport, wo wir manchmal ein 1:1-Unentschieden wie einen Sieg feiern. Andererseits hat die Werbebranche an Attraktivität für kreative Talente verloren. Es wird zunehmend schwieriger, Top-Talente für unsere Branche zu gewinnen.

S.R: Das Standing von Agenturen war sicher schon besser. Auch wenn unsere Branche nicht müde wird zu betonen, dass man Kunden viel breiter als nur in der Kommunikation berät, die Welt verändert man heute vermeintlich an anderen Orten. Vielleicht ist das «nur» in meinem Satz oben genau das Problem. Kreative Kommunikation ist kein «nur», sondern ein «sogar»: Menschen sehen Dinge subjektiv und Kommunikation kann diesen Blick immer wieder neu prägen. Gibt doch nichts Geileres.

 

Was ist euer Appell an die Werbeauftraggeber, um diese Situation zu verbessern?

N.A: Unsere Kunden wollen gute Werbung. Es liegt also nicht an den Kunden, zumindest nicht an unseren. Zeitmanagement spielt eher eine Rolle. Oft liegt es daran, dass der Zeitdruck dazu führt, dass Ergebnisse nicht so gut werden, wie sie könnten.

S.R: Ich denke, Loyalität, eine Kultur des konstruktiven Umgangs mit Fehlern, Vertrauen sind wichtige Aspekte, aber auch Mut, Dinge anders zu machen, als beim letzten Projekt. Ich sehe die Verantwortung aber stärker auf Agentur- und weniger auf Kundenseite. Werden Agenturen wieder stärker, mutiger, mit ihren Vorschlägen polarisierender, wird ihre Arbeit auch wieder überzeugender.

 

Braucht es Agenturen wie euch noch?

N.A: Wir sind ambitioniert und lieben, was wir tun. Das ist die Grundlage für gute Arbeit, die Ergebnisse liefert und funktioniert.

 

Wie seht ihr die Zukunft der Werbeagenturen?

S.R: Es wird immer schwerer zu sagen, was eine Werbeagentur überhaupt ist und was sie tut. Die Möglichkeiten, Kreativität neu zu nutzen, werden für Agenturen grösser. Deshalb: die Zukunft für Agenturen wird sicher spannend.

 

Zum Abschluss, ein Wunsch von Ihnen, Nico, an Simon?

Dass wir weiterhin so erfolgreich zusammenarbeiten, wie bisher.

 

Und Sie, Simon, ein Wunsch an Nico?

Seine Leica. Ich wünschte mir seine Leica.


Neu Creative Agency startete als Heimat Zürich 2016. Die Agentur ist Mitglied im Branchenverband LSA und wird zu 100 Prozent von ihren Eigentümern, nach einem Management-Buyout Simon Rehsche und Nico Ammann, geführt. Ihre Arbeit wurde national und international mit Kreativ-, Strategie- und Effizienzawards ausgezeichnet. Das Team besteht aus 19 Mitarbeitenden, die Kunden wie die Bank Cler, Post, PostAuto, Wernli, Wingo (Swisscom), Sky, Miele und weitere betreuen. Die Fullservice Agentur hat ihre Räumlichkeiten am Helvetiaplatz im belebten Zürcher Kreis 4. Die Agentur entwickelt und aktiviert langfristig einsetzbare Kommunikationsplattformen, ihre Handschrift wird dabei geprägt durch die Verbindung von Strategie und Kreativität. Das Rebranding von Heimat Zürich zu «neu.» vollzog die Agentur Anfang Oktober 2023.

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