Striktere Regeln für Tabakwerbung sind derzeit nicht mehrheitsfähig

Das Parlament tut sich mit neuen Einschränkungen für die Tabakwerbung weiterhin schwer. Eine Vorlage zur Umsetzung der von Volk und Ständen angenommenen Tabakwerbeverbotsinitiative ist am Donnerstag im Nationalrat am Widerstand von SVP, SP und Grünen gescheitert – zumindest vorläufig.

Tabakwerbung

Kinder und Jugendliche dürfen künftig keine Werbung für Tabakwaren mehr zu sehen bekommen. Das haben Volk und Stände im Februar 2022 mit der Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung (Tabakwerbeverbotsinitiative)» in die Verfassung geschrieben.

Der Bundesrat will die Initiative mit einem umfassenden Werbeverbot umsetzen, für Tabakprodukte und auch für E-Zigaretten. Der Ständerat schwächte die Vorlage im vergangenen Herbst ab – zum Unmut der linken Initianten.

Am Donnerstag war nun der Nationalrat am Zug. Die über zweieinhalbstündige Debatte war lebhaft, die Differenzen zwischen den politischen Lagern gross – am Ende zu gross, um eine mehrheitsfähige Lösung zu finden.

Parlament und nicht Bundesrat in der Pflicht

In der Gesamtabstimmung lehnte die grosse Kammer die Vorlage ab, mit 121 zu 64 Stimmen bei 5 Enthaltungen. SVP, SP, Grüne sagten fast geschlossen Nein. Die Gründe dafür waren unterschiedlich.

Die SVP machte bereits in der Eintretensdebatte deutlich, dass ihr der Entwurf des Bundesrats zu weit gehe. «Wir wollen ein vernünftiges, in der Praxis umsetzbares Gesetz, das die Initiative umsetzt, aber nicht mehr», sagte Fraktionssprecher Andreas Glarner (AG).

Glarner und seine Parteikollegen verwiesen auf die freie Marktwirtschaft. Es dürfe nicht sein, dass in Publikationen wie der Bilanz oder der Neuen Zürcher Zeitung Tabakwerbung künftig verboten sein solle. «Ich kenne keine Minderjährigen, die diese Presseerzeugnisse lesen.» Durch das geplante Sponsoringverbot für Tabakunternehmen stünden zudem viele Anlässe vor dem Aus.

Mit 126 zu 59 Stimmen bei 2 Enthaltungen lehnte die grosse Kammer den Rückweisungsantrag jedoch ab. Die Mehrheit war der Ansicht, dass das Parlament und nicht der Bundesrat Änderungen am Tabakproduktegesetz vornehmen solle, damit dieses mehrheitsfähig sei.

«So liberal wie möglich und so restriktiv wie nötig»

Eine Stunde später war jedoch klar, dass dieses Ziel nicht erreicht werden konnte. Neben der SVP, die das Gesetz mit verschiedenen Anträgen abschwächen wollte, scheiterte auch die Ratslinke mit Vorschlägen, die das Gegenteil bewirken wollten. Am Ende gingen die Werbeeinschränkungen für die Tabakindustrie der SVP zu weit und der SP und den Grünen zu wenig weit.

Umstritten sind verschiedene Punkte: Unter anderem gehen die Meinungen auseinander bei der Frage, für welche Presseerzeugnisse ein Tabakwerbeverbot gelten soll. Auch die Regeln für die Verkaufsförderung, der Verkauf von Tabakprodukten durch mobiles Personal an öffentlich zugänglichen Orten und das Sponsoring von Veranstaltungen werden kontrovers diskutiert. Die Bürgerlichen plädieren für mehrere Ausnahmen. Die Linke will ein umfassendes Werbeverbot.

Kommissionssprecher Lorenz Hess (Mitte/BE) plädierte in der Eintretensdebatte für eine «adäquate und möglichst rasche Umsetzung» der Initiative. Mit den Mehrheitsvorschlägen würden die Forderungen des Volksbegehrens weitgehend erfüllt. Eine hundertprozentige Umsetzung der Initiative könne man wohl nie erreichen.

Die Initiative sehe kein umfassendes Werbeverbot vor, gab Regine Sauter (FDP/ZH) namens ihrer Fraktion zu bedenken. Tabakwerbung dürfe nur Minderjährige nicht erreichen. Erwachsene könnten Tabakprodukte legal erwerben. Da müsse es auch möglich sein, bei dieser Zielgruppe zu werben. «Legiferieren wir so liberal wie möglich und so restriktiv wie nötig», sagte Sauter.

Frage der Verfassungskonformität

Das Parlament sei daran, die Verfassung zu verletzen, hielt dagegen Manuela Weichelt (Grüne/ZG) fest. Das bestätige auch ein vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) verfasster und durch das Bundesamt für Justiz (BJ) konsolidierter Bericht.

Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider nahm ebenfalls Bezug auf dieses Gutachten. Es sei am Parlament, die Initiative verfassungskonform umzusetzen.

Melanie Mettler (GLP/BE) wies im Namen ihrer Fraktion darauf hin, dass viele Fragen zur Umsetzung der Initiative nicht klar beantwortet werden könnten. «Es gibt kein Schwarz-Weiss.» Unstrittig sei, dass Kinder und Jugendliche vor Tabakwerbung geschützt werden müssten.

Die Vorlage geht nun wieder zurück an den Ständerat. Falls er sie auch ablehnt oder der Nationalrat danach ein zweites Mal, ist das Geschäft erledigt. Das Parlament müsste dann für die Umsetzung des neuen Verfassungsartikels auf Feld eins beginnen. (SDA)

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