Sweet Fifty

Silvia Aeschbach ist erfolgreiche Gesellschafts- und Lifestyle-Journalistin. Vor Kurzem veröffentlichte sie das Buch «Älterwerden für Anfängerinnen – Willkommen im Klub!». Die Verkaufszahlen zeigen: Sie trifft einen Nerv damit.

«Ich habe ein gutes Gespür für gesellschaftliche Strömungen, für Themen, welche die Menschen interessieren und die in der Luft liegen, aber noch nicht medial plattgewalzt wurden», sagt Silvia Aeschbach. Der Verkaufserfolg ihres Buches gibt ihr recht. Innert kürzester Zeit ist «Älterwerden für Anfängerinnen» auf Platz eins der Schweizer Sachbuch-Bestsellerliste gelandet.

Das Buch erzählt die Geschichten von dreizehn Frauen zwischen 43 und 73 Jahren. Es sind alles «coole Frauen, die toll aussehen und gut mit dem Älterwerden umgehen», wie Aeschbach sagt. «Egal, ob sie eine eigene Firma gründen oder drei Kinder grossziehen: Sie sind selbstbewusst und machen etwas aus ihrem Leben.»

Ausführlich beschreibt Aeschbach auch das Aussehen der porträtierten Frauen. «Hochgewachsen, schlank, mit glänzenden braunen Haaren, grossen dunklen Augen und einer kecken Nase ist die 43-Jährige ein echter Hingucker», schildert sie die Inhaberin eines Coiffeursalons. «Auf der Strasse wird sie von wildfremden Leuten angesprochen, die von ihrer Ausstrahlung und Schönheit fasziniert sind», beschreibt sie ein 73-jähriges Model. Wer ist die Autorin hinter diesem klischiert aufgemachten Frauenbuch – und warum hat sie es geschrieben?

Journalistin mit Kampfgeist

Auf der Innenseite des Buchumschlags steht: «Silvia Aeschbach ist Journalistin. Sie arbeitete beim Schweizer Fernsehen und bei verschiedenen Zeitschriften und Zeitungen.» Es ist ein Understatement. Aeschbach hat eine beachtliche journalistische Karriere hinter sich. Nach ihrer Stelle als Moderatorin und Redaktorin bei SRF arbeitete sie als Ressortleiterin im Gründungsteam vom Nachrichtenmagazin Facts, mit 39 wurde sie Chefredaktorin vom ehemaligen Meyers Modeblatt ( um es zu «verjüngen» ), danach war sie drei Jahre in der Chefredaktion vom Blick tätig.

Sie hat ausserdem mithochkarätigen Journalisten zusammengearbeitet. Im Gründungsteam von Facts finden sich bekannte Namen wie Linus Reichlin oder Richard Reich, die heute beide als Schriftsteller tätig sind. Sie habe viel von solchen Journalisten gelernt, sagt Aeschbach. «Ich wurde relativ jung und unerfahren als Ressortleiterin eingestellt. Ich kam vom Fernsehen, den Print-Bereich kannte ich gar nicht richtig», erzählt sie. Die Führungsaufgabe sagte ihr zu. Denn sie sprüht nicht nur vor Ideen und weiss, wie man eine Geschichte macht, die bei den Lesern ankommt. «Ich kann das auch rüberbringen und ein Team mitreissen. Dadurch passten die Gründungsphasen bei Facts oder bei Meyers zu mir.» Später hat sie in der Chefredaktion vom Blick ebenfalls eine Führungsfunktion inne.

Vor acht Jahren erfolgte ein Bruch. Als der Blick einen Chefredaktor-Wechsel vollzog, wurde Aeschbach zur Kolumnistin zurückgestuft – und räumte daraufhin das Büro. «Das war schwierig. Der Blick war wie eine Lokomotive, in die man morgens einstieg und aus der man abends wieder ausgespuckt wurde. Nach meiner Kündigung fiel ich in ein Loch.» Hinzu kam die Enttäuschung. «Da kommt eine einzige Person, mit der es nicht geigt, und von heute auf morgen ist alles fertig. Zum ersten Mal im Journalismus kam ich wirklich auf die Welt. Niemand kämpfte für mich. Auch nicht diejenigen, die vorher meine nächsten Karriereschritte mit mir geplant hatten.»

Aeschbach bloggt heute auf Tagesanzeiger.ch über Schönheit und Gesundheit, verantwortet die deutschsprachige Ausgabe der Lifestyle-Beilage Encore und arbeitet als selbstständige Journalistin. Sie agiert abseits von Hierarchien ( mit Ausnahme eines kleinen Teams bei Encore). «Ich bin keine klassische Chefin und arbeite nicht mehr für einen Vorgesetzten, dem ich regelmässig Rechenschaft ablegen muss.» Sie sagt, sie geniesse es, entdecke neue Freiheiten. «Meine Ideen sind sehr auf mich selber bezogen. Ich mache, was mir gefällt und kann mich in einem gewissen Mass auch verwirklichen.»

Ausbrechen aus Rollenbildern?

Eines ihrer jüngsten publizistischen Projekte ist «Älterwerden für Anfängerinnen». Aeschbach will mit dem Buch stereotype Rollenbilder aufbrechen, wie sie sagt. «Ältere Frauen wurden in der Gesellschaft früher aufs Abstellgleis geschoben – von der Wirtschaft und der Mode, aber auch, indem sie sich selber unsichtbar machten», erklärt die Autorin, die selber 55 ist. «Das beginnt sich nun ganz langsam zu ändern. Wir brechen aus traditionellen Rollen aus und lassen uns nicht mehr sagen, wie wir uns anziehen oder verhalten müssen, wenn wir älter werden.»

Aeschbach ist ehrgeizig, «ein Attribut, welches man nicht landläufig mit Frauen assoziiert», wie sie selber sagt. Und nun will die Journalistin, deren Lebenslauf so gar nicht dem weiblichen Rollenbild ihrer Generation entspricht, traditionelle Rollenbilder aufbrechen, indem sie über Frauen schreibt, die trotz 40 plus «cool sind und toll aussehen»? Aeschbach ist überzeugt davon, dass sie das tut. Zweifellos trifft sie mit dem Buch den Nerv einer Generation. Zahlreiche Leserinnen im mittleren Alter finden sich in den Erzählungen wieder und sagen nach den Lesungen zu ihr: «So habe ich das auch erlebt, so war das bei mir auch.» Dass sie eine interessante Zielgruppe bedient, will die Bestseller-Autorin aber nicht als Motivation verstanden wissen. «Ich habe mir nie überlegt, welche Zielgruppe ich anspreche. Ich wollte meine eigenen Erfahrungen mit dem Älterwerden weitergeben.»

Text: Simone Isliker

Weitere Artikel zum Thema