«Egal, ob jemand gerne liest, hört, fernsieht oder surft – er braucht nur die Südostschweiz»

Die Werbewoche sprach mit Somedia-CEO Andrea Masüger über die umfassenden Neuerungen bei Somedia.

Werbewoche: Alles neu bei Somedia – neues Medienhaus, neue Logos für die einzelnen Sparten, ein neues Layout für die «Südostschweiz». Was versprechen Sie sich von den Veränderungen?
Andrea Masüger:Wir versprechen uns davon eine ganze Menge. Für uns ist das ein Neustart auf der ganzen Linie. Wir hatten 2008 beschlossen, das Medienhaus zu bauen, um alle Bereiche von Somedia unter ein Dach zu bringen und Synergien herzustellen. Aber wenn wir die Hardware erneuern, also das Gebäude, dann müssen wir auch die Software erneuern, also unsere Marken und Produkte. Wir konnten ja nicht mit unseren 15, 20 Jahre alten Logos in so ein modernes Medienhaus ziehen. Darum haben wir uns 2011 entschlossen, eine Strategie für die Erneuerung aller Strukturen zu entwickeln. Der Wunsch nach Konvergenz war der Hintergrund für alles: Wir wussten, dass wir im Medienhaus alle näher zusammenrücken werden und wollten dann auch wirklich konvergente Medien produzieren. Konsequenterweise mussten wir dann auch unsere Dienstleistungen konvergent ausrichten, also beispielsweise einen crossmedialen Verkauf schaffen. Jetzt ist alles frisch und neu und passt zusammen.

Das erklärt auch, warum alles zum gleichen Zeitpunkt geschieht. Sie hätten schliesslich auch schrittweise vorgehen können.
Ja, es läuft nicht alles hundertprozentig parallel, aber Ende März wird alles zusammenlaufen, der Bezug des neuen Medienhauses durch alle Abteilungen, die neue Markenführung, die Neugestaltung der «Südostschweiz» und die Implementierung der Medienfamilie Südostschweiz. So denken wir, gut für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu sein – auch wenn man nie genau weiss, was kommt. Wir wollen Chancen ergreifen und das Kommende positiv angehen.

Was hat das alles gekostet?
Das Medienhaus inklusive Radio- und Fernsehstudio und der kompletten Möblierung kostet 30 Millionen Franken, der reine Bau hat etwa 26 Millionen Franken gekostet. Die Entwicklung der neuen Markenführung und der Relaunch der Südostschweiz hat alles zusammen etwa 1 Million Franken gekostet.

Sie setzen mit dem Bau des Medienhauses und den Investitionen in eine konvergente Marke ein klares Zeichen gegen den um sich greifenden Abbautrend in der Schweizer Medienbranche. Geht es Somedia so gut?
Diese Frage haben natürlich auch unsere Mitarbeiter gestellt. «Alle müssen sparen und jetzt wird so eine Hütte gebaut.» Auch wir haben zwei Spar- und Effizienzrunden gedreht. Aber wir wollen auch nicht wie das Kaninchen vor der Schlange hocken und abwarten, was geschieht. Wir wollen den Markt offensiv mitgestalten. Unsere Prämisse für das Projekt war: Das Medienhaus muss für uns günstiger sein als die fünf Standorte, die wir im Moment betreiben. Dieses Ziel haben wir erfüllt. Wir haben insgesamt geringe Betriebskosten, eine schlankere Technik, weniger Sekretariatsleistungen, keine Kurierkosten, wir konnten Gebäude verkaufen oder vermieten. Und mit dem Medienhaus setzen wir Zeichen nach innen wie nach aussen, für unsere Leser, Hörer und Zuschauer und für unsere Werbekunden: «Wir sind präsent und gestalten in der Region aktiv mit.»

Wenn man von der «Südostschweiz» spricht, hat man für gewöhnlich die Printzeitung im Kopf. Wird die Dachmarke in Zukunft Verwirrung stiften?
Ich denke nicht. Es ist möglich, dass wie bei jedem Markenwechsel oder jeder Neueinführung eine Eingewöhnungsphase nötig ist. Die «Südostschweiz» ist in unserem Medienportfolio das grösste Medium, das natürlich ein spezielles Gewicht hat. Aber wir wollten ja genau die Medien, die ein wenig im Schatten der grossen Südostschweiz stehen – zum Beispiel Radio Grischa, das ja auch vom Namen schon sehr auf den Kanton Graubünden reduziert ist – anbinden an den Sog, an die Kraft der Marke Südostschweiz. Darum glauben wir an die positive Wirkung der Umbenennungen. Natürlich ist es neu, dass man vier unterschiedliche Medien gleich betitelt, das gibt es in der Schweiz noch nirgendwo. Aber es unterstreicht unser Ziel, konvergent zu arbeiten. Darum wollen wir auch eine Markenaussage platzieren: Egal, ob jemand gerne liest, hört, fernsieht oder surft – er braucht nur die Südostschweiz. Vorher hatten wir einen riesigen Salat von Logos, Schriftzügen und Labels. Natürlich ist das alles über Jahrzehnte gewachsen. Aber jetzt war eine Aufräumaktion nötig.

Bei so einem Grossprojekt gibt es naturgemäss eine Menge Skeptiker, auch in den eigenen Reihen. Mit welchem Geist ist es Ihnen gelungen, Ihre Mitarbeiter hinter sich zu scharen?
Das war eine grosse, auch psychologische Arbeit. Auf keinen Fall darf man sagen: «Wir haben eine Idee – was meint Ihr?» Dann wird alles sofort pulverisiert. Man muss klar definieren, welches Ziel man erreichen möchte und warum, und dann die Mitarbeiter abholen, sie den Weg, wie das Ziel erreicht werden kann, mitgestalten lassen. Das ist uns sehr gut gelungen. Bei den Redaktionen zum Beispiel haben wir am alten Standort einen kleinen Newsroom errichtet, in dem ein Redaktionsteam ausprobieren konnte, wie das funktioniert. Erst danach haben wir definiert, wie in der Newszone im neuen Medienhaus gearbeitet werden soll: Wie arbeiten die Redaktionen zusammen, wer hat welche Kompetenzen, wie ist der Tagesablauf? Wenn Mitarbeiter das Ziel verstehen und selbst an seiner Umsetzung mitarbeiten, hat man auch die nötige Akzeptanz.

Wer hat das neue Logo für die vier Sparten entwickelt?
Das theoretische Konzept für Servicemarken und Konzernmarke sowie die Zusammenführung der vier Sparten der Südostschweiz haben wir intern entwickelt, in Zusammenarbeit mit der Zürcher Unternehmensberatung AbegglenManagement Consultants. So bekamen wir Input von aussen und einen Überblick darüber, was andere machen. Und mit der optischen Umsetzung der Logos haben wir die Zürcher Kommunikations- und Designagentur Tatin beauftragt.

Und warum wurde das neue Layout der Südostschweiz von der Berliner Agentur Einhorn Solutions entwickelt?
Die Chefredaktion hat ein theoretisches Konzept vorgelegt, wie die Zeitung in Zukunft aufgebaut und gestaltet sein soll. Dann haben wir einen Pitch gemacht, den Einhorn gewonnen hat. Sie haben das Konzept einfach am ansprechendsten umgesetzt.

Die Tageszeitung Südostschweiz wurde komplett umgekrempelt. Wird das nicht einige der zumeist konservativen, älteren Zeitungsleser, die an «ihrem Blatt» hängen, verschrecken?
Damit muss man natürlich rechnen, schon bei einem schlichten Redesign, und wir haben ja einen kompletten Relaunch gemacht. Ich habe als Chefredaktor der Südostschweiz drei Grafikänderungen mitgemacht und es gab jedes Mal ein paar Leute, denen es nicht gefiel, die die Schrift nicht lesen konnten oder so. Das ist Daily Business, wenn man etwas verändert. Aber ich bin überzeugt, dass die Veränderungen nicht zu einer generellen Ablehnung führen werden. Die Zeitung wird anders, aber sie kommt mit ihrem Kachelprinzip und der Entrümpelung von kleinen, unwichtigen Texten dem heutigen Mediennutzungsverhalten entgegen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir haben übrigens auch eine Untersuchung mit Fokusgruppen gemacht, die repräsentativ aus der Leserschaft zusammengesetzt waren. Und da ist die neue Südostschweiz sehr gut angekommen.

Wie haben die Redaktoren der Südostschweiz auf die neue Ausrichtung und Gewichtung ihrer Zeitung reagiert?
Der Anstoss, die Südostschweiz zu entrümpeln und an das veränderte Nutzungsverhalten der Leser anzupassen, kam aus der Redaktion. Eigentlich wollten wir nur das Erscheinungsbild verändern, aber dann kam aus der Chefredaktion der Anstoss, einen kompletten Relaunch zu machen. Und der wird nun natürlich von der Redaktion mitgetragen.

Wie gestaltet sich bis jetzt das Zusammenarbeiten im neuen Medienhaus?
Nach anfänglicher Skepsis sind die Leute nun happy und bekommen Freude am neuen Medienhaus. Es wollen jetzt alle endlich umziehen. Es gab ein paar kleinere Probleme, aber wir haben ja einen Pilotumzug gemacht, um auf genau diese Probleme zu stossen und sie frühzeitig zu lösen. Wenn wir erst einmal alle dort sind, wird es einen Kulturwandel geben: die Leute sind nah beieinander, werden mehr miteinander kommunizieren, haben viel Licht und im wahrsten Sinne Durchblick. Und das wird auch die Köpfe, den Geist öffnen. Die Konvergenz, die wir theoretisch aufgegleist haben, wird sehr schnell auch praktisch gelebt werden. Davon bin ich überzeugt.
                                                                                      
Die Redaktionen von Zeitung, Radio und Fernsehen bleiben unabhängig, sollen im neuen Medienhaus aber in der gemeinsamen Newszone und am Newsdesk zusammenarbeiten. Wie genau soll das funktionieren?
Die Newszone ist im neuen Medienhaus der Bereich, in dem alle Redaktionen angesiedelt sind, Radio, Fernsehen, Print und Online sind dann sehr nah beieinander. Und der Newsdesk ist die tägliche Befehls- und Entscheidungszentrale, in der die vier Dienstchefs der Teilmedien sich austauschen. Dort wird diskutiert, wie einzelne Themen des Tages behandelt werden: Ist es eher für die Zeitung? Oder fürs Radio? Wo bringen wir was? Wie können sich die Medien ergänzen? Bringen wir einen Primeur lieber schnell online, oder mit viel Hintergrund in der Zeitung oder im Fernsehen? Wer beschafft welche Information? Theoretisch hätten wir hier auch eine Superredaktion über alle vier Medien schaffen können, aber wir wollten das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Wie genau die Zusammenarbeit läuft, wird sich in der Praxis zeigen. Vielleicht machen wir irgendwann auch eine grosse Redaktion, wir sind ja nicht am Ende der Entwicklung, sondern am Anfang.

Als CEO der Somedia sind Sie sicher stolz auf das ambitionierte Projekt. Was denkt der Journalist in Ihnen über Konvergenz, neue Formen der Zusammenarbeit und gestiegene Anforderungen an Medienschaffende?
Wenn ich jetzt noch Journalist wäre, empfände die eine Seite meines Herzens ein gewisses Bedauern darüber, dass man nicht einmal zehn Jahre in Ruhe arbeiten kann, wie man es gewöhnt ist. Sicher empfinden die Journalisten eine gewisse Wehmut, die ich gut nachvollziehen kann. Andererseits muss man sich gerade in dieser Branche den Entwicklungen anpassen. Eine Tageszeitung, die immer noch so gemacht wird wie vor fünfzehn Jahren, wird bald ihren Endpunkt erleben, weil irgendwann ihre spezifischen Leser nicht mehr da sind. Die Zukunft gehört der Konvergenz. Früher hat man in einem Leben 30 Jahre Bleisatz gemacht, dann 20 Jahre Filmsatz, heute entwickelt sich innnerhalb von fünf Jahren etwas Neues. Darauf muss man reagieren.

Interview: Anne-Friederike Heinrich

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