Aufgespiesst: Zwischen Like und Leistung

Anne-Friederike Heinrich, Redaktorin der Werbewoche, über die Medienstars von heute.

Der traurige Komiker Robin Williams ist tot. Das ist zum Heulen. Und macht den Weg frei für andere Medienstars – solche ohne Ausbildung und ohne Grips, dafür aber mit einem fast unnatürlichen Hang zur Selbstüberschätzung und Selbstinszenierung. Solche, die uns nicht zum Lachen bringen, sondern die sich lächerlich machen, so lächerlich, dass sie fast schon wieder cool sind; bei denen man nicht dahinterkommt, ob sie nicht realisieren, wie dumm und peinlich sie sind, oder ob sie bewusst dumm und peinlich tun, um sich besser vermarkten zu können. Sich gut verkaufen ist alles. Nur wozu bloss? Und wem?

Wir mit wichtigen Nachrichten überfrachteten Menschen von heute machen nichts lieber, als uns über Unwichtiges zu amüsieren. Wir können nicht vor all den harten Informationen weglaufen, mit denen wir von jeder Seite bombardiert werden. Darum schauen wir bewusst woanders hin. Dahin, wo es bunt, schrill und lustig ist, statt staubig, blutig und zerbombt. «Bauer ledig sucht» statt «Tagesthemen ».

Blubbern par excellence

Drei Stars dieser Tage sind deshalb – hello again – unser aller Vujo Gavric, Ex-Bachelor, Sonnenuntergangs- Poet und Frauenliebhaber, der sich, weil es um ihn unerklärlicherweise ein wenig still geworden ist, alle Kleider vom Leib reisst und ein Nacktfoto von sich, einer Dame und seinem besten (?) Stück postet. Und schwupps ist er wieder in den Medien, sogar in der Werbewoche. Als dümmster und zugleich bester Selbstvermarkter vor dem Herrn. Gratulation! Der zweite Medienstar ist eine Bundeshaus- Sekretärin, die ich nicht näher erwähnen will, da sie eh schon alle kennen. Der dritte Star ist klein, dick, rothaarig und mit seinen fünf Jahren bereits ein grandioser Schwätzer. Pumuckl? Nein, er heisst Noah Ritter und ist seit vergangenem Montag die Sensation für das amerikanische TV-Publikum. Und bald auch wohl für uns. Das Bürschchen griff nach dem Mikrofon und übernahm spontan die Regie, als ihn eine Nachrichten-Reporterin von WNEP-TV, einer TV-Station aus Pennsylvania, auf einem Jahrmarkt interviewen wollte (http://bit.ly/1qQIOIH). Er quasselt irgendetwas daher, das noch uninteressanter ist als das Wetter, und begeistert damit die Zuschauer. Das YouTube-Video wurde, Stand Mittwoch, bereits über 12,5 Millionen Mal aufgerufen. Das ist zweieinhalbmal die Schweizer Bevölkerung! Was weniger über das babbelnde Blag aussagt als über die elenden Erwachsenen, die das unterhaltsam finden. Zu allem Überfluss: Noahs Lieblingswort ist «apparently». Er verwendet es in jedem Satz – und trifft damit «anscheinend» den Nerv der Zeit. Denn alles ist heute «anscheinend», nichts gesichert. Ausser Blabla.

Um heute bekannt zu werden, braucht man nicht mehr Talent, Ideen, einen scharfen Geist oder guten Humor. Man benötigt nur ein Handy, knipst ein Selfie und schon füllt man das Sommerloch. Gefahr droht nur, wenn man beim Selfie-Machen auf der Klippe zu weit nach hinten tritt, vor ein Tram rennt oder in einen Gullyschacht stürzt. Aber Hauptsache, Friends und Follower habens gesehen. Freunde? Robin Williams hätte welche gebraucht, Menschen, die hinschauen, über ihn und mit ihm reden. Aber wir haben vorbeigezappt an den wirklichen News, zugunsten von Haut und Dummgeschwätz. Ist ja auch viel lustiger. Doch ob ich das gut finde, weiss ich nicht so genau.
 

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