Spannende Zeiten

Martin Kall, langjähriger CEO der Tamedia, heute Mitglied in den Aufsichtsräten der FAZ und der Funke-Gruppe, Verwaltungsrat der Tamedia und VR-Delegierter sowie Miteigentümer des Verlags AG Schweizer Bauer, im Interview mit Werbewoche-Chefredaktor Pierre C. Meier.

Werbewoche: Wie kamen Sie zur Funke- Mediengruppe (ehemals WAZ-Gruppe)?
Martin Kall: Durch Kontakte. Bei verschiedenen Gelegenheiten hat sich irgendwann mal der Kontakt zu den Eigentümern ergeben. Das liegt aber schon einige Jahre zurück.

Warum haben Sie das VR-Präsidium bei der Funke-Mediengruppe abgegeben?
Für Funke ist der Abschluss der Verhandlungen des Projekts mit Axel Springer ein grosser Schritt. Sowohl wirtschaftlich als auch kulturell und in Bezug auf die Unternehmensperspektiven. Es bietet eine einzigartige Chance, ein nationales Medienunternehmen von führender Bedeutung sowohl inhaltlich wie wirtschaftlich zu werden. Es wird die Modernisierung enorm beschleunigen. Aber es fordert auch das Unternehmen und verlangt entsprechend viel Energie. Mit dem Zeitbudget, das ich zur Verfügung hatte, war das nicht vorstellbar. Darum habe ich mir vorgenommen, ich bleibe bis zum Abschluss dabei. Danach wäre es nach meiner Meinung unverantwortlich, ein Unternehmen dieser Grössenordnung mit einem zu geringen Zeitbudget als Aufsichtsratsvorsitzender zu leiten. Darum freue ich mich über und für meinen Nachfolger Michael Wüller.

Waren Sie eigentlich der Spiritus rector der Übernahme?
Nein. Das hatte schon früher begonnen. Es ist eine starke Leistung der Gesellschafter und der Geschäftsführung. Sie haben dieses herausfordernde Projekt gemeinsam sehr gut gemeistert.

Christian Niehaus, Ex-Co-Geschäftsführer der Funke-Gruppe, hätte als ehemaliger Springer-Mann für die Redaktionen des Hamburger Abendblattes und der Berliner Morgenpost eine wichtige Rolle spielen können. Warum verliess er Funke?
Wir schauen jetzt bei Funke in die Zukunft, stellen uns neu auf, und ich möchte das gar nicht mehr «kommentieren».

…die Geschichte der WAZ tönt ja eigentlich wie ein Krimi..
(schmunzelt) Es ist kein Krimi, sondern eine wunderbare unternehmerische Geschichte. Nachdem Frau Grotkamp sich entschlossen hat, die Anteile der Familie Brost zu kaufen, hat sich die Entwicklung beschleunigt. Damit entstand eine neue, wirklich klare Struktur und die wird klug genutzt, um zum Wohle des Unternehmens nach vorne zu gehen. Das finde ich toll.

Gehe ich recht in der Annahme, dass die Kostenoptimierungsstrategie bei den Regionalzeitungen der Funke-Gruppe Ähnlichkeiten mit derjenigen bei Tamedia hat – einfach eine Nummer grösser?
Funke hat in Nordrhein-Westfalen eine Auflage von ungefähr 600'000. Dazu kommen noch die wichtigen Aktivitäten in Braunschweig, Thüringen, Hamburg und Berlin. Tamedia hat in verschiedenen Regionen der Schweiz auch über 600'000 Auflage. Die Herausforderungen an die Zeitungsverlage in Mitteleuropa sind sehr vergleichbar. Natürlich geht es dabei um die richtige Balance zwischen Konsolidierung und Innovation. Einerseits passen wir unsere Strukturen den neuen Zeiterfordernissen an, auf der anderen Seite müssen wir aber auch Dinge wagen, Neues probieren, das Digitale parallel entwickeln, um auch dort führend zu werden. Dabei ist der Markt in Deutschland viel grösser, so dass die Branche lange noch nicht so konsolidiert ist. In der Schweiz ist der Marktanteil der zwei, drei grössten Zeitungsverleger wesentlich höher als derjenige der zwei, drei grössten Zeitungsverleger in Deutschland.

Und jetzt haben Sie Rolf Bollmann zur Funke- Gruppe geholt…
Gute Idee, oder? (schmunzelt). Wir suchten jemanden, der einerseits das Zeitungsgeschäft von der Pike auf kennt und nachweislich in verschiedenen, schwierigen Situationen die Aufgaben gemeistert hat. Bollmann war ja nicht nur bei Tamedia für einen so wichtigen Titel wie den Tages-Anzeiger zuständig, sondern hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir den Zürcher Zeitungsmarkt konsolidieren konnten. Er hat im Aargau damals für die Verlegerfamilie Wanner die beiden grossen Zeitungen sehr erfolgreich zusammengeführt. Und jetzt in Basel hat er das Zeitungshaus komplett neu aufgestellt und letztendlich gerettet. Das ist das eine. Das andere ist: Ich kenne kaum einen in unserer Branche, der in den vergangenen 10, 15 Jahren so viel auch Innovatives auf die Beine gestellt hat. Er hat eigentlich 20 Minuten zum Leben erweckt, er hat mit den Kollegen als einziger in Europa einen Verbund von Regionalzeitungen zu einem führenden nationalen Newsportal (Newsnet) geschmiedet. Den innovativen Kopf, der ein gutes Auge für junge Talente hat, aber auch schon Unternehmen gesund und nachhaltig aufgestellt hat, den haben wir gesucht. Ich habe ja nur den Erstkontakt hergestellt. Er musste durch alle Prozesse gehen, die für eine solch wichtige Aufgabe zu Recht verlangt werden. Er hat die Kollegen in Deutschland überzeugt, sonst wäre er jetzt nicht da.

Wechseln wir den Schauplatz. Was sind Ihre Aufgaben im Aufsichtsrat der FAZ?
Wir sind ein fünfköpfiger Aufsichtsrat. Es gibt zwei Mitglieder, die stärker dem Tageszeitungsgeschäft verbunden sind, der Verleger aus Fulda und vielleicht ich, obwohl ich ja auch Erfahrung im Digitalen oder Zeitschriftenbereich habe. Der Aufsichtsratsvorsitzende, Karl Dietrich Seikel, kommt aus dem Zeitschriftengeschäft, verfügt aber über beinahe zwanzig Jahre Erfahrung im Zeitungsgeschäft als Verwaltungsrat bei Tamedia. Dazu kommen zwei sehr stark unternehmerisch denkende Persönlichkeiten, die auch mit der «DNA» der FAZ und der Fazit Stiftung ganz besonders verbunden sind. So ergänzt sich dieses Gremium wunderbar.

Die FAZ wies 2012 ein negatives Ergebnis aus. Die Aussichten für 2013 sind auch nicht rosig. Wohin geht die Reise? Nimmt man jetzt die Entwicklung des Online-Bereichs stärker an die Hand? Verglichen mit ihrer Stellung im Print-Bereich ist sie ja bis heute Online eher schmalbrüstig unterwegs…
Die FAZ will von ihrem Anspruch her im deutschsprachigen Raum ein Leitmedium sein…

…aber Online ist sie es eben noch nicht…
Das möchte ich nicht so sagen. Zum Beispiel ist es gelungen, mit Mathias Müller von Blumencron einen wirklich ausgewiesenen Profi zu gewinnen. Man darf bei Online auch nicht nur auf Reichweite schielen. Auch die Zeitung FAZ war nie die auflagenstärkste Deutschlands. Das ist gar nicht unser Ziel. Das dürfen durchaus andere Zeitungen sein. Wir wollen für eine ganz spezifische Zielgruppe ein führendes Medium sein. Das setzen wir – zunehmend immer besser – auch online um. Dass wir aber noch besser werden können und wollen, ist selbstverständlich. Mit der FAZ am Sonntag haben wir ein starkes Medium, das die FAZ ergänzt. In den vergangenen 18 Monaten ist es dem Team auch gelungen, die Frankfurter Rundschau nicht nur aus der Liquidation zu übernehmen, sondern sie auch so aufzustellen, dass sie jetzt zum ersten Mal seit vielen Jahren gesund ist.

Damit ist die FAZ mit ihrer Schwester, der Frankfurter Sozietät, in einer der stärksten Regionen Europas, dem Rhein-Main-Gebiet, sehr gut aufgestellt. Und stark meine ich nicht nur in Bezug auf die wirtschaftliche, sondern auch kulturelle und politische Kraft. Das gilt es jetzt aber weiter zu entwickeln. Das neue Team hat gerade erst am 1. Januar angefangen. Sehen Sie, selbst Unternehmen, die im Digitalen weiter sind, wie die New York Times, Le Monde oder Der Spiegel, haben immer noch grosse Herausforderungen vor sich. Denken Sie an die Personalwechsel in allen drei Unternehmen. Alle Medien sind heute extrem gefordert – der Druck wächst enorm. Ein gutes Harmonieren zwischen den Eigentümern oder deren Vertretern, der Geschäftsführung und den redaktionell Verantwortlichen ist eine entscheidende Stärke von Unternehmen. Das zu pflegen und es zu schaffen, dass es nicht zu einem gegenseitiges Sich-Lähmen kommt oder aber zum Überfahren von Einzelnen, ist eine unternehmerische Herausforderung. Ich glaube, die Unternehmen, die das besser schaffen, werden sich auch schneller auf die neue Zeit einrichten und letztendlich zu den Gewin nern gehören. Und die FAZ sehe ich auf diesem Weg.

Kommen wir zur Schweiz. Ich gehe davon aus, dass Sie auch bei der Strategie zur Übernahme der PubliGroupe massgeblich beteiligt sind (tiefes Angebot von Fr. 150, Kauf der Tweedy-Brown-Anteile zu Fr. 190, nachdem Swisscom nur für ihren 50-%-Anteil an Local.ch schon 230 Millionen geboten hat, Kauf von weiteren Aktien, so dass Tamedia mittlerweile einen Anteil von 17,6 % an der Publigroupe hält) . Ist das so?
Eines möchte ich klar festhalten: Bei Tamedia habe ich mich ganz bewusst diszipliniert als Verwaltungsrat eingereiht. Die Führung liegt bei den operativ Verantwortlichen und dem VR-Präsidenten.

Akquisitionen sind ja VR-Angelegenheiten…
Auch! Und da bin ich ein hoffentlich gutes, wertvolles Mitglied eines Teams. Das ist mir wichtig, und deshalb kann ich wenig dazu sagen, was und wie die Strategie ist. Da müssten Sie diejenigen fragen, die dafür verantwortlich sind. Mir macht die Sache eine Riesenfreude. Wie es auch Pietro Supino und Christoph Tonini gesagt haben, ist es eine grosse, einmalige Chance, ein starkes Gegengewicht zu Google aufzubauen. Sie haben die FAZ erwähnt – wenn Sie der Debatte (Schirrmachers Antwort auf den offenen Brief von Döpfner an Google betreffend der Marktposition) in der FAZ folgen, dann merken Sie – und ich glaube, diese Diskussion ist noch viel zu wenig in der Schweiz angekommen –, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Ich sehe in einer eventuellen Zusammenarbeit zwischen Local.ch und Search.ch eine Chance, dass es auch zumindest ein Schweizer Angebot in diesem Bereich gibt, das langfristig in Bezug auf die Qualität der Dienstleistung im Wettbewerb überleben kann. Darum finde ich die Idee, die beiden Unternehmen zusammenzuführen, absolut richtig. Wir werden sehen, wie es weiter geht. Die Chancen sind da, aber gewonnen hat man immer erst nach neunzig Minuten – manchmal gibt es auch noch eine Verlängerung und dann ein Elfmeterschiessen. Das macht ja auch den Reiz des Fussballs aus (lacht).

Im Dezember 2012 sagten Sie in einem Interview mit der Medienwoche, dass das Thema Zeitungskrise in ein paar Wochen wieder vom Tisch sei. Dem ist nicht so, der Pessimismus geht weiter. Was kann man dagegen tun?
Ja, die Krise! Früher wurde das Wort damit verbunden, dass man eine gewisse zeitlich definierte Periode durchlebte, in der ein Medium in einer Krise war. Darum kann man jetzt gar nicht mehr von einer Krise sprechen. Wir sind in einem Wandlungsprozess, der faszinierend ist. In einer gewissen Hinsicht ist es ein Privileg für jemanden, in so einem Prozess mitwirken zu können. Die Zeiten sind für Zeitungsverlage oder Medienunternehmen so spannend wie vielleicht noch nie, seit Gutenberg mit seiner Druckerpresse eine Revolution auslöste. Wir müssten diesen Prozess eher als Chance betrachten und uns darauf einlassen, ohne genau zu wissen, wo das am Ende in einem neuen Gleichgewicht endet.

Bundesrätin Doris Leuthard bemängelte letzte Woche am Swiss Media Forum die fehlenden Ideen der Schweizer Medienbranche. Sie erwähnte, dass sich in den vergangenen Jahren kein einziges Medienprojekt um eine Förderung via der KTI (Kommission für Technologie und Innovation) beworben hat? (Diese Aussage hat sich im Nachhinein zwar als falsch herausgestellt, denn sowohl Tamedia als auch NZZ haben bei der Kommission für Technologie und Innovation KTI sehr wohl Projekte eingereicht).
Etwas ist ja sehr stabil in unserer Gesellschaft und Branche. Die Politik wird von uns äusserst kritisch betrachtet, und es wird ihr Innovationsfeindlichkeit und Ratlosigkeit vorgeworfen. Dass sich die Politik dafür revanchiert, ist dann nur zu verständlich. Also wirft sie den Medien Ähnliches vor. Das ist schon fast wie eine Diskussion zwischen einem alten, lange verheirateten Ehepaar. Beide Seiten würden etwas vermissen, wenn das nicht so wäre. Darüber würde ich mich nicht zu sehr ärgern. Der Idee, dass es eine staatliche Förderung gibt für Medien, stehe ich sehr skeptisch gegenüber. Ich glaube, Innovation entsteht wesentlich dadurch, dass der Staat Rahmenbedingungen schafft, in denen sich die Menschen entfalten können und innovativ werden. Natürlich ist die Schweiz mit acht Millionen Einwohnern, über 20 Prozent Ausländern und vier Sprachen nicht in der Lage, Medien wie in einem Markt mit 300 Millionen Menschen zu entwickeln. Alles wird immer individualisierter, stärker auf eine Nische ausgerichtet. Dabei ist die Schweiz in gewisser Hinsicht ein Nischenmarkt bzgl. Grösse, und für neue Technologien braucht man einen gewissen Skaleneffekt. Darum ist manches undenkbar in der Schweiz. Aber auch hier wäre ein Blick über die Grenzen gut. In der FAZ wird zu Recht eine Diskussion geführt, dass entscheidende Innovationen und die Monopolisierung dieses Bereichs letztendlich von wenigen Konzernen in den USA ausgehen und in Europa relativ wenig entstanden ist.

Wenn ich jetzt den Medienmarkt Schweiz im Verhältnis ansehe, gibt es schon einiges, auf das man stolz sein darf. Wir haben zum Beispiel einen fantastisch entwickelten Sonntagsmarkt, den es so in dieser Form in keinem anderen Land Europas gibt. Wenn Sie sich die Rubrikanzeigenmärkte anschauen, kann sich eine Firma wie Jobs.ch oder Homegate. ch mit jeder in Europa vergleichen. Auch Local.ch und Search.ch sind Innovationen gewesen. Ja, der Schweiz ist es nicht gelungen, Google zu entwickeln, aber dass Google den wichtigsten Standort ausserhalb den USA in Zürich unterhält, spricht ja auch für das Land und seine Menschen. Ringier und Tamedia gehören mittlerweile beim Anteil von Digital- am Gesamtumsatz unter traditionellen Mediengruppen in Europa zu denjenigen mit dem höchsten Anteil. Dann die regionale Vielfalt. Dass wir immer noch so viele Regionalzeitungen haben, dies auch in sehr kleinen Gebieten. In Deutschland diskutiert man, ob das Saarland mit über einer Million Einwohnern überhaupt noch lebensfähig sei. Man würde es am liebsten mit Rheinland-Pfalz fusionieren. Hier haben gerade mal zwei Kantone über eine Million Einwohner und die kleinsten sind bei 30 000. Keiner käme auf die Idee, diese zu fusionieren. Und die haben alle ihre Regionalzeitung. Auch das ist Innovation. Das sollte die Politik durchaus mal anerkennen.

Weltwoche-Medienkolumnist Zimmermann wirft der Finanz und Wirtschaft aufgrund ihrer Berichterstattung zur Publi- Groupe Konzernjournalismus vor. Ist das Effekthascherei, Profilierungssucht oder die Suche nach der Wahrheit?
Wenn Sie seit Jahren jede Woche eine Kolumne schreiben müssen, dann gibt es manchmal fantastische Stücke, die ich mit Freude und Gewinn lese, und manchmal kann man wirklich nur sagen, er hätte besser mal Ferien genommen. In diesem Fall wäre eine Woche an der Sonne sicher besser gewesen. Diese Verschwörungstheorien – über die er sich übrigens in anderen Kolumnen zurecht wiederum amüsiert –, sind einfach Blödsinn. Wer die FuW, Mark Dittli, sein Team und Tamedia kennt, weiss, dass das einfach Humbug ist. Mehr kann man dazu nicht sagen. Aber wenn man so grosse Verdienste als Kolumnist hat wie Kurt Zimmermann, darf man auch mal komplett daneben liegen.

Veit Dengler, der NZZ-CEO, meinte im Interview mit der Werbewoche, die Medienhäuser müssten sich stärker in Richtung Technologieunternehmen entwickeln. Was sagen Sie dazu?
Fast alle grossen Zeitungshäuser waren mal Drucker und haben deswegen eine Affinität zur Technik. Das ist eindeutig ein wesentlicher Bestandteil auch in Zukunft. Aber Technologie ist nur ein Teil. In den Medienhäusern, für die ich tätig bin, sind andere Fähigkeiten, wie der journalistische Teil, immer noch dominant. Wenn ich ein starkes Herz habe, bin ich noch kein guter Läufer, ich brauche die Muskulatur dazu. Das ist ein Zusammenspiel von vielen Dingen – Technologie gehört auch dazu – , aber ich würde das nicht überbewerten.
 
Ihre Aussage überrascht mich. Bis heute hatte ich immer das Gefühl – und es wird auch so kolportiert –, dass Sie sich für das journalistische Produkt wenig interessieren.
Tamedia hat in der Zeit, in der ich bei ihr arbeiten durfte – auch wenn das manche nicht wahr haben wollen – viele Stellen im Journalismus geschaffen. Indem beispielsweise 20 Minuten enorm expandierte, in dem wir in Online-Journalismus so viel investiert haben, dass zwei sehr starke Newssites aus diesem Unternehmen kommen. Indem wir den Bund bewahrt haben. Journalismus braucht grosse Freiräume. Und sich in diese nicht einmischen, kann in dem Sinne nicht falsch sein. Es kann auch ein Zeichen von Respekt gegenüber dem Journalismus sein, dass man sagt, wir schaffen ganz bewusst als Unternehmen Rahmenbedingungen, in denen ihr euch entwickeln und einen grossen Freiheitsgrad erwarten könnt. Jetzt kann man sagen, das sei eine Riesenvernachlässigung, für die ich verantwortlich wäre, man kann aber auch sagen, nein, er hat verstanden, wie sehr sich Kreativität und Journalismus bedingen, und hat die dafür nötigen Rahmenbedingungen mit geschaffen.

Das haben Sie noch nie so klar gesagt!
Na, ich muss Ihnen ja mal was Neues sagen, damit Sie mich interviewen! Ich lese eine Zeitung, eine Zeitschrift, eine Website, ich schaue Fernsehen: alles nur wegen des Inhalts. Die Technik ist natürlich wichtig. Z. B. wenn das Ding dreimal abstürzt und einem das Einloggen fürchterlich erschwert wird

Dengler meint ja noch was anderes. Er denkt an neue Angebote, an Bundle etc.
In unserer Branche philosophieren ganz viele über das, was nötig sein könnte. Am Ende ist entscheidend, wie im Journalismus was bei Redaktionsschluss vorliegt. Ich denke an meine Tanzstunde. Früher als 15-Jährige sind einige in die Tanzstunde gefahren und haben sich im Bus unter den Jungs unterhalten, wer welches Mädchen anspricht. Nach der Tanzstunde sind sie wieder zurückgefahren und haben sich darüber unterhalten, wer nächstes Mal welches Mädchen ansprechen wird. Dann gab es aber auch ein paar Jungs, die haben weder am Ende noch am Anfang darüber geredet, die haben es einfach gemacht. Wir müssen in unserer Branche einfach mehr tun und weniger darüber reden, was vielleicht zu tun wäre.

Genau, und das können Sie jetzt beim Verlag Schweizer Bauer, den Sie den heutigen Eigentümern zu einem guten Preis verkauft haben, ausleben und sich austoben…
Da haben Sie absolut recht. Das ist eine sehr gute Abrundung für mich. Es ist für mich neu, «nur» Verwaltungsrat zu sein.

Wahrscheinlich juckt es Sie ja heute gelegentlich im Verwaltungsrat…
Nein, nein, nicht so oft (lacht). Aber klar, es ist ein andere Rolle, die ich erlernen musste. In dem Sinne ist es natürlich schon ein Privileg, einen solchen Ausgleich zu haben. Und dann noch als Miteigentümer. Man kann sich einfach mal ausleben und seine eigenen Fehler und Dummheiten begehen.

Ihr Portfolio ist ja schon faszinierend…
Es ist wirklich spannend. Bei Funke kann ich mit anschauen, wie ein grosser IT-Bereich mit Tausenden von Nutzern outgesourct und mit Partnerunternehmen geführt wird. Beim Schweizer Bauer frage ich mich, was die neue Redaktions-Software für unser kleines Team kosten soll, wo wir sie hosten und ob wir sie uns überhaupt leisten können. Das Verbindende aber ist, dass ich das Privileg habe, mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen es Freude macht. Als ich die Eigentümerfamilie von Funke kennengelernt habe, war das ein entscheidender Grund für mein Engagement bei Funke. Es sind aber auch die Leute, die bei der FAZ im Aufsichtsrat und bei der Tamedia im Verwaltungsrat sitzen, und beim Schweizer Bauer ist es der Mehrheitseigentümer OGG. Für mich ist heute ausschlaggebend, dass ich mit Menschen arbeite, mit denen es ein Vergnügen ist und ein Gewinn für beide Seiten darstellt. Wenn man das schafft, dann ist man auch unternehmerisch erfolgreich.

Interview: Pierre C. Meier

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