Partnervermittler und Eheberater

Roland Sutter, ehemaliger Partner der Agentur HESSKISSSULZERSUTTER, ist neu als Berater unterwegs. Als Schweizer Repräsentant des Netzwerks Roth Observatory International unterstützt er Unternehmen in allen Belangen der Agenturbeziehung: unter anderem bei Pitches und der Agenturevaluation.

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In Kürze: Roland Sutter war lange Jahre bei der Werbeagentur Gisler&Gisler tätig, die später Teil der BBDO-Gruppe wurde, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung. 1986 gründete er mit einem Geschäftspartner seine eigene Agentur Sulzer, Sutter, die 2010 zu HESSKISSSULZERSUTTER fusionierte. 2013 verliess Sutter die Agenturwelt und wurde Schweizer Partner von Roth Observatory International, einem Zusammenschluss der Beratungsfirma The Observatory International (UK) mit der Beratung Roth Associates (USA). Zu den Kunden der global agierenden Pitch- und Unternehmensberatung gehören Firmen wie Siemens, Allianz, Ferrero, Tesco oder BMW. BMW Schweiz ist dabei der erste Kunde, den Roth Observatory in der Schweiz bei der Agenturevaluation begleitete.

 
WW: Die Schweizer Agenturlandschaft ist relativ überschaubar. Weshalb brauchen Unternehmen eine externe Beratung?
Roland Sutter: Ich bin überzeugt: Der Schweizer Markt ist weniger überschaubar, als es auf den ersten Blick scheint. Es gibt Veränderungen Richtung Digitalmedien, neue Agenturen nehmen an Bedeutung zu. Ausserdem: Gerade weil die Landschaft überschaubar scheint, sind bei Agenturevaluationen immer wieder dieselben «usual suspects». Dem möchten wir entgegensteuern.
 
Welche Dienstleistungen bieten Sie an?
Wir sind als Unternehmensberatung spezialisiert auf die optimale Nutzung von Marketingressourcen. Unser Angebot gliedert sich in vier Teile: 1. die Selektion von Agenturen, 2. der gesamte Bereich Honorierung. Wir setzen uns für eine Honorierung ein, die Auftraggeber und Agentur langfristig zufrieden stellt. Darüber hinaus haben wir Modelle für erfolgsgekoppelte Honorierung von Agenturen. Das ist ein Bereich, der in der Schweiz noch unterentwickelt ist. Der 3. Bereich heisst «Optimise »: Wir optimieren Strukturen und Prozesse, reparieren Beziehungen, die nicht mehr optimal laufen. Der 4. Pfeiler umfasst Monitoring-Instrumente, um beispielsweise die Agenturleistung zu messen.
 
Wo liegt der Schwerpunkt?
Pitchberatung ist nur ein Standbein unseres Portfolios. Aktuell beraten wir immer häufiger. Vor dem Hintergrund der Digitalisierung des gesamten Marketings (nicht nur der Marken- und Produktkommunikation) helfen wir Unternehmen, den neuen Ansprüchen an die Organisation gerecht zu werden. Dies bedeutet unter anderem, sinnvolle Strukturen im Marketing zu konzipieren und die Zusammensetzung von Agentur-Portfolios neu zu ordnen.
 
Wie gehen Sie bei der Agenturevaluation vor?
Wir arbeiten mit einem mehrstufigen Verfahren. Dieses beginnt beim systematischen Identifizieren und Priorisieren der Auswahlkriterien des Auftraggebers. Daraus leiten wir das Vorgehen für die Suche ab. Wir erstellen eine sogenannte «Consideration- List» relevanter Kandidaten. In Abstimmung mit dem Auftraggeber werden Chemistry Meetings vor Ort bei den Agenturen durchgeführt. Nach Festlegung einer Shortlist begleiten wir den Pitch, übernehmen anschliessend, sofern vom Auftraggeber gewünscht, die Vertragsverhandlungen und stellen ein passendes Honorarmodell zusammen. 
 
Ihre Arbeit endet beim Pitch?
Nein, nach dem Pitch folgen sogenannte «Alignment- Workshops», in denen es darum geht, die Parameter einer erfolgreichen Zusammenarbeit abzustecken, um so schnell wie möglich auf Betriebstemperatur zu kommen. Im Rahmen eines Monitorings finden regelmässige «Health-Checks» statt. Diese bestehen aus Online- und Live-Befragungen und dienen dazu, rasch zu identifizieren, was gut läuft und was nicht. Daraus leiten wir wiederum Empfehlungen ab, damit die Beziehung erfolgreich bleibt. Wir sind nicht einfach Partnervermittlung, sondern auch Eheberatung. Das Vorgehen ist aber immer à la carte, je nachdem, was der Kunde braucht.
 
Honorarmodelle werden heute häufig von der Einkaufsabteilung (Procurement) bestimmt. Wie gross sind dort überhaupt Ihre Einflussmöglichkeiten?
Wir haben sehr viel Erfahrung in der Gestaltung von Modellen, die Höchstleistung und Effizienz belohnen. Für einige Kunden gestalten wir sogar in Kooperation mit dem Einkauf und dem Marketing neue Vergütungssysteme für die gesamte Organisation. Hier ist die Gesprächsbereitschaft sogar ziemlich hoch.
 
Wie stehen Sie zu honorarfreien Pitches?
Als Agenturbesitzer habe ich mich stets daran gehalten, an keinen Gratis-Pitches teilzunehmen. Allerdings war es mir als Werber relativ egal, wie hoch das Honorar war. Gereicht hat es sowieso nie! Und der Frust bei einem verlorenen Pitch ist gross, egal ob man noch 5000 oder 10 000 Franken erhalten hat oder nicht.
 
Und wie ist Ihre Meinung als Berater?
Ich rate Kunden, sich nach den Landesgepflogenheiten zu richten. In der Schweiz ist es Usus, Pitches zu bezahlen. Auftraggeber sollten sich daran halten.
 
Für welche Unternehmen ist eine externe Beratung sinnvoll?
Weltweit gesehen greifen vor allem grosse, international tätige Firmen auf die Dienste von Roth Observatory zurück. Banken, Versicherungen, Hersteller von Markenartikeln aller Art, Automarken wie BMW, der erste Kunde, für den wir auch in der Schweiz arbeiten.
 
Für kleinere Unternehmen dürfte sich das Engagement nicht rechnen …
 Zumeist erachten es Unternehmen erst ab einer gewissen Komplexität in der Agenturbeziehung als sinnvoll, einen Berater zu engagieren. Die Erfahrung von Roth Observatory in Deutschland zeigt jedoch, dass unsere Dienstleistungen auch für mittelständische Unternehmen attraktiv sein können. Diesen Firmen fehlt oftmals beim einen oder anderen Aspekt der Agenturbeziehung das Know-how.
 
Ab welchem Budget lohnt es sich?
Ich möchte keine Budgetgrenze aufstellen – dazu habe ich momentan auch noch zu wenig Erfahrung. Der Auftraggeber muss im Einzelfall die Rechnung machen, ob sich die Beratung auszahlt.
 
Wie werden Sie entlöhnt?
Wir werden von unseren Kunden nach Aufwand bezahlt. Von Agenturseite erhalten wir selbstverständlich nichts, um unabhängig zu sein.
 
Welche Vorteile bringt es Ihnen, Teil des Observatory- Netzwerks zu sein? Sie hätten sich auch als Einzelberater selbstständig machen können …
Der Vorteil liegt darin, dass ich das Know-how des Netzwerks nutzen kann. Ich kenne die Schweizer Agenturszene und habe langjährige Erfahrung in der Kundenbeziehung. Durch Roth Observatory verfüge ich zudem über zahlreiche Tools zur Selektion, zu Entlohnung und Reviews. Zum Beispiel habe ich Zugriff zu einer Datenbank mit Zahlen zu Agenturhonorierungen weltweit.
 
Wie reagieren Agenturen auf Sie?
Ich habe bislang erst mit einzelnen Agenturen geredet. Die mir geäusserten Reaktionen waren positiv. Nun steht ein Termin beim Branchenverband BSW an, dort stehen wir Rede und Antwort. Mir ist wichtig, dass die Agenturen über unsere Tätigkeit informiert sind.
 
Auch wir haben uns umgehört. Es gab Kritikpunkte, mit denen ich Sie nun gerne konfrontiere.
Okay, gut. «
 
Berater verursachen zusätzliche Kosten. Dieses Geld sollte besser in Kommunikation fliessen.»
Das ist eine sehr einfache Aussage. Schauen Sie sich um, wie viele Kunden-Agentur-Beziehungen täglich Ressourcen verschwenden, weil keine Übereinstimmung über Ziele und Erwartungen herrscht. Und das jahrelang. Wie viele Pitches laufen jährlich, die nicht zu den erwünschten Ergebnissen führen? Da sind unglaubliche Kosten im Spiel. Wir bieten praxisnahe Vorgehensweisen, die sehr fokussiert ver einbarte Ziele verfolgen. Das Feedback aus den anderen Märkten zeigt uns, dass sowohl der Einkauf als auch das Marketing mit den Ergebnissen sehr zufrieden sind. Natürlich kosten wir etwas. Wir gehen aber davon aus, dass der ROI die Kosten, die wir als Berater verursachen, deutlich übersteigt.
 
Ein anderer Punkt: «Die direkte Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Kunden wird durch einen Berater erschwert.»
Das ist das pure Gegenteil von dem, was wir anstreben. Wir versuchen, die Zusammenarbeit zu verbessern. Wenn etwas nicht funktioniert, schreiten wir helfend ein. Ansonsten halten wir uns weitestgehend zurück.
 
Ein Vorwurf betrifft die mangelnde Neutralität bei der Agenturwahl. Wie vermeiden Sie, dass Sie aus dem Kreis «der üblichen Verdächtigen» herauskommen?
Erstens, indem wir ein möglichst breites Spektrum an Agenturen abdecken und über Entwicklungen auf dem Laufenden sind. Dazu gehen wir nun bei möglichst vielen Agenturen vorbei. Zweitens recherchieren wir bei jedem Auftrag nochmals neu. Drittens schlagen wir nicht einfach eine Agentur vor. Zuerst erstellen wir eine Consideration-List, dampfen diese zu einer Shortlist ein und laden danach 3 Agenturen zu einer Präsentation ein – nicht 5 oder 10, wie das zuweilen vorkommt. Aber klar, die Auswahl wird niemals im eigentlichen Sinne «neutral» sein, sondern nach bestem Wissen und Gewissen das widerspiegeln, was wir in Abstimmung mit dem Kunden für die optimale Auswahl halten.
 
Berater ziehen teilweise im Hintergrund die Fäden, geben sich aber nicht zu erkennen. Treten Sie bei den Agenturen offen in Erscheinung?
Immer. Wenn wir involviert sind, ist das für Agenturen von Beginn weg klar. Das schafft Vertrauen.
 
In der Schweiz gibt es bereits Einzelberater und Beratungsfirmen, die manchmal bei Pitches hinzugezogen werden. Wie schätzen Sie die Konkurrenz ein?
Berater gibt es zwar vereinzelt, aber der Markt ist im europäischen Vergleich noch unterentwickelt. Ich betrachte unser Angebot als ziemlich neue Dienstleistung, insbesondere weil wir neben der Pitchberatung eine Reihe von Tools haben, die Unternehmen dabei unterstützen, ihre Marketing-Ressourcen besser zu nutzen. Die Professionalisierung hilft aus meiner Sicht allen.
 
Die Professionalisierung hat doch auf Auftraggeber- Seite bereits zugenommen.
Das ist der Fall. Trotzdem scheitern viele Kunden- Agentur-Beziehungen z.B. an der mangelnden Briefing- Qualität oder an der nicht funktionierenden Entscheidungskultur auf Unternehmensseite.   
 
Was heisst nicht funktionierende Entscheidungskultur?
Früher war Werbung Chefsache. Heute ist alles strukturiert und hierarchisiert. Die Firmenstrukturen sind häufig so ausgelegt, dass Mitarbeiter viel leichter «Nein» sagen als «Ja».
 
Wie meinen Sie das?
Mitarbeiter haben jede Kompetenz, gegenüber der Agentur «Nein» zu sagen. Sobald sie «Ja» sagen, werden sie intern verantwortlich gemacht. Das führt dazu, dass es Mitarbeitern leichter fällt, «Nein» zu sagen. Arbeiten werden so häufig zuerst einmal abgelehnt, es geht in eine zweite Runde und am Schluss sind Auftraggeber und Agentur frustriert, dass es so lange dauert und so viel kostet. Professionalisierung im Entscheidungsprozess könnte zu einer Verbesserung beitragen.
 
Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Monate gesetzt?
Eine Umsatzzielsetzung steht noch nicht im Vordergrund. Erstes Ziel ist Bekanntheit: Ich möchte, dass man uns bis in einem Jahr kennt in der Branche. Zweites Ziel ist Reputation: Ich möchte mit drei, vier Projekten zeigen, dass wir einen guten Job machen. Und ein drittes Ziel ist, in ein bis zwei Jahren einen weiteren Partner an Bord zu haben.

Interview: Isabel Imper

 


Was Agenturen von Pitchberatern halten

Bei der Neukundengewinnung machen Schweizer Agenturen nur selten die Bekanntschaft externer Berater. Skeptisch sind die meisten – auch wenn die Meinungen über Nutzen und Unnutzen auseinandergehen.  
 
Die angefragten Agenturen stehen dem externen Beratungsangebot bei Agenturevaluationen oder zur Pitchbegleitung grösstenteils kritisch gegenüber. Die Einschaltung eines Beraters erschwere die Beziehungspflege und die Kommunikation mit dem Kunden, da man über Dritte kommuniziere, betonen viele. Es werde schwieriger, das gegenseitige Kennenlernen mit dem potenziellen Kunden zu fördern und das Verständnis für das Kundenbedürfnis zu erlangen. In der täglichen Arbeit sei die Beziehung zwischen Kunde und Agentur entscheidend für den Erfolg. Die Wahl der Agentur sollte vom Kunden erfolgen und nicht ausgelagert werden. Viele Agenturen stellen infrage, ob es auf dem überschaubaren Schweizer Agenturmarkt überhaupt Berater brauche. Auftraggeber könnten sich selber einen Überblick verschaffen. Verwiesen wird hier beispielsweise auf den Pitch-Guide des Branchenverbandes BSW leading swiss agencies. Eine Agentur differenziert: International tätige Konzerne mögen eine gewisse Nachfrage nach Harmonisierung des Prozederes über mehrere Länder haben, für Schweizer Kunden halte man den Umweg über den Pitchberater für eher fragwürdig. Hinterfragt werden zudem die Kosten und der zusätzliche Zeitaufwand, der für Berater anfällt. Diese Mehrausgaben stünden in den meisten Fällen in keinem Verhältnis zum Budget, wird kritisiert. Das Geld für Zwischenberater solle besser in die Kampagnen fliessen. Zumal die Berater zuweilen ihr Geld nicht wert seien. Denn nicht immer glänzen die Berater mit Branchenkenntnis, wie die Umfrage zeigt. Eine Agentur wurde von einem Berater zu einem Pitch eingeladen, obwohl sie von ihrer Positionierung her gar nicht ins Profil passte.

Mehr Kostendruck durch Berater?

Dass die finanziellen Bedingungen für die Agentur durch einen Berater härter werden, glauben die wenigsten. Der Kostendruck bestehe sowieso, so der Tenor. Häufig würde dies über das firmeninterne Procurement gesteuert, ist eine Erklärung. Sind die Berater aus Sicht der Agenturen also komplett überflüssig? Nein, in gewissen Situationen attestieren die Agenturen den Beratern durchaus eine Daseinsberechtigung. Bei sehr komplexen, meist globalen Aufgabenstellungen könne die Zwischenschaltung einer Beratungsfirma Sinn machen. Ebenso, wenn auf Auftraggeberseite das Know-how fehle und ein Kunde den Markt, die Agenturen oder die Konditionen nicht kenne. In solchen Fällen scheint sich der Einbezug eines Beraters auch für die Agenturen zu lohnen. Die Zusammenarbeit könne sich durch einen externen Berater verbessern, etwa durch die höhere Professionalität im Rahmen der Ausschreibung, beim Prozess oder bei der Qualität des Briefings.

 
Wie häufig kommen Berater zum Zug?

Endgültig auf Glatteis begibt man sich beim Versuch herauszufinden, wie häufig sich Berater bei Agenturevaluationen oder Pitches einschalten. Der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA Deutschland hat in einer Umfrage erhoben, dass etwa bei jeder zehnten Etatausschreibung externe Pitchberater hinzugezogen werden (2011). In der Schweiz dürften es viel weniger sein. Verlässliche Angaben sind beim BSW nicht aufzufinden. Das Thema stehe auf der Pendenzenliste, so BSW-Geschäftsführer Peter Leutenegger. Er halte die Situation aber nicht für akut. Bei der Umfrage der Werbewoche sagte etwa ein Drittel der Agenturen, die geantwortet haben, noch nie über eine Beratungsfirma zu Kunden gekommen zu sein. Bei den übrigen liessen sich die Fälle an einer Hand abzählen. Nur eine der Agenturen, ein Webdienstleister, sprach davon, dass bei ihnen bis maximal 20% der Neukunden-Pitches über Berater geführt werden.

Wer sind sie?

Meistens handle es sich bei den Beratern um Einzelmasken, die eine gute Beziehung zum Kunden haben. Ehemalige McKinsey-Berater oder Personen, die früher selbst in der Werbung tätig waren. Andere Agenturen nannten vereinzelt internationale Beratungsnetzwerke – es handle sich aber um Ausnahmen. Und: Offenbar sind auch etablierte Schweizer Beratungsfirmen (Kommunikations- und Wirtschaftsberatung) im Bereich der Agenturevaluation und Pitchberatung aktiv. Einmal mehr zeigte sich: Viele Berater bleiben lieber im Hintergrund. Dass ihre Mandate öffentlich werden, wollen sie nicht. Agenturen, die Berater mit Namen nannten, liessen sich denn auch versichern, dass deren Namen nicht publiziert werden. In einigen Fällen ziehen es die Berater sogar vor, selbst gegenüber der Agentur unsichtbar zu bleiben. In einem Fall hatte sich der Berater erst in der Schlussphase gezeigt. In zwei weiteren Fällen haben die Agenturen nur per Zufall davon erfahren, dass ein Berater mitmischt. Diese Intransparenz dürfte der Akzeptanz externer Berater nicht gerade dienlich sein.

Isabel Imper
 

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