Stallluft für Städter

Mit bisher über 160 Videos im Netz betreibt der Bauernverband mit BuureTV eine erfolgreiche Imagekampagne.

Es gibt gute Gründe, BuureTV.ch als Beispiel für eine Video-Imagekampagne im Netz hervorzuheben: Der offizielle Web-TV-Channel des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV) läuft bereits im fünften Betriebsjahr und hat im Mai dieses Jahres am World Media Festival in Hamburg einen Gold Award in der Kategorie Web-TV Information gewonnen. Verantwortlich für das Projekt im Geschäftsbereich Kommunikation beim SBV ist Matthias Singer. Gefragt nach der Episode, die ihm persönlich am liebsten ist, nennt er den Beitrag über den Berufsmusiker Michel Biedermann, der als Klarinettist im Berner Sinfonieorchester mitspielt. «Ich mag diesen Beitrag so, weil Michel Biedermann nicht nur Musiker ist, sondern auch Landwirt. Und dieses Wechselspiel finde ich faszinierend. Nicht zuletzt auch deshalb, weil man spürt, wie sehr Michel Biedermann seinen Beruf als Landwirt liebt.» Als weitere Episoden hebt er hervor:

– Die beste: «Der Beitrag über den Wanderschäfer, weil er emotional ist, humorvoll, nachdenklich, aber eben auch ernst: Wenn – bei aller Romantik – kein einheimisches Lammfleisch gegessen wird, wird es bald keine Wanderschäfer mehr geben.»

– Die am meisten geschaute: «Das ist ganz klar der Beitrag über den 1.-August-Brunch.»

– Die unterschätzte: «Ein Film, der klar mehr Aufmerksamkeit verdiente, ist der Beitrag über den Mohnölbauer David Brugger. Ein junger Landwirt, der mit einem neuen alten Betriebszweig ein Auskommen gefunden hat.»

– Die aufwändigste: «Das war wohl die Episode über das Molkebad der Familie Marti auf der Berglialp hoch über dem Glarnerland. Das Filmteam musste die Kameraausrüstung für diesen Film fast zwei Stunden steil den Berg hoch tragen. Resultat war ein toller Film über eine Bergbauernfamilie, die sehr erfolgreich eine Nische entdeckte und diese mit viel Liebe fürs Detail pflegt.»

Der SBV als Dachverband hat seine Kommunikation in der Form einer Pyramide strukturiert: Zuoberst stehen, in Verantwortung der jeweiligen Markeninhaber, einzelne Produkte, wie Emmi oder Caffe latte, darunter Produktegruppen wie Obst, Gemüse, Milch usw. Und ganz zuunterst, quasi als Basis, führt der SBV bereits seit 1998 unter dem Claim «Gut, gibt’s die Schweizer Bauern» eine umfassende Imagekampagne für die Schweizer Landwirtschaft. Die Kampagne umfasst neben der klassischen Mediawerbung mit Plakaten und TV-Spots noch zahlreiche weitere Massnahmen, mit denen das Image der Landwirtschaft verbessert werden soll. Buuretv. ch ist eine dieser Massnahmen und wurde 2007 zuerst als Pilotprojekt im Kanton Aargau und dann 2008 für die ganze Deutschschweiz eingeführt, um ein junges, städtisches Zielpublikum zu erreichen. «Wir stellen eine zunehmende Entfremdung zwischen der bäuerlichen und der nichtbäuerlichen Bevölkerung fest und versuchen deshalb mit den Online- Videos etwas ‹Stallluft› in die städtischen Wohnzimmer zu bringen», begründet Singer die Zielgruppenstrategie.

YouTube enttäuschte

Die Videos sind in einem separaten Kanal auf Internettv. ch zu sehen, der über Buuretv.ch erreichbar ist, sie werden auf diversen Websites eingebaut, wie auf Bauernverband.ch oder Landwirtschaft.ch und auch in Social Media verwendet, vor allem auf Facebook. Daneben kommen sie auch bei Messen und Hoffesten der jeweiligen Bauern zum Einsatz und werden Lokalfernseh-Stationen wie TeleNapf oder ZüriPlus gratis zur Verfügung gestellt. Über die eigenen Websites und über Facebook werden die grössten Reichweiten erzielt. Pro Jahr werden zwischen 400 000 und 500 000 angeschaute Videos verzeichnet, was gemessen am Budget eine der höchsten Reichweiten aller Kommunikationsmassnahmen des SBV entspricht. Die Verweildauer liegt bei durchschnittlich 2:45 Minuten, was bedeutet, dass in der Regel die Episoden mit einer durchschnittlichen Dauer zwischen 2:30 Minuten bis zu 4 Minuten in der vollen Länge angeschaut werden. Eine Verbreitung über YouTube steht für Singer nicht im Vordergrund. In der Pilotphase habe man den Videokanal auf YouTube relativ stark promotet, habe aber bald gemerkt, dass die anvisierte Zielgruppe mit einem eigenen, gut eingebetteten Kanal viel besser erreicht werden könne. Der Bauernverband verbreite heute über einen YouTube-Kanal «sporadisch einige Videos». Doch YouTube sei viel zu wenig zielgruppenorientiert, international gebe es riesige Streuungen und die Zugriffszahlen seien im Vergleich zum BuureTV-Kanal «erstaunlich tief», berichtet Singer und räumt gleichzeitig ein, vielleicht müsste man nach dem letzten Anlauf im Jahr 2010 «das Experiment wieder einmal machen».

Für die Produktion der Videos sowie für das Hosting und Streaming hat Singer von Anfang an mit der Firma Ipmedia in Zürich zusammengearbeitet. Heute sind die Produktionsabläufe mit Ipmedia gut eingespielt, und Singer wendet für BuureTV pro Woche noch ein bis zwei Stunden auf. Vor allem die Themensuche und die Absprachen mit den beteiligten Bauern liegen beim SBV. Anfangs habe man für jeden Dreh ein kurzes Storyboard verfasst, doch mittlerweile kennen die Videojournalisten die Anliegen des Bauernverbandes «sehr gut und entscheiden vor Ort selber, wie die Themen in Szene gesetzt werden», rühmt Singer. Vor dem Dreh werde die zentrale Aussage festgelegt und dann vor Ort umgesetzt. «Die VJs haben da eine grosse Freiheit, das eigentliche Storytelling passiert häufig während des Drehs. Denn man habe gemerkt, dass mit einem Drehbuch «häufig gute, spontane Ideen keinen Platz hatten». Auch habe man anfänglich immer zu viele Informationen in die Videos packen wollen, berichtet Singer über weitere Erkenntnisse. «Die VJs haben uns aber sehr bald davon überzeugt, dass die Videos kurz sein müssen, eine Story pro Film mehr als genug ist.»

Ausbau zu einem nationalen Projekt

Auf Zukunftspläne mit BuureTV angesprochen, meint Singer, man wolle künftig dem Ansatz treu bleiben, die Landwirtschaft in ihrer ganzen Breite zu zeigen und dabei immer die Menschen ins Zentrum zu stellen. Und schon länger habe man im Sinn, auch in die Westschweiz zu expandieren und mittelfristig BuureTV zu einem nationalen Projekt zu entwickeln. Singer weiss, dass dazu die Videos von Romands gemacht werden müssten, und bedauert, dass Ipmedia keine welschen VJs beschäftigt. Derweil hat BuureTV bereits Nachahmer in der eigenen Familie gefunden: Die Gemüseproduzenten betreiben eine eigenständige Kommunikation und sind mit Gemüsetv.ch aktiv geworden, nachdem sie BuureTV gesehen haben. So es thematisch sinnvoll ist, werden Videos ausgetauscht, um gegenseitig von der zusätzlichen Verbreitung zu profitieren.

Christoph J. Walther

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