Die Minimalagentur

Mit der Pop Up Agency geht ein neues, unkonventionelles Agenturmodell an den Start. Ein Netzwerk von selbstständigen Kommunikationsspezialisten, aus dem Werbeauftraggeber ein Team zusammenstellen können.

Die leichte Skurrilität ist beabsichtigt, als sich Michael Benz und Roli Hofer in der Bäckeranlage im Zürcher Kreis 4 in Szene setzen. Benz hat auf einer Parkbank Platz genommen, Hofer steht, nippend an einer Teetasse, etwas weiter vorne.

Die Gründer der Pop Up Agency brechen gerne aus Zwängen aus. «Nur weil wir jetzt eine Agentur sind, brauchen wir kein schickes Sitzungszimmer», sagt Hofer. Treffen finden in seinem Atelier an der Kanzleistrasse, bei Benz am Kreuzplatz, bei einem Kunden, in einer Beiz – oder, wie heute, irgendwo draussen statt. «Wir sind eine non-physische Agentur.»

So variabel der Arbeitsort der Agentur, so agil ihre Struktur. Getreu dem Namen entsteht die Pop Up Agency, wenn ein Auftrag vorhanden ist. Wird sie nicht mehr gebraucht, verschwindet sie wieder. Unabhängig davon sind Hofer und Benz nach wie vor als Einzelunternehmer tätig und betreuen ihre eigenen Kunden.

Das Credo der Pop Up Agency lautet «so viel Agentur wie nötig». Keine Büroräumlichkeiten, keine Angestellten. Sie besteht aus einem Netzwerk freischaffender Kommunikationsexperten, die sich jeweils für ein Projekt unter einem Dach zusammenfinden. Dieser betriebswirtschaftliche Ansatz erlaubt es, Fixkosten auf ein Minimum zu beschränken und zielgerichtet zu kalkulieren.

Das Kernteam der Pop Up Agency umfasst aktuell sieben Personen. Damit deckt die Agentur die zentralen Bereiche aus der Kommunikation ab: Art Direction, Text, Strategie/Beratung, Social Media, Mobile, Web, Film/Produktion, Event/Gastro. Je nach Projekt werden weitere Spezialisten hinzugezogen.

Die Leitung liegt bei Roli Hofer (AD) und Michael Benz (Beratung/Strategie). Hofer ist seit fünf Jahren selbstständig unterwegs. Benz, der bei der Agentur Rod Kampagnen wie «Slow down, Take it easy» realisierte, hat vor gut einem Jahr eine eigene Kommunikationsberatung gegründet.

Bei Aufträgen übernehmen Benz und Hofer die Erstbeurteilung und wählen geeignete Spezialisten aus. Auf Wunsch können Werbeauftraggeber das Team gleich selbst zusammensetzen – und dabei auch die eigene Expertise einbringen. «Wir glauben an den mündigen Kunden», so Benz.

«Kommt der englische Humor auch rüber?», fragt Hofer. Ein Passant ist mittlerweile stehen geblieben und blickt neugierig, was hier vor sich geht.

Zum offiziellen Start im Oktober kann die Pop Up Agency bereits einige Projekte präsentieren, die im Netzwerk umgesetzt wurden. Etwa machte das Team für die EvB (Erklärung von Bern) Konsumenten auf die unfairen Produktionsbedingungen bei der Schokoladenherstellung aufmerksam. Für einmal hoppelt der Schokoladenhase nicht fröhlich durch die Werbung, sondern begeht Suizidversuch. Damit, dass er aus unfair produzierter Schokolade hergestellt ist, kann das süsse Testimonial nicht leben. Über eine Facebook-Page wurde zudem eine gigantische Schokolade zusammengebaut. Jeder Konsument konnte ein Täfelchen mit seinem Namen hinzufügen. Die Mega-Tafel mit über 13 000 Stücken ging schliesslich in Produktion und wurde dem Schokoladenhersteller Lindt und Sprüngli vor den Medien überreicht mit der Aufforderung, mehr fair produzierte Lebensmittel anzubieten.

//www.youtube.com/watch?v=TwWrKrPdgzU

Die Arbeiten der Pop Up Agency sprechen eine moderne, urbane Sprache. «Heutig», meint Hofer. Inhaltlich wollen sie sich keine Fesseln anlegen lassen. «Wir denken medienneutral und glauben an die Kraft des Geschichtenerzählens – insbesondere im Kontext der integrierten Kommunikation», so Benz.

Geschichten, die vorzugsweise von den Medien aufgenommen werden. Bestens funktioniert hat dies beim Projekt «Vor dem Club nicht lauter als 40 Dezibel », das die Zürcher Nachtschwärmer für das Lärmproblem rund um Bars und Clubs sensibilisierte. Anstatt die Moralkeule zu schwingen, wurde direkt vor den Lokalen ein Bett aufgestellt. Darin versuchten zwei Schauspieler ein Nickerchen zu machen. Waren die Gäste zu laut, erhielten sie einen Rüffel. Die Aktion fand in diversen Medien Niederschlag, unter anderen bei 20 Minuten und Tele Züri. «Ich glaube, ehrliche, witzige und anrührende Geschichten werden gerne weitererzählt – auch von Medien», sagt Benz.

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Aufgegangen ist die Strategie auch bei «LOCALIKE New York», einem Customized-Travel-Anbieter, der Kunden ein individuelles, auf ihre Interessen und Vorlieben abgestimmtes Reiseprogramm arrangiert. Dem amerikanisch-schweizerischen Start-up hat die Pop Up Agency zum Start verholfen und neben Planungsprozess mit Marktanalysen, Research sowie Positionierung und Corporate Design die PR-Arbeit im deutschsprachigen Raum betreut. Zusätzlich zu Online- und Printwerbung verhalf das Medienecho in diversen Titeln dem Start-up zu Bekanntheit (u. a. Die Zeit, Welt am Sonntag, GQ, annabelle, SI Style).

«Sind wir mit dem Shooting bald fertig? Langsam wird es heiss …», erkundigt sich Benz.

«Noch eine Frage: Für welche Kunden seid ihr der richtige Partner?» – «Auf alle Fälle Start-ups, dort bringen wir viel Erfahrung mit», meint Hofer. «Und allgemein Unternehmen, die nach einer neuen, individuellen Form der Zusammenarbeit suchen », ergänzt Benz. Eine Zusammenarbeit, in der die Kunden selber bestimmen können, welche Dienste sie benötigen – und auch nur diese bezahlen. Getreu dem Agentur- Slogan: «Whatever it takes.»

Isabel Imper

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In Kürze
Seit September 2012 führt Michael Benz (Foto rechts) eine eigene Kommunikationsberatung für Strategie, Consulting und PR-Redaktion. Zu seinen früheren Stationen zählen die Agenturen Rod und Publicis. Bei Rod war er als Leiter Beratung und Strategischer Planer für Kampagnen wie «Slow down, Take it easy» zuständig, bei Publicis übernahm er z.B. PR und Co-Projektleitung für die «Migros M’08». Roli Hofer ist seit fünf Jahren selbstständig (ROLI HOFER Grafik/Konzepte/Kampagnen). Davor war er bei der Werbeagentur By Heart und Sulzer, Sutter tätig.

 

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