«Volvo-Walpen»? Undenkbar!

Aufgefallen Dass wir in einer Neidgesellschaft leben, ist bekannt. Ein Rätsel bleibt hingegen, wieso der SRG-Boss diesen Umstand so sträflich ignoriert hat.

Kolumne Dass wir in einer Neidgesellschaft leben, ist bekannt. Ein Rätsel bleibt hingegen, wieso der SRG-Boss diesen Umstand so sträflich ignoriert hat.Immer diese mental hinterlegten Bilder. Kleiner Test gefällig? Albert Einstein: Sofort taucht das Bild mit der ausgestreckten Zunge auf. Vietnamkrieg: Wissen Sie noch, diese schreckliche Szene, als der südvietnamesische Polizeioffizier dem Vietcong die Pistole an die Schläfe drückt?Mit Marken und Statussymbolen geschieht in unseren Köpfen dasselbe. Rolex – na, Sie wissen schon: teuer, aber etwas auffällig. St. Moritz – schon recht, aber muss man da hingehen, wenn man nicht angeben will? Porsche – womit wir beim Thema wären.
Es gibt einen Grund, weshalb Christoph Blocher zu seiner Zeit als Konzernherr im Volvo Kombi und Martin Ebner im bejahrten 5er BMW durch die Gegend fuhren. Ich kenne einen Milliardär, der hat einen Chauffeur und Bodyguard, aber die beiden fahren nur im Audi. Der Mercedes bleibt, für Gäste reserviert, zu Hause in der geheizten Garage.
Und ich kenne einen erfolgreichen Anwalt, der sich schon lange einen Jaguar wünscht. Den werde er sich aber frühestens kaufen, wenn er pensioniert sei, sagt er. «Würde ich mit dem Jaguar bei einem Kunden parken, wäre sofort mein Stundenansatz ein Thema.» Wenn er nicht den Polo seiner Frau nimmt, ist der Mann mit Tram und Taxi unterwegs.
Erfolgreiche Leute, auch wenn sie über ihren privaten Aufwand niemandem ausser sich selbst Rechenschaft schuldig sind, haben es in den Genen: Nur nicht unnötig auffallen! Bloss keinen Anlass zu Neid geben. Die Leute ticken nun einmal anders, als wir es gerne hätten – vor allem jene, die sich keine Porsches und Jaguars leisten können, mitunter aber in die Lage kommen, über die Projekte der anderen, der Erfolgreicheren, zu entscheiden: über ihre Stundenansätze oder Gebührenwünsche. Das geschieht dann regelmässig auf dem Niveau derer, die ihre Opel am Samstagmorgen eigenhändig waschen.
Und mitten in diese Neidgesellschaft platzt Armin Walpen mit seinem Porsche Cayenne, was ein komfortables und vernünftiges Auto ist – vor allem für jemanden, der ein Ferienhaus im Goms besitzt (und nicht in St. Moritz). Aber «Porsche» ruft Bilder ab, die im Kontext mit Gebührenerhöhungen kontraproduktiv sind. Jedenfalls für den, der – aus welchen Gründen auch immer – diese ins Gespräch bringt.
Mit «Volvo-Walpen» hätte kein Schlagzeilendichter was anfangen können. So aber war der Anlass gegeben, einen der tüchtigsten Medienmanager der Schweiz in eine Ecke zu stellen, in die er definitiv nicht gehört. Jemand, der einen Laden mit 1,5 Milliarden Umsatz erfolgreich führt, ist mit Einkünften von zirka 500000 Franken jährlich (inklusive Beitrag an besagten Porsche Cayenne) zwar sehr gut, aber keineswegs zu hoch bezahlt, geschweige denn in der «Abzocker»-Schublade zu versorgen.
Wie aber kommt es, dass ein gescheiter Mensch wie Armin Walpen diese Neidreflexe und ihre praktischen Folgen entweder ignoriert oder falsch einschätzt? Ist er zu häufig mit BMW und Chauffeur vorgefahren, wobei die anderen zu Fuss vom Parkplatz zum Treffpunkt eilenden Geweihträger Platz machen mussten? Oder hat solches Verhalten mit der häufig beobachteten Neigung von Topmanagern zum partiellen Wirklichkeitsverlust zu tun?
Das wäre in der Tat merkwürdig für die Spitzenkraft einer Branche, die von und mit Emotionen lebt. Denn nicht erst seit dem «Fall Walpen», der offenkundig keiner ist, weiss man: Wenn du jemanden fertig machen willst, suche seine Schwachstellen immer im persönlichen Umfeld, bei den Beziehungsdelikten, in den Spesenbelegen. Das weiss jeder kleine Controller, der einen Manager auf die Schnelle abschiessen will oder muss. Und das wissen auch die Schlagzeilendichter in jenen Verlagshäusern, in deren Tiefgaragen ein Porsche Cayenne schon lange nicht mehr auffällt.
> Karl Lüönd ist Publizist und Leiter des Medieninstituts vom Verband Schweizer Presse.

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