Grosser Auftritt im grossen Land

Aussenwerbung I Trotz stark steigenden Ausgaben für Fernseh- und Pressewerbung kann die Plakatwerbung in China weiter zulegen.

Aussenwerbung I Trotz stark steigenden Ausgaben für Fernseh- und Pressewerbung kann die Plakatwerbung in China weiter zulegen.Rentiere, die Santa Claus auf einem Schlitten durch den Schnee ziehen, schmücken auf unübersehbaren Plakaten Pekings Prachtstrasse Dongchang’an Jie, die an der verbotenen Stadt und am Tienanmen-Platz vorbeiführt. Das finnische Tourismusbüro wirbt in der chinesischen Provinz für einen Urlaub im winterlichen Finnland. In nur acht Stunden fliegen die Finnair-Jets von der chinesischen Hauptstadt via Sibirienroute nach Helsinki, dem skandinavischen Hub, von dem aus die Chinesen im Übrigen in knapp drei weiteren Stunden in der Schweiz sind*. Wie Finnland und Finnair zeigen viele westliche Firmen mit Plakaten im chinesischen Markt Flagge; denn auf das traditionsreiche Medium der Aussenwerbung verzichtet kaum ein bedeutendes Unternehmen.Ausländische Labels erfreuen sich in China generell eines hohen Status; ja ein Grossteil der Konsumenten im Reich der Mitte ist überzeugt, dass alle Produkte der bewunderten Weltmarken in Schauräumen und auf den Regalen der Supermärkte im Ausland hergestellt werden. «Made in China» besitzt als Kaufargument keinen hohen Stellenwert; doch mehr und mehr westliche Markenprodukte, von Autos über Computer bis hin zu H&M-Textilien, werden in Tausenden von Joint-Venture-Unternehmen in China produziert. Wo die Schuhe hergestellt werden, erfährt der Passant auf dem 200-Quadratmeter-Plakat für Adidas nicht – für ihn ist es ein renommierter westlicher Brand.
Vormarsch chinesischer Brands
Immer mehr drängen jedoch auch chinesisches Label auf den Markt mit Logos, die im Westen meist völlig unbekannt sind. Ausser dem über die Grenzen bekannten chinesischen Tsingtao-Bier sind es zum Beispiel Lenovo-Computer, Geely- Autos oder Bird Mobile Phones, für die in China exzessiv auch auf Plakatwänden Werbung gemacht wird. 1999 wurden in China 6,5 Milliarden Dollar für Werbung ausgegeben, 2003 waren es bereits 24 Milliarden, wie Business Week schreibt. Fernsehen und Inserate in Zeitungen und Magazinen machen zwar den Löwenanteil aus, doch ein Blick auf die Strassen und Hauswände in Chinas Metropolen zeigt, dass der Einsatz von Plakaten ungebrochen ist; ja dass diese Werbeflächen immer gigantischere Ausmasse annehmen. China hat eine lange Tradition im Bereich der Grossplakate; denn die kommunistische Partei hämmerte dem Volk ihre Botschaften seit Maos Langem Marsch vor 55 Jahren permanent via riesige Plakate ein; und sie tut es auch heute noch, wenn es darum geht, die Einkindfamilie zu propagieren oder vor Aids zu warnen.
Auch in Nachbarländern wie Vietnam und Nordkorea haben Plakate einen hohen Stellenwert. In der nordkoreanischen Metropole Pjöngjang dominieren jedoch die politischen Plakate, welche das «Arbeiterparadies» und den «lieben Führer» verherrlichen; kommerzielle Werbung ist hier noch äusserst rar.
Die Werbung für Konsumgüter bediente sich in China schon früh des Plakates. Schon bei unserem ersten Besuch vor zwanzig Jahren in Shanghai und Peking erstaunten die riesigen von Velofahrermassen umschwirrten Plakate für Pepsi-Cola oder Rolex-Uhren.
Auch die Schweiz ist präsentAuch 2004 haben diese riesigen Werbeflächen nichts an Aktualität verloren. Sie machen auf neu hochgezogene Luxusappartements, auf Zahnpasta oder Autos aufmerksam. Oder eben für Reisen in ferne Länder, die dank neuen Visaerleichterungen und gestiegenen Einkommen für Millionen Chinesen näher gerückt sind. Auch die Schweiz mit Jungfrau und Matterhorn, die für helvetische Produkte und das Reiseland werben, ist in Chinas Metropolen optisch präsent.
Viele chinesische Firmen realisieren die Werbung inhouse; andere beschäftigen etablierte Agenturen in Hongkong oder deren Ableger in Shanghai, Peking und Kanton. Die grossen Labels adaptieren meist ihre internationalen Kampagnen für China, wobei oft westliche Gesichter gezeigt werden, was das Prestige erhöht.
Mit dem Siegeszug der Leistungsgesellschaft erlebt das einstige Mangelland China jetzt das Phänomen der Überproduktion mit entsprechendem Druck auf die Preise. In diesem von scharfer Konkurrenz geprägten Szenario ist die Werbung oft ausschlaggebend. Inserate in Zeitungen und Zeitschriften und natürlich Fernsehwerbung gehören zum Repertoire der chinesischen Werber, doch das Plakat konnte seine Präsenz mit dem Wirtschaftsboom sogar noch erhöhen.
* Die Bilder zu diesem Beitrag entstanden auf einer Pressereise mit Finnair.
Gross, grösser, am grössten: Ob für Wohnungen, Ferien in Finnland oder Rolex-Uhren – die Plakate in China machen in Megadimensionen auf Güter aufmerksam.
Werner Catrina

Weitere Artikel zum Thema