Nur das Finale fehlte

Pierre C. Meier über die rituelle Medienschelte am Verlegerkongress.Stephan-Russ-Mohl, Leiter des European Journalist Observatory, warnte vor den Gefahren der Qualitätsverschlechterung durch weitere Kürzungen der Redaktionsbudgets und plädierte für die Förderung eines unabhängigen und glaubwürdigen Medienjournalismus.

Pierre C. Meier über die rituelle Medienschelte am Verlegerkongress.Stephan-Russ-Mohl, Leiter des European Journalist Observatory, warnte vor den Gefahren der Qualitätsverschlechterung durch weitere Kürzungen der Redaktionsbudgets und plädierte für die Förderung eines unabhängigen und glaubwürdigen Medienjournalismus.
Walter Bosch, Ex-Journalist und Verwaltungsrat der Swiss, bemühte die Marktforschung, um aufzuzeigen, dass das Vertrauen der Leser in die Printmedien dramatisch schwinde. Schuld an dieser Entwicklung seien, so Bosch, Thesen-Journalismus, die Jagd nach Primeurs, tendenziöse Themengewichtung, Respektlosigkeit gegenüber den Akteuren (sic!) und die Bevormundung des Lesers. Die anwesenden Verleger rief er auf, sich wieder vermehrt um den Inhalt und weniger um das Marketing zu kümmern. Der Boden für den nachmittäglichen Auftritt von Bundesrat Christoph Blocher und Bundeskanzler Gerhard Schröder war also gelegt. Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument begrüsste die beiden Gastredner als die «multimedialsten Politiker der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz». Die Aussagen von Bundesrat Blocher zur Schweizer Mediensituation waren gewohnt prägnant und provokativ. Er monierte die unterentwickelte Pressefreiheit, hervorgerufen durch das zu starke Einmischen des Staates, die «beelendende Eintönigkeit»
der Berichterstattung und das Ausblenden von Tabuthemen. Ferner forderte er die Medien zu mehr Misstrauen gegenüber den Informationen der Behörden auf.
Das gab Bundeskanzler Schröder Gelegenheit zur Dialektik: «Was Sie da fordern, ist, als ob der Papst persönlich zu einer zweiten Reformation aufrufen würde.» Es begann also verheissungsvoll. Aber oh Frust: Kein Wort über das umstrittene Caroline-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, das in Deutschlands Medienkreisen aufs Heftigste diskutiert wird. Kein Wort zu Schröders Interview-Verweigerung. Nichts. Nur gerade die flappsige Bemerkung: «Ich werde den Teufel tun, hier in der Schweiz über die Rolle der Medien und meine Rolle in ihnen zu sprechen.» So viel zum Ausblenden von Tabuthemen.
> Pierre C. Meier, Chefredaktor

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