Erich raucht wieder

Tabakmarketing Mit der Wiedereinführung der Zigarette Club setzt auch JTI auf «Ostalgie»-Produkte. Die selbstironische Relaunch-kampagne dazu stammt aus – Zürich.

Tabakmarketing Mit der Wiedereinführung der Zigarette Club setzt auch JTI auf «Ostalgie»-Produkte. Die selbstironische Relaunch-kampagne dazu stammt aus – Zürich.
Bis zum Herbst 1989 teilte der «antifaschistische Schutzwall» Deutschland auch in zwei Wirtschaftskulturen: die des marktwirtschaftlichen Wohlstands und der Freiheit und jene sozialistische der Imitate und Sehnsüchte.Kurz nur hielt die Phase des Einheitsgesäusels und -getues. Mit dem Fall der Berliner Mauer brach auch der Damm für West-Produkte. Alle ostdeutschen Erzeugnisse galten plötzlich als überholt, ja museumsreif. Selbst wettbewerbsfähige Artikel wurden aus den Sortimenten gestrichen. Der Untergang der DDR-Warenwelt schien besiegelt, wäre bei den vielen neuen Bundesbürgern nicht ein bitterer Nachgeschmack der Demütigung aufgekommen. Dieser liess die Welle der Begeisterung nach der Wende ebenso schnell verebben, wie sie über die 17 Millionen Ex-DDR-Bürger gekommen war. Das Stimmungspendel schlug zurück – auch und speziell in der Werbe- und Produktewelt.
Club für die Kader
Die Marketingstrategen lernten bald schon, mit dem neuen Wir-Gefühl und der «Ostalgie» umzugehen und diese zu ihrem Nutzen einzusetzen. Allen voran die Zigarettenhersteller, die die Marktanteile ihrer West-Brands nicht wachsen sahen. Selbst aufgekaufte Ost-Marken, die mit viel Aufwand auf West-Standard getrimmt wurden, verloren Kunden. Statt sie mit Vertrautem und mit Kontinuität emotional zu binden, wurden sie durch die Verwestlichung lieb gewordener Glimmstengel verunsichert. Sowieso profilierten sich Zigaretten in der «klassenlosen» Gesellschaft über Preis und Erhältlichkeit: Karo und Juwel für Arbeiter und Bauern, Cabinet oder Premium- und Top-Marken wie Club und Duett für die Kader.
Nach mehrjähriger Above-the- line-Abstinenz hat sich Japan Tobacco International in Köln nun entschieden, die DDR-Zigarette Club zu relaunchen. Für die Kampagne verpflichtete deren Marketingchef Marcel Löffler die Zürcher Agentur Bonaparte. Ihr ist es gelungen, Nostalgie und Zeitgeist elegant zu vermählen und sich so im Pitch gegen lokale Konkurrenz durchzusetzen. «Wir haben bewusst auf oberflächliche Ostalgie verzichtet und auf tiefer gehende Selbstironie gesetzt», sagt Berater Lajos Vizner. CD Harry Sulzers Recherche begrenzte sich denn auch nicht auf Psychografie und Sinus-Milieus. In einem Internet-Chatroom lernte er auch gleich seine Freundin kennen. Und mit dem neuen Verständnis für Land und Leute hat er über Ostern gleich Dresden besucht. «Wer den Osten, die Sprache und Mentalität nicht kennt, versteht nichts», meint Sulzer. Dabei scheint er sich auch die DDR-typische Streetcleverness angeeignet zu haben, nämlich aus dem Vorhandenen – wenig Geld und wenig Zeit – das Beste zu machen.
Selbstironische Ex-DDR-Bürger wie etwa ein bekennender Thälmann-Pionier, Mitglied der damaligen Jugendorganisation, rauchen wieder selbstbewusst Club. Ebenso Erichs Patenkind, das, wie viele Kinder aus Grossfamilien, den letzten DDR-Regimechef Honecker als Patenonkel hatte. So vermittelt die Kampagne den Community-Gedanken, ist sympathisch und mit der nötigen Authentizität gewürzt.
«Brüder, zur Sonne, zur Freiheit»: Die DDR wird wieder aufgebaut, in Zürich, und zur Belohnung gibts die vormalige Kader-Zigarette Club.
Luca Aloisi

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