Lieber operativ als administrativ

Maili Wolf hat in diesen Tagen ihr Büro als neue Verlagsleiterin des Tages-Anzeiger bezogen.

Maili Wolf hat in diesen Tagen ihr Büro als neue Verlagsleiterin des Tages-Anzeiger bezogen.Sie habe einen schnoddrigen Journalisten-Stil, warf man ihr in der Schule vor. Da dachte sie: Welches ist das beste Blatt, bei dem man einen solchen Stil hochprofessionell ausleben kann? Maili Wolf landete beim Blick. Dort sammelte sie unter Peter Übersax ihre ersten journalistischen Erfahrungen. Aber eigentlich hätte alles anders kommen sollen.Schon mit 20 lernte sie ihren Traummann kennen. Zumindest war es der Traumschwiegersohn ihrer Eltern. Der Ingenieur hätte das Familienunternehmen im Bereich Hoch- und Tiefbau weiterführen und die junge Maili aller finanziellen Sorgen entheben können. Sie hätte es ihm «mit einem Kranz wohlgeratener Kinder gedankt». Wolf hat stattdessen angefangen zu studieren – Betriebswirtschaftslehre zuerst in St.Gallen, dann, weil ihr die HSG «zu schulisch» war, an der Universität Zürich.
Weil die Eltern auf Grund geplatzter Zukunftspläne den Check gestrichen hatten, musste sie ihr Studium selber finanzieren. Neben dem Job beim Blick verkaufte sie auch Kunst. «Es war die Zeit, in der modernere Sachen irgendwie in Mode gekommen sind», erinnert sie sich.
Zu ihrer Dissertation über Verlagsmarketing ist sie eher durch Zufall gekommen. Einen Doktorhut aufsetzen zu können, schien ihr sinnvoll, weil sie sich damit als Frau in einer männerdominierten Berufswelt die besseren Chancen ausmalte. Es bot sich das Thema an, die Einführung des Magazins «Natur» in Deutschland betriebswirtschaftlich unter die Lupe zu nehmen. Auch der Unilever-Konzern lockte mit einem Stellenangebot. «Aber das hat mir nicht gepasst», meint die Frau, die irgendwie immer nach weniger konventionellen Wegen suchte. Obwohl bereits überqualifiziert, hat sie sich «aus dem Bauch heraus» für eine Stelle als Assistentin im Kioskverkauf bei Ringier entschieden. «Ich wollte einfach gucken, wie das so läuft.» Daraus wurde eine Karriere, die bei Ringier von 1979 bis 1996 dauerte, davon ab 1990 als Mitglied der Unternehmensleitung für den Bereich Zeitschriften Europa.
Neben der Charakterisierung als «Arbeitstier» werden Maili Wolf auch erprobte Qualitäten als «Trouble-Shooter» nachgesagt. «Wenn die Aufgabe schwierig ist, kommt ein bisschen Stress auf, und das gefällt mir, weil man dann einfach muss.»
Das war auch so, als sie mit 40 «völlig unerwartet» ein Kind bekam. Um dem Kind eine gute Mutter zu sein, hat sie sich 1996 für eine selbstständige Tätigkeit als Un-
ternehmensberaterin entschlossen. «Freischaffend ist man freier in der Zeit», rechnete sie. Viele interessante Aufträge im In- und Ausland
haben ihr einen Strich durch diese Rechnung gemacht.
Dass sie nach diesen Beratungsjobs wieder operativ tätig sein
wollte, begründet Wolf mit der Lust, Ideen selber in die Tat umzusetzen. «Ich bin eher Macher als Konzeptschreiber», sagt sie. Ihr war schon länger klar, dass sich eine solche Herausforderung bei Tageszeitungen oder im Fernsehen abspielen könnte. «Und mit 48 Jahren ist man noch jung genug, um sich in eine Organisation einfügen zu können.»
Im Vergleich zu ihren besten Ringier-Jahren ist die neue Verlagsleiterin beim Tages-Anzeiger hierarchisch weiter unten angesiedelt. Aber Hierarchien haben ihr «nie viel bedeutet». Viel wichtiger ist ihr das Gefühl, die Freiheit für neue Ideen zu haben. «Ich habe Ideen, wie man den Schwund beim Tagi sowohl auf Leserseite als auch bei den Inseraten irgendwie stoppen kann. Ideen! Mehr kann ich dazu nicht sagen.»
Macherin ohne Furcht und Tadel: Maili Wolf.

Andreas Panzeri

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