Mutter aller Kampagnen

Aufgefallen Was haben Medienkrieg und Werbung gemeinsam? Dass auf beiden Schlachtfeldern heute die Ästhetik über die Ethik siegt, beklagt Walter Bosch.

Kolumne Was haben Medienkrieg und Werbung gemeinsam? Dass auf beiden Schlachtfeldern heute die Ästhetik über die Ethik siegt, beklagt Walter Bosch.
Die Bilder auf CNN waren von verführerischer Schönheit. Von Staub bedeckte Panzer in der weiten Wüste und alles in den trendigen Pantone-Farben 13-0640 TC bis 17-1227 TC, dazu Akazie, Milchkaffee von Gelb über Grau bis Beige. Die Leuchtspurgeschosse im frischen Grün der Nachtsichtgeräte. Die digitalen Zooms an der Grenze ihrer Kapazität, um die Schlachtszenen in bunte Quadrate aufzulösen. Die Zielkameras der Kampfjets mit ihren Explosionen in Schwarzweiss.Und natürlich die Generäle, die weit ab vom Schuss in makellosen Kampfanzügen vor die Kameraaugen der Welt traten, mit modischen Gamaschen, als wärs ein Vogue-Shooting. Kurz: Die Bilder des Krieges waren eine ästhetisch perfekt inszenierte Soap. Besser beziehungsweise schöner kann man den Schrecken nicht verkaufen. Oder anders gesagt: Mit den richtigen Bildern kann man alles verkaufen. Sogar den Krieg.
Was wir zu sehen bekamen, war nicht nur eine Militärkampagne, sondern auch eine gigantische Werbekampagne. Mit der Copy-Plattform, dass die «Good Guys» im Auftrag der freien Welt sauber und effizient das Reich der Finsternis besiegen. Der vierte Teil von «The Lord of the Rings» sozusagen. Ein Videospiel der Extraklasse. Beinahe ist es gelungen, die weltweiten Antikriegs-Demonstrationen brutaler erscheinen zu lassen als die Einnahme von Basra.
In welch grellem Kontrast dazu standen doch die TV-Bilder, die man auf SF DRS sehen konnte, nie jedoch auf CNN. Den irakischen Arzt etwa, der verzweifelt inmitten ungezählter Leichen stand und nicht wusste, wie er sie loswerden sollte, während Zehntausende von Fliegen sich gütlich taten. Solche «Reality bites» hätten der Kampagne geschadet. Gerade so, wie wenn in einer Anzeige für den Porsche Cayenne Turbo erwähnt würde, dass er in der Stadt 21,9 Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht. Viel mehr werden auch die gepanzerten Fahrzeuge der
17. Kavallerie der US Army nicht schlucken.
Werbung blendet aus, was nicht ins Bild passt. Hier kann man vom Pentagon noch viel lernen. Denn so sehr sich CNN bemühte, auch Hintergründe und Analysen zu vermitteln: Die Bilder waren stärker, sie waren überwältigend. Und die «embedded journalists» wurden schnell zu «buddies» der Truppe. Wie hätten sie sich dem Korpsgeist ihrer Einheiten auch entziehen können?
Und man kann noch mehr lernen vom Pentagon. Etwa, dass die einfachsten Ideen immer noch die wirksamsten sind. Zum Beispiel jene, die Konterfeis aller Bösewichte als Kartenspiel zu verteilen. Es geht zwar um Tod und Leben. Aber den Tod blenden wir aus in dieser Kampagne, so wie den Benzinverbrauch beim Geländeporsche. Das Motto lautet: Das Leben ist nur ein Spiel. Wer wollte da nicht mitspielen?
> Walter Bosch war Blick-Chefredaktor, Chef aller Ringier-Chefredaktoren und Mitgründer der Werbeagentur Bosch & Butz. Seit er diese 1998 verkaufte, ist er Unternehmer und Berater in Zürich und den USA.

Weitere Artikel zum Thema