Lebenshelfer statt Polizist

Matter & Partner verpasst dem Beobachter ein Image überragender Sozialkompetenz

Matter & Partner verpasst dem Beobachter ein Image überragender SozialkompetenzVon Andreas Panzeri Die neue Beobachter-Kampagne von Matter & Partner zeigt mit vier Sujets und einem Kinospot, dass Beobachter-Leser «mehr Cleverness für den Alltag» entwickeln. Statt böser Polizist zu spielen, will der Beobachter in Zukunft vermehrt Lebenshilfe bieten.
Angelehnt an den Slogan der letzten Kampagne «Beobachter gibt’s schon genug», war sich die neue Führungscrew an der Förrlibuckstrasse offenbar einig, dass jetzt genug beobachtet worden sei. «Nimm das Heft in die Hand», heisst die neue und weiterführende Aufforderung an die Leserschaft. Insgeheim wappnet sich die Jean Frey AG frühzeitig gegen einen möglichen Mitbewerber aus dem Hause Ringier.
Die Hauptaussage der neuen Imagekampagne basiert auf der Erkenntnis, wonach gewisse Menschen in Alltagsdingen einfach besser Bescheid wissen. Sie können über Krankenkassen referieren, sie wissen, wie viel Abzüge in der Steuererklärung möglich sind. Sie verstehen es, effizient umzuziehen und wissen auch, wie man es anstellen muss, damit man nicht von Liebes-SMS übers Ohr gehauen wird. Diese Menschen sind allesamt aufmerksame Beobachter, beziehungsweise Leserinnen und Leser des gleichnamigen Serviceheftes aus dem Verlag Jean Frey.
Vermehrt allgemeine Themen im Beobachter 1045000 solche «Beobachter» gibt es in der Schweiz – laut der jüngsten Leserschaftserhebung der Wemf AG für Medienforschung. Ihre Informationen beziehen sie aus 335226 gedruckten Exemplaren. Vor einem Jahr waren es gemäss Mach Basic mehr Leser gewesen, und noch einmal bessere Zahlen zeigte die Erhebung für das Jahr 2000.
Trotzdem darf sich das Heft, das in diesem Jahr mit einer grossen Party seinen 100. Geburtstag feierte, immer noch als die meistgelesene Zeitschrift der Deutschschweiz betiteln lassen. Für den leichten Rückgang der Leserzahlen könnte die vermehrte Behandlung von Konsumthemen auch in anderen Medien sowie die direkte Konkurrenz von Zeitschriften wie Saldo oder K-Tipp verantwortlich gemacht werden.
Diesen Mitbewerbern will der Beobachter jetzt Paroli bieten, indem sich auch das Serviceheft künftig ebenfalls mehr allgemeinen Themen annehmen will. Unter der neuen Chefredaktion von Balz Hosang will der Beobachter neben seiner Beraterfunktion vermehrt auch als ganz «normale» Zeitschrift wahrgenommen werden.
Ein Werkzeugkasten voller Lebenshilfe
Nicht die bisher typischen Beobachter-Storys – wie man zum Beispiel Krankenkassen testet oder Steuern spart – sind deshalb als Sujets in die neue Werbung eingeflossen. CD Daniel Matter von Matter&Partner will mit seiner Werbung an Stelle von Hilfe für den Notfall mehr unterhaltende Hilfe für den Alltag in populärer Weise präsentieren. «Lebenshilfe statt Polizist», heisst die neue Devise oder leicht abgewandelt «Der Beobachter, dein Freund und Helfer».
Der neue Beobachter soll für den Leser so etwas wie einen Werkzeugkasten oder «Clever-ness für den Alltag» anbieten.
Die neue Beobachter-Kampagne zeigt diese Cleverness mit vier Sujets, in denen jeweils ein Amateur oder eine Amateurin besser Bescheid wissen als der jeweilige Profi. Die Kundin in der Autowerkstatt demonstriert einem ratlosen Mechaniker, wie man den Motor wirklich repariert. Eine Putzfrau erklärt einer Gruppe von Managern, was sie noch nicht weiss. Ein Psychiater liegt anstelle seines Patienten auf der Couch und sein «Fall» hört ihm zu.
So sind die Helden der Kampagne beziehungsweise die Leser des Beobachters eben «kompetent in allen Lebenslagen».
Beim Stil dieser neuen Werbung hat der frisch ernannte Beobachter-Chefredaktor Balz Hosang bereits entscheidend mitreden können. Für ihn und den Verlag ist es «ein Urproblem», dass der Beobachter in der Medienwelt unterschätzt wird. «Inserenten finden es nicht sexy, im Beobachter zu inserieren. Man schaltet höchstens Anzeigen für Gesundheitsprodukte», meint auch Werber Daniel Matter zum Image, das nun parallel zum neuen Layout des Beobachters verjüngt werden soll.
Neues Image willkommen, neue Positionierung nicht
Dazu passt auch ein recht schräg konzipierter Kinospot. In diesem durften die Animationsspezialisten von Frame Eleven «wieder einmal zaubern», wie Matter meint. Statt richtig zu filmen, wurde in der listigen Low-budget-Produktion mit Fotos aus dem Inserate-Shooting gearbeitet.
Die Szene um den verzweifelten Automechaniker und die viel schlauere Kundin wurde so als schräge Geschichte aus fotografierten Einzelbildern montiert und mit verrückten Klängen aus der Autowerkstatt unterstrichen. Die «Kompetenz in allen Lebenslagen» wird mit diesem Stil in Slapstickform ziemlich übertrieben, aber effektvoll auf die Leinwand gebracht.
Matter & Partner betreibt schon seit acht Jahren Werbung für den Beobachter. In der im Printbereich etwas frecheren letzten Kampagne ist die Agentur an der Zürcher Sophienstrasse zum Beispiel mit einem Polizisten aufgefallen, der wie ein Bussenzettel unter einem Scheibenwischer eingeklemmt ist oder mit einer Abwartsfrau, die an einer Wäscheleine aufgehängt war.
Matter interpretiert das heute als Unterstützung für ein Zeigefinger-Image, von dem der Beobachter inzwischen wegkommen will. Allerdings möchte der Verlag diese Imageänderung nicht als völlige Neupositionierung verstanden wissen. «Wir haben uns in der Vergangenheit kontinuierlich den aktuellen Entwicklungen angepasst», präzisiert Werbeleiterin Cornelia Brunschwiler.
Konzeptionell hat Matter & Partner mit der vorliegenden Kampagne nicht «Werbung für Werber» gemacht, wie Daniel Matter seine Arbeit selber wertet. Sie wolle zielgerichtet die echten Kunden ansprechen, nämlich junge Leute, die «das Heft in die Hand nehmen» wollen und nach ihrer Familiengründung zum Beispiel erstmals ihren eigenen Beobachter abonnierten.
Der Kinospot läuft in verschiedenen Kinos der Deutschschweiz. Die Inserate erscheinen seit Anfang Oktober in ausgesuchten Zeitschriften wie Magazin, Folio, Facts, TR7. Plakate gibt es aus Budgetgründen keine, dafür wird die Kampagne von Internetbannern begleitet. Der Leser-Kampagne soll bald auch eine separate Inserenten-Kampagne folgen.

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