Ein Drucker, der nur zu dir redet

Heidelberg will mit Digitaldruck Dialogmarketingstrategien optimieren

Heidelberg will mit Digitaldruck Dialogmarketingstrategien optimierenVon Luca Aloisi Dialogmarketing bleibt trotz oder wegen der Wirtschaftskrise ein Wachstumsmarkt. Den Schlüssel zum noch erfolgreicheren One-to-One-Marketing glaubt die Heidelberger Druckmaschinen AG im variablen Digitaldruck gefunden zu haben. Ein Modell, das von Schweizer Dialogmarketingagenturen aber noch mit Skepsis verfolgt wird.
«Digitaldruck boomt», liess die Heidelberger Druckmaschinen AG – oder simpler Heidelberg – im letztjährigen Firmenkurzporträt verlauten. An der Aktionärsversammlung musste jedoch der weltweit grösste Anbieter von Print-Media-Lösungen ein Sparprogramm in der Höhe von 200 Millionen Euro bekannt geben, um auf Gewinnkurs zu bleiben. Die Aktie, die auf rund die Hälfte des Wertes ihres Jahreshöchst gefallen ist, widerspiegelt die Geschäftsaussichten.
Doch trotz Konjunkturflaute markiert die 152-jährige Firma Optimismus und hält nach weiteren potenziellen Zielgruppen Ausschau. Jüngstes Ziel ihrer Marketingbemühungen sind Werbeagenturen und deren Druckereipartner. Was nämlich ihre digitale Farbdruckmaschine nahezu in Offset-Qualität anbietet, muss in den Ohren der DM-Spezialisten wie Musik klingen: massgeschneiderte Mailings per Digitaldruck. Ein Produkt, das Heidelberg und Kodak im Jahr 2001 als Joint-Venture eingeführt haben.
Digitaldruck soll die Bindung zum Kunden nachhaltig fördern
Nach Meinung von Holger Reichhardt, Vorsteher Marketing bei Heidelberg, seien vielen Playern Chancen und Wettbewerbsvorteile des variablen Datendrucks noch zu wenig bekannt. «Gerade in der heutigen Zeit, in der über jeden Marketing-Euro mehrfach diskutiert wird, muss die Effizienz von Massnahmen im Mittelpunkt stehen», sagte der Vorstand an einem Medienanlass in London. Dort stellte Heidelberg den Einsatz der digitalen Farbdruckmaschine als Instrument einer Customer-Relationship-Management-Strategie (CRM) vor.
Dass die Präsentation in die Weltstadt verlegt worden war, hat gute Gründe. Massgeschneiderter Digitaldruck geniesst im Vereinigten Königreich schon eine weit höhere Bekanntheit als auf dem Kontinent und gehört zum Bestandteil ausgeklügelter DM-Strategien.
Duncan Stokes ist Creative Services Director bei Ogilvy One UK. Er hat bei seinen Kampagnen bereits Erfahrungen mit variablem Datendruck auf der NexPress gesammelt.
Stokes, dessen Agentur im Schnitt pro Woche 50 bis 60 DM-Kampagnen fährt, beschrieb zwei Fälle, bei denen die lokale Anpassungsfähigkeit einer Dachstrategie zentral waren. Darunter befand sich ein Auftrag für den Pharmamulti Glaxo SmithKline, der eine europaweite Einführung eines Nikotinentwöhnungsprogramms vorsah.
Spürbare Kostensenkungen dank Digitaldruck
Von den Produktionshubs in Irland und Holland wurden 14 Millionen unterschiedliche Supportbroschüren in elf verschiedenen Sprachen verschickt, um das Produkt innert sechs Monaten in sechs Ländern zu lancieren und die Nichtraucherrate unter den Rauchern von 3 auf 10% zu steigern. «Nebst den demografischen Daten haben wir auch Daten über das persönliche Rauchverhalten, die Gründe fürs Aufhören, die erwarteten Hürden und weitere Punkte im Programm berücksichtigt», erklärte Stokes und legte dar, dass dies nicht einmal die schwierigste Seite des siebenstufigen Programms war.
Acht Ogilvy-Büros mussten den Print-Workflow, das Timing, die Logistik, die Koordination und die Inhalte ständig den jeweiligen Gegebenheiten anpassen. Rückblickend stellt er fest: «Prozesse und Kosten sind heute im Vergleich zum Startjahr 1998 um 50 Prozent tiefer. Damals arbeiteten wir noch mit konventionellen Lasermaschinen.» Diese Kostensenkung führt er auf die digitale Produktionstechnik zurück, die den Dialog mit bestehenden und potenziellen Kunden nicht nur schneller, sondern auch wirksamer gemacht hat.
Stokes ist überzeugt, dass der Digitaldruck den Onlinedialog, der die Marktkommunikation schon stark verbessert hat, punkto Wirksamkeit und Nachhaltigkeit erheblich optimieren könnte. Die Managementberatungsfirma Etronixx, Frankfurt, lieferte dazu ein CRM-Beispiel von der Cebit. Messebesucher konnten sich im Internet per Car-Configurator ihren persönlichen Audi TT-Roadster zusammenstellen. Tags darauf lag der individualisierte Farbprospekt mit den relevanten Informationen in den Briefkästen der Interessenten.
Diese Form des Permission Marketing hat laut einer Studie der Roland Berger Strategy Consultants, München, in einem Pilotprojekt den Response um bis zu 300 Prozent gesteigert. Dass dies nicht nur eine höhere Wirksamkeit und Nachhaltigkeit nahelegt, sondern auch mehr Kundenbindung und -zufriedenheit, liegt auf der Hand.
Noch viel Überzeugungsarbeit auf Kundenseite nötig
Auch in der Schweiz, wo Massenversände an atomisierte Zielgruppen mit hohen Streuverlusten verbunden sind, würde der Einsatz von Digitaldruck im DM-Bereich Sinn machen. Wären da nur nicht Hürden wie beispielsweise brachliegendes Database Marketing, übertriebene Datenschutzbestimmungen sowie Überkapazitäten in den Druckereien, die kostendeckende Voluminas beim variablen Digitaldruck verhindern.
Ernst Schmocker, Verkaufsleiter Digital bei Heidelberg Schweiz, kennt viele Marketingleiter, die begeistert sind von neuen Lösungen, die sich mit der NexPress anbieten. Allerdings konnte er seit der Markteinführung in der Schweiz Anfang 2002 erst drei Maschinen installieren. Laut Businessplan würden unter normalen Konjunkturbedingungen ohne weiteres zehn drin liegen.
Dass nun Werbeagenturen in die Absatzlücke springen und sich mit der neuen Drucktechnologie gleich ein neues Geschäftsmodell zulegen, erscheint aber auch ihm illusorisch. Ob Agenturen unter günstigen Umständen mit der Integration des Drucks flexibler, schneller und günstiger Mailings herstellen könnten, ist fraglich. Guido Wietlisbach, Managing Director der Zürcher Ogilvy One, sieht die NexPress am ehesten im spezialisierten Kunden-Services-Bereich, «weil eine solche Anlage die Wertschöpfungskette selbst grosser Schweizer Agenturen zu stark verlängern würde».
«Schuster bleib bei deinem Leisten», meint auch Christian Hansen, Geschäftsleiter von Lowe Direct. Für Kunden wie Qualiflyer und Orange habe seine Agentur schon oft Mailings digital herstellen lassen. Doch die Stärke der Agentur liege in einem völlig anderen Bereich. Da die Überkapazitäten in der Druckbranche zu einem Käufermarkt geführt hätten, seien Konditio-nen besser verhandelbar, was dazu führte, dass «sich die Kunden meist selbst an die Produktionsdienstleister wenden», so Hansen.
Gilbert Fisch, Geschäftsleiter und Mitinhaber der grössten DM-Agentur der Schweiz (Fisch Meier Direct), scheint einer Minderheit anzugehören, die eine Lanze für den verstärkten Einsatz von Digitaldruck im Bereich DM bricht. «Bei vielen klassischen Agenturen scheitern individualisierte Angebotsmailings schon am geringen Verständnis für den Mehraufwand, der mit deren Herstellung einhergeht», erklärt Fisch die Zurückhaltung bei den Agenturen.
Zwar ist auch er sich des enormen Aufwands für das Customizing bewusst. Trotzdem sei seine Agentur bereits daran, entsprechende Pilotprojekte für Kunden zu erarbeiten, von denen er sich eine stark verbesserte Wertschöpfung verspreche. Wann sich das Konzept durchsetzen wird, ist aber auch für ihn noch offen. Die Bewusstseinsänderung müsse vorerst beim Kunden stattfinden, was noch viel Überzeugungsarbeit brauche, gibt sich Fisch vorsichtig.
Digitaldruck in der Schweiz

Am 1. November nimmt die dritte NexPress 2100 in der Schweiz ihren Betrieb auf. Buysite, Basel, ist in ihrer Region die einzige Anbieterin, die individualisierten Digitaldruck von Kleinst- bis Mittel- sowie Teilauflagen mit komplett variablem Bild- und Textinhalt innerhalb von Stunden ermöglicht. Weitere Anbieter sind: K2 Digitaldruck in Luzern und Novoprint-Speed in Nyon. (la)

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