Le Temps mit neuen Aktionären

Eine frische Finanzspritze aus Privatbankkreisen soll die Zukunft der Tageszeitung sichern

Eine frische Finanzspritze aus Privatbankkreisen soll die Zukunft der Tageszeitung sichernVon Christophe BüchiIm Aktionariat der Westschweizer Tageszeitung Le Temps stehen grosse Änderungen bevor. Zwei Privatbankiers, darunter Bénédict Hentsch, sowie die Sandoz-Familienstiftung haben künftig neben Edipresse das Sagen. Die neuen Hauptaktionäre übernehmen Aktiven und Passiven der verstorbenen AG des Journal de Genève.
Auch bei Le Temps ändern sich die Zeiten. Die welsche Tageszeitung, die aus der Fusion des Journal de Genève mit der Edipresse-Zeitung Le Nouveau Quotidien hervorgegangen ist, wurde bisher zu je 47 Prozent von Edipresse einerseits und von der Aktiengesellschaft des verblichenen Journal de Genève anderseits kontrolliert (die restlichen 6 Prozent sind für die Redaktion von Le Temps reserviert). Damit sollte die Ebenbürtigkeit der beiden Fusionspartner gewahrt werden.
Die eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) schrieb zusätzlich vor, dass der Verwaltungsratspräsident von Le Temps keiner der beiden Aktionärsgruppen angehören darf. Dies war bis vor kurzem der frühere Wirtschaftsdiplomat David de Pury. Der Neuenburger, der als Hauptautor des Weissbuchs zeitweise als Galionsfigur der knallharten Schweizer Neoliberalen hingestellt wurde, ist jedoch unlängst überraschend gestorben.
Engel-Gruppe: Fusionsfeinde mit Störpotenzial
Die Aktionariatsstruktur von Le Temps hat sich einigermassen bewährt: Edipresse und die Vertreter des Ex-Journals im Verwaltungsrat scheinen sich gut zu verstehen. Dennoch stellte sich ein Problem: Das Aktionariat des verstorbenen Journal de Genève ist nämlich sehr zersplittert und seit der Agonie der früheren Genfer Zeitung auch ziemlich zerstritten. Man erinnert sich, dass der Entscheid, das angesehene liberale Blatt mit dem frechen Pilet-Baby Nouveau Quotidien zu fusionieren, in der guten Genfer Gesellschaft seinerzeit für einen Riesenwirbel gesorgt hatte. Dabei wurde gern vergessen, dass das liberale Journal de Genève einige Jahre zuvor das Waadtländer liberale Schwesterblatt Gazette de Lausanne geschluckt hatte …
Wie auch immer: Der Präsident der AG des Journal de Genève, der Genfer Ex-Ständerat Gilbert Coutau, welcher den Entscheid, das Journal mit dem Quotidien zu verschmelzen, gemeinsam mit gewichtigen Aktionären wie der Sandoz-Familienstiftung und dem Privatbankier Bénédict Hentsch durchgesetzt hatte, musste sich von Minderheitsaktionären immer wieder den Vorwurf gefallen lassen, er habe die Genfer Zeitung «verraten» und für ein Linsenmus an den Monopolisten Edipresse «verkauft». Der Wortführer der Fusionsfeinde, der Genfer Rechtsprofessor Pierre Engel, versuchte sogar gerichtlich, die Fusion zu verhindern, allerdings ohne Erfolg. Doch verfügte die kleine Engel-Gruppe bislang über ein nicht ganz unbeträchtliches Störpotenzial innerhalb der AG des Journal de Genève.
Das wird sich jetzt ändern. Denn am letzten Freitag wurde die «SA du Journal de Genève et Gazette de Lausanne», wie die AG mit vollem Namen heisst, aufgelöst. Der Restrukturierungsplan, der gleichzeitig den Aktionären vorgelegt wurde, sieht vor, dass die 47 Prozent des Le-Temps-Aktienkapitals, die bisher von der Journal-AG gehalten wurden, an eine Gruppe gehen, der vor allem drei wichtige Westschweizer Investoren angehören: nämlich die Genfer Privatbankiers Bénédict Hentsch und Guy Demole sowie die Sandoz-Familienstiftung.
Versüsste Abdankung für frühere Journal-Aktionäre
Die bittere Pille wird den Journal-Aktionären aber mit einem Zuckerguss versüsst. Denn die Investorengruppe ist bereit, immerhin elf Millionen Franken bereitzustellen und sämtliche Passiven der hoch verschuldeten AG zu übernehmen. Die Liquidation der Journal-AG wird wahrscheinlich zu einem kleinen Überschuss führen, der es erlauben sollte, den Aktionären eine Liquidationsdividende auszuzahlen, vermutlich in der Höhe des Nominalwerts der Aktie (12 Franken).
Und vor allem scheint dafür gesorgt zu sein, dass der Finanzbedarf von Le Temps, der auch in nächster Zeit beträchtlich sein dürfte, für einige Zeit gesichert ist. Wie Gilbert Coutau gegenüber der WerbeWoche ausführt, wollen sich die neuen Grossaktionäre von Le Temps in einem Aktionärspool zusammenschliessen. «Das Wichtige ist aber, dass Claude Demole, Bénédict Hentsch und die Familienstiftung bereit sind, neue Mittel einzuschiessen, um die künftige Entwicklung von Le Temps zu ermöglichen.»
Wettbewerbskommission hat Vorbehalte gegen Garelli
Schliesslich bekommt Le Temps auch einen neuen Verwaltungsratspräsidenten. Nachfolger von de Pury wird der Lausanner Ökonomieprofessor Stéphane Garelli. Allerdings war Garelli bislang Mitglied des Rats der Sandoz-Familienstiftung. Nun will die Weko nur dann ihre Einwilligung zur Garelli-Wahl geben, wenn dieser seine Verbindungen zur Sandoz-Stiftung löst oder sich die Familienstiftung aus dem Aktionariat von Le Temps zurückzieht, was aber unwahrscheinlich ist. So dürfte Garelli nichts anderes übrig bleiben, als auf sein Amt im Stiftungsrat zu verzichten.
Le Temps mit roten Zahlen

Im letzten Jahr hat Le Temps einen Verlust von 1,95 Millionen Franken eingefahren. Der Umsatz stieg um 12 Prozent auf 51,2 Millionen Franken. Der Betriebsverlust geht vor allem auf die hohen Investitionen zurück, die für die Lancierung der Beilage TéléTemps nötig waren. Der kumulierte Verlust, die Zinsen und die Abschreibungen haben seit der Geburt von Le Temps im Jahr 1998 total 9,6 Millionen Franken erreicht.

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