Gerangel um Onlinewerbebudgets

Vermarktung und Planung müssen getrennt werden, sonst bleibt Onlinewerbung eine Wildwest-Story

Vermarktung und Planung müssen getrennt werden, sonst bleibt Onlinewerbung eine Wildwest-StoryVon Thomas Brenzikofer und Clemens HörlerDer Onlinewerbemarkt ist noch klein. Darum überlassen viele Mediaagenturen die Onlinemediaplanung den Internetvermarktern. Einigen davon wird vorgeworfen, die Budgets vor allem auf jenen Sites auszugeben, die sie selbst unter Vertrag haben. Dadurch könnte der Ruf der Onlinewerber Schaden nehmen.
«Unser Erfolg wird uns scheinbar missgönnt», winkt Christoph Morach, Geschäftsführer Qualiclick Schweiz, ab. Anlass sind Vorwürfe von Martin Radelfinger, CEO des Mitbewerbers AdLink Schweiz, in einem Interview mit der Netzwoche. Radelfinger beschuldigte Qualiclick, sie missbrauche ihre Doppelfunktion als Mediaplaner und Websitevermarkter dazu, den Markt zu dominieren: «Vermarkter wie Qualiclick sichern Websitesbetreibern hohe Garantien zu und sind dann quasi gezwungen, die von ihnen betreuten Mediabudgets auf diesen Sites einzubuchen. So ist eine neutrale Mediaplanung nicht möglich.»
Wasser auf die Mühlen von Daniel Neukomm, Geschäftsführer der Onlinemediaagentur Euromedia: «So genannte Vermarkter müssen sich entscheiden, ob sie Mediaplanung betreiben wollen oder Websites vermarkten. Für die Entwicklung des Schweizer Onlinewerbemarktes ist eine Zwitterlösung nur hinderlich», meint er zur WerbeWoche.
Gianni Abner BGMedia Internet, eine der ersten Internetabteilungen in klassischen Mediaagenturen, erklärt: «Dass es zu solchen intransparenten Zuständen gekommen ist, liegt daran, dass sich die Mediaagenturen erst spät oder gar nicht mit Onlinewerbung beschäftigt haben.»
Morach zeigte sich über die Vorwürfe des Mitbewerbers AdLink erstaunt. Auch er sei der Ansicht, dass eine Gewaltentrennung zwischen Vermarktung und Planung Sinn mache. Nur sei der Markt derzeit nicht bereit dazu: «Gerade darum sind wir mit dem BSW eine Kooperation eingegangen, um Mediaagenturen für die Planung von Onlinekampagnen auszubilden.» Langfristig wolle man sich klar auf die Vermarktung und nicht auf die Mediaplanung konzentrieren. «Dass wir Mediaplanung anbieten, ist historisch bedingt. Die Schweiz ist nun ein kleiner Markt, und bei dem Volumen lohnt es sich für viele Mediagenturen nicht, die entsprechenden Ressourcen aufzubauen», erklärt Morach.
Auch bei anderen Vermarktern scheint man sich derzeit Gedanken über die Gewaltentrennung zu machen. AdLink, die mit Tamedia einen Exklusivvertrag vereinbart hat, möchte sich in Zukunft aufs Vermarktungsgeschäft konzentrieren. Robert Schmidli dagegen, interimistischer Leiter von Real Media Schweiz, sieht kein Problem mit der Doppelrolle als Vermarkter und Planer: «Ausser mit Borsalino haben wir praktisch keine exklusiven Verträge. Wir positionieren uns deshalb als Generalunternehmer für Onlinewerbung.»
Auch Active Agent hält an der Kernkompetenz der «unabhängigen» Mediaplanung fest. ActiveAgent Media soll aber im Laufe des Jahres als eigenständiges Unternehmen vom Werbenetzwerk ActiveAgent Network und dem Kundenbindungsprogramm bonus.net sauber getrennt werden. Bei der Vermarktung setzte ActiveAgent auch weiterhin nicht auf Exklusivverträge, erklärt Claudio Cittarini, Sales Manager von ActiveAgent (Switzerland) AG.
Garantien und Dumpingpreise für die «Big Brother»-Website?
Problematisch ist die intransparente Situation nicht nur für Werbeauftraggeber, deren Budgets beim lautesten Verkäufer landen. Auch Websitebetreiber geraten unter Zwang. Sie müssen die Vermarktung ihrer Site praktisch jenen Firmen in die Hand geben, die zugleich die grössten Onlinewerbebudgets betreuen – aus Furcht davor, übergangen zu werden. Gerade hier hat Qualiclick mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent gute Karten im Spiel.
Morach streitet vehement ab, dass Qualicklick diese Situation aktiv ausnütze. Anders sehen es diverse Websitebetreiber, die gegenüber der WerbeWoche Druckversuche bestätigt haben. So erfährt man von einem Websitebetreiber, dass Qualiclick als Gegenleistung für eine «aktive Vermarktung» Sonderrabatte gefordert habe. Zudem wird gemunkelt, dass sich Qualicklick mit zum Teil massiven Dumpingpreisen und versprochenen Verkaufsgarantien – bei «Big Brother» soll es sich um 400000 Franken für die zweite Runde handeln – den Markt aufzukaufen versuche. Dazu Morach: «Wir sind nicht dank Preisdumpings gewachsen, sondern dank unserer Leistung. Das Onlinewerbegeschäft kann nicht auf Umsatzgarantien aufbauen. Das wäre viel zu riskant.»
Exklusivität

Von einem Exklusivvertrag spricht man dann, wenn ein Vermarkter sowohl die Logistik, das Handling als auch die Vermarktung der Werbeflächen auf einer Site übernimmt. Dafür bekommt er eine Kommission. Dies bedeutet aber nicht, dass sich nicht auch andere Vermittler auf einer Site einbuchen. Ist dies der Fall, gibt der Vermarkter in der Regel die Verkaufskommission an den Vermittler weiter. (tbr)

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