Im Wein ist die Wahrheit der Marke

Masse, Markt und Marketing sind die Stützpfeiler erfolgreicher Weinbrands

Masse, Markt und Marketing sind die Stützpfeiler erfolgreicher WeinbrandsVon Chandra KurtAuch Weine brauchen ihre Marke, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Das Branding von Weinen ist in Mode gekommen. Freilich, nicht immer stehen die Winzer am Ursprung des Brands, und noch weniger bestimmen die Konsumenten seinen Wert. Immer dominierender im Weinbusiness werden die Zwischenhändler.
Was haben Gaja, Gallo und Penfolds mit Armani, Mitsubishi und Nike gemeinsam? Spontan würde man denken: nichts. Ausser dass es sich um international bekannte Firmen handelt. Obschon nicht alle genannten Bezeichnungen im Weinbusiness heimisch sind, geniessen sie den Status eines Brands. Sie geben dem Käufer eine Garantie für das Produkt und eine Identifikationsmöglichkeit. Sie geben ihm zudem die Sicherheit, dass er sich auf die Qualität des Gekauften verlassen kann, unabhängig vom bezahlten Preis. Denn Brands trifft man in jeder Preisklasse an, Weinbrands machen hier keine Ausnahme.
Trotzdem. Weinbrands leben nicht allein von Luft und Liebe. Sie müssen genährt werden. Und zwar kräftig. So sind es vor allem Investitionen im Marketing und in der Werbung, die eine Weinmarke zur Realität werden lassen. Und zwar Investitionen im grossen Stil. Denn das Bild eines Brands wird primär bei den Leuten ausgelebt, die es kaufen, und nicht bei denen, die es kreieren.
Das heisst, ihr Alltag wird durch die künstlich erzeugte Ausstrahlungskraft einer Labelassoziation bereichert. Und so decken erfolgreiche Weinbrands Bedürfnisse und Stimmungen ihrer Käufer von A bis Z ab. Angefangen bei der Verpackung über die Beschriftung bis hin zur Philosophie des Weinhauses.
Der eigentliche Geschmack des gekauften Rebensaftes spielt dabei fast schon eine untergeordnete Rolle. Weinbrands können einer fiktiven oder real existierenden Geschichte entspringen. Sie können entweder Früchte einer langen Familientradition sein oder Produkte eines begnadeten Geschichtenerzählers, wie beispielsweise des kalifornischen Winzers Robert Mondavi.
Ein verschlossener Wein ist wie Aladin in der Wunderlampe
Gerade der Name Mondavi ist ein unverwüstliches Statussymbol für die kalifornische Weinwirtschaft. Tausende Weinfreaks und Amateurentkorker reisen Jahr für Jahr ins kalifornische Napa Valley, um die Spuren Robert Mondavis zu entdecken und etwas Pionierluft zu schnuppern. Warum? Weil er ihnen mit seinen Weinen immer wieder Geschichten erzählt. Ganz im Gegensatz zu europäischen Winzern machte er nie ein Geheimnis um den Wein und seine Produktion. Er liess und lässt die Konsumenten an seiner Kreation teilhaben. Frei nach dem Motto: Man kann alles machen, was eine gute Story bringt.
Bekanntlich hat Wein für die meisten Weintrinker einen zweckdienlichen Charakter. Er ist zwar etwas mehr als eine Flüssigkeit, die man in Begleitung zum Essen oder mit Bekannten geniesst. Wein ist aber für unseren Alltag weniger essenziell als die Waschkraft eines neuen Waschpulvers oder die Leuchtstärke einer Glühbirne. In der Regel wird eine Flasche aus purem Vergnügen geöffnet, sei das zu Hause, im Restaurant oder in der freien Natur.
Aus diesem Grund hofft man, beim Entkorken einen ähnlichen Effekt zu erleben wie Aladin beim Putzen der Wunderlampe. Den Eintritt in eine neue Erlebnisdimension, bei der die eigene Fantasie voll ausgelebt werden kann und muss. Und dazu braucht es die magische Kraft von Weinbrands.
Eine Kraft, die erstaunlicherweise immer wieder umgesetzt werden kann. Oder gibt es eine fassbare Erklärung dafür, warum sich jeder geschmeichelt und besonders geehrt fühlt, wenn er in den Genuss eines Glases von Gajas Barbaresco kommt? Es ist nicht der Preis, der in diesem Fall zwar sehr hoch, aber nicht unbezahlbar ist. Es ist auch nicht die Rarität der Flasche, sondern vielmehr das Charisma, das sie und ihr Schöpfer ausstrahlen. Sie vermitteln die Energie von konstantem Erfolg. Klar doch, dass man sich dieses erstrebenswerte Gefühl etwas kosten lässt. Doch mit Geschmack und Traubensorten hat dies nicht mehr viel zu tun.
Anderes Beispiel: Während Angelo Gaja eine real existierende Person ist, die ihren Brandstatus mit italienischer Leichtigkeit in die Zukunft trägt, kämpft ein anderer Brand um die Gunst seiner Anhängerschaft. Die Rede ist von Bordeaux. Jahrzehntelang galt diese französische Weinregion als Krönung der Weinschöpfung und der Besitzer von alten Bordeaux als absoluter Weinkenner. Ein Zustand, der heute massiv an Stabilität eingebüsst hat.
Grund für diesen Treuebruch ist nicht die Konkurrenz, sondern die eigene Überschätzung und Missachtung der Kunden. Denn obschon der Mensch einem Brand in der Regel über Jahre hinweg treu bleibt, darf das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht aus dem Gleichgewicht fallen.
Imagekorrekturen sind nicht leicht zu bewerkstelligen
Genau das ist in den letzten Jahren in Bordeaux geschehen. Ohne sich seiner Käuferschaft zu besinnen, trieben die einzelnen Châteaux ihre Flaschenpreise nach oben, ohne mehr dafür zu bieten. Und zwar auf qualitativer wie auch auf Imageseite.
Die Korrektur dieses Ungleichgewichts ist jetzt mehr als ein schwieriges Unterfangen. Einerseits kann das Bordelais nicht plötzlich mit neuen Brands auftauchen, andererseits strömen mehr und mehr Weinbrands aus der Neuen Welt auf unseren Markt, die preislich und geschmacklich genau den Nerv der Zeit treffen.
Ähnlich wie Weinbrands sind auch Verkaufsstellen gebrandet. Dabei spielt die klare Definition des Sortiments eine zentrale Rolle. Die Zürcher Weinhandlung Bindella wird nicht wegen ihrer Champagnerauswahl, sondern wegen der Italiendominanz aufgesucht. Namen wie Sassicaia, Tignanello oder Solaia stehen in direktem Zusammenhang.
Landolt, Zweifel und die Zürcher Staatskellerei haben sich vor allem mit heimischen Eigenabfüllungen einen Namen gemacht, und bei der Weinauswahl von Beat Caduffs Vinothek zum Wohlsein kann man getrost davon ausgehen, dass jede Flasche dem Bündner Gastronomen zu Wohlbefinden verholfen hat.
Brandbuilding verschiebt sich zu den Zwischenhändlern
In Zukunft werden ohnehin Wiederverkäufer entscheiden, was ein Brand ist. Und nicht die Produzenten, wie Konsumenten fälschlicherweise annehmen könnten. Jetzt schon werden in der Schweiz rund 70 Prozent des jährlich getrunkenen Weines im Warenhaus oder beim Grossverteiler eingekauft. Das sind immerhin 200 Millionen Liter. Tendenz steigend.
Ebenfalls steigend ist die Anzahl von Brands im Warenhausgestell. Je grösser die Auswahl, desto schwieriger der Entscheid. Zu viel müsste man wissen, um optimal wählen zu können. Ein Brand hingegen ist der Garant für die richtige Entscheidung. Er ist massentauglich. Daher ist es auch logisch, dass jede Preisklasse und jede Weinregion sowie jeder Weintyp seine Brandmarken hat.
Brandgegner befürchten, dass die Kultivierung einzelner Marken die natürliche Entwicklung der Weinkultur unterdrückt. Es ist aber nicht der Brand allein, der eine Vielzahl individueller Winzer in den Ruin treibt, sondern ein national geeichter Geschmack. Modeweine und Trinktrends sind viel gefährlicher als das Label eines Weinguts. Denn Brands stoppen nicht das Interesse der Konsumenten.
Im Gegenteil. Sie besitzen die erstaunliche Gabe, Interesse für etwas zu wecken, das einerseits eine Vielzahl gleichwertiger Konkurrenten um sich versammelt und andererseits nur aus Vergnügen den Hals hinunterfliesst. Anders als bei Kleiderbrands veranlassen Weinbrands Konsumenten zu aktiven Handlungen. Man kauft sich Bücher über die Weinregion oder fährt sogar mit dem Auto hin. Und so wird plötzlich etwas aus Verkaufszwecken künstlich ins Leben Gerufene lebendig und greifbar. Ohne die magische Energie eines Brands wäre das kaum möglich.
Bekanntlich gibt es ja keinen Trend ohne Gegentrend. Und
so schafft die stetige Zunahme von globalen Brands erneut
auch Platz für Lokalmatadoren. Also Weine, die nur in ihrer Heimat oder einem geografisch begrenzten Umfeld einen Absatzkanal finden. Diesen Abfüllungen ist es schliesslich zu verdanken, dass die Weinregionen weltweit individuelle Nischen behalten und nicht zum Einheitsbrei verkommen.
Obschon Werbetexte, die einen Brand begleiten, meist den individuellen Charakter des Produkts herausstreichen, können sie ihm genau das gar nie geben. Brand bedeutet automatisch Masse, Markt und Marketing.

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